Epilog

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Jonas streifte durch das Schlachtfeld. Dem Krieg waren viele zum Opfer gefallen. Eine von ihnen, die das Ende dieses Krieges nicht miterleben durfte, war Natalie. Es versetzte ihm einen Stich im Herzen, wenn er an sie dachte. Er stellte sie sich im Leben nach dem Tod vor, in der Unterwelt. Sie schlief friedlich auf einem Bett aus Rosen, gefangen in einer, von ihr erschaffenen, Traumwelt. Träumte sie von ihm? Er hoffte es. Was sollte er jetzt tun? Natalie hatte ihn zum König ernannt, doch was sollte er ohne ihre Hilfe hinbekommen? Verloren lief er weiter, bis er bemerkte, dass er genau dort war, wo Leichenberger sie erschossen hatte. Warum hatte sie ihn weggestoßen? Es hätte ihn treffen sollen, nicht sie.

Ein Stückchen weiter weg lagen die Scherben, die einst das Herz von Heris gewesen waren. Die Quelle aller Magie. Was sollten sie ohne Magie tun? Gab es einen Weg sie zurückzubringen? Alles rückgängig zu machen?

Er kniete neben den Scherben nieder und wollte nach ihnen greifen. Da bemerkte er etwas Seltsames. Unter den Scherben schimmerte etwas hervor. Jonas schob sie behutsam beiseite und zum Vorschein kam ein Herz. Es war durchzogen von Adern, durch die Magie floss. Es sah fast genauso wie das alte Herz aus. Der einzige Unterschied war, dass dieses Herz nicht in allen Regenbogenfarben erstrahlte. Nein, dieses Herz war pechschwarz und schimmerte mit öligem Glanz in der roten, untergehenden Sonne.

Es war still geworden. Nur der Wind pfiff unermüdlich durch die Bäume und über das Feld. Jonas betrachtete noch immer das Herz. Das neue Herz. Welche Magie durchfloss es? Dunkle Magie?

Wie war Natalie überhaupt in der Lage gewesen dunkle Magie zu kontrollieren? Es gab sie seit Jahren nicht mehr. Seit Jahrzehnten. Jonas Gedanken überschlugen sich bei dem Versuch nach Antworten zu suchen. Sein Kopf dröhnte von den vielen Fragen, die dort herumschwirrten. Behutsam hob er das Herz auf und trug es zum Turm. Aus den Trümmern hatten ein paar Überlebende den Turm, so gut es ging, wiederaufgebaut. Aber ohne das Herz war der Turm nichts. Wie ein Körper ohne Seele, eine Bibliothek ohne Bücher, ein Schatten ohne Licht.

Jonas stieg die engen Stufen hinauf. Die Treppe wand sich, einmal, zweimal. Unendlich weit zog sie sich in die Höhe. Bis er in einem kleinen Raum ankam. In der Spitze des Turms lag das Zuhause des Herzens. Ein Podest aus Kristall, das lose wieder zusammengesetzt wurde, befand sich in der Mitte des Raumes. Es fehlten Stücke in dem Gestein und Risse durchzogen es, wie Krater. Normalerweise thronte auf diesem Podest das Herz von Heris, doch dieser Platz war leer. Doch nicht mehr lange. Jonas setzte das Herz behutsam auf das Podest. Sobald es das Podest berührte, begann das Herz zu pulsieren. Die Magie, die durch das Herz floss, schien sich zu beschleunigen und sie floss in die Risse, in die Krater des kristallenen Podests. Von dort durchströmten sie den Boden, bis dieser mit demselben öligen Glanz erstrahlte wie das Herz selbst. Er spürte wie sich die Luft mit dieser Magie auflud. Sie prickelte auf seiner Haut, roch nach verbrannten Rosenblättern und schmeckte, wie die Rosenkekse, die Natalie ihm einmal zum Geburtstag gebacken hatte.

Jonas eilte aus dem Turm, um den anderen von der neuen Magie zu erzählen. Doch als er am Fuße des Turms ankam, wusste er, dass sie es bereits wussten.

Eine Welle von Magie war durch die Königreiche geweht und ihre Bewohner spürten sie, wie sie die Atmosphäre auflud. Es war, als hätte man die Erde wieder zusammengesetzt. Man hatte vorher gespürt, dass etwas fehlte, doch jetzt fühlte es sich richtig an. Ihre Welt war wieder ganz, kein Puzzleteil fehlte mehr. Doch tief in Jonas Bewusstsein, wusste er, dass etwas nicht stimmte. Er ignorierte das kratzende Gefühl und begrüßte stattdessen die neue Magie.

Keiner musste ihnen sagen, dass die Magie zurück war. Aber dennoch fragten sie sich, woher sie auf einmal kam und so eilten sie zum Turm. Dort angekommen, spürten sie, dass diese neue Magie, nicht wie die Alte war. Sie fühlte sich gefährlich und verboten an. Die Luft wurde schwerer, je näher sie dem Turm kamen. Die alte Magie hatte sich nicht so angefühlt. Nein, diese war freundlich und strahlend gewesen. Sie ließ ein wohliges und warmes Gefühl zurück. Diese Magie hinterließ ein bitteres und eiskaltes. Wenn die frühere Magie die Sonne gewesen war, dann war diese neue Magie der Mond. Das komplette Gegenteil, nicht hell, nein. Sie war dunkel. Dunkle Magie. Dieselbe Magie, die mit Nefera, der Göttin des Bösen, verbannt wurde. Sie war wieder da. Sie war wiedererweckt worden.

„Durch Natalie?" fragte sich Jonas. Doch es blieb nicht viel Zeit darüber nachzudenken. Ohne das Gegenstück zur dunklen Magie, war diese zu mächtig und brachte das Gleichgewicht, die Balance, durcheinander. Und nur die Götter wussten, was dann passierte.

Fortsetzung folgt...

Das verlorene Königreich - Das gebrochene HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt