Das elendige Piepen meines nervigen Weckers reißt mich viel zu früh aus meinen Träumen. Mir fällt es schwer, meine Augen halbwegs aufzubekommen. Von der anderen Seite des Zimmers murrt Max unzufrieden. So schnell, wie mein müder Körper es zulässt, stehe ich auf, tapse zu meinem Schreibtisch und stelle den Wecker ab. Zufrieden seufzt Max und dreht mir den Rücken zu. Missmutig beobachte ich sie aus halb geöffneten Augen. Sie kann ausschlafen, ihre erste Vorlesung ist erst kurz vor Mittag. Dafür hasse ich sie gerade echt abgrundtief. Ich bin auch auf mich sauer. Ich musste ja auch unbedingt meinen Wecker auf dem Schreibtisch stehen haben, damit ich aufstehen muss, um ihn auszustellen. Diesen inneren Fight führe ich nun seit fast 4 Jahren mit mir selber. Es ist echt zum Kotzen. Aber es ist die einzige Möglichkeit, dass ich halbwegs pünktlich aus dem Bett komme. Würde er neben meinem Bett stehen, würde ich immer wieder auf die Snoozetaste drücken und müsste mich dann abhetzen, um pünktlich zu einem Termin zu kommen. Unpünktlichkeit hasse ich fast noch mehr als früher aufstehen.
Ich setze mich auf die Kante meines Bettes und starre an die gegenüberliegende Wand. Dort hängt ein großformatiges Poster eines Kleides von Christian Dior. Es zeigt das Junon Evening Dress. Dieses Kleid hat er 1949 entworfen und es ist über und über mit dunkelblauen, weißen und cremefarbenen Steinen bestickt. Es ist ein absoluter Traum und ein Meisterwerk an Schneiderkunst. Der Rock mit leichter Schleppe hat mehrere Volants, die mich leicht an die Schuppe einer Meerjungfrau erinnern. Ich habe das Poster von Matt geschenkt bekommen. Kurz bevor sein Vater krank wurde, war er mit seinen Eltern in New York. Er hat es in irgendeinem Museum gekauft und mir mitgebracht. Ich weiß noch ganz genau, wie sehr ich mich gefreut habe, als er es mir gab und ich es ausgerollt hatte. Denn dieses Kleid ist dafür verantwortlich, dass ich Modedesignerin werden will. Als kleines Mädchen habe ich mal eine Dokumentation über Dior gesehen und da wurde dieses Kleid gezeigt und ich habe mich sofort verliebt. Ich habe Matt jeden Tag damit genervt und ihm Fotos davon gezeigt. Christian Dior ist mein großes Vorbild. Er hat den New Look erschaffen. Seine Kleidungsstücke haben der weiblichen Silhouette auf unvergleichliche Weise geschmeichelt. Mein Blick huscht zu meinem Bücherregal, wo drei meiner liebsten Bücher über die Werke von Christian Dior stehen. Sie sind so etwas wie meine Bibeln. Immer wenn ich Inspiration oder einen neuen Schub an Motivation brauche, blättere ich in diesen Büchern und rufe mir in Erinnerung, warum ich diesen Weg eingeschlagen habe.
Müde reibe ich mir über das Gesicht. Es wird Zeit, dass ich langsam in die Puschen komme. Ich schnappe mir meinen Waschbeutel und suche mir neue Sachen aus dem Schrank. Mit schlurfenden Schritten verlasse ich unser Zimmer und mache mich auf den Weg zu den Gemeinschaftsbädern. Wir haben leider nicht das Glück, ein Wohnheimzimmer mit eigenem Badezimmer zu haben.
Auf dem Weg zur Vorlesung besorge ich mir einen starken Kaffee an einem der Stände, die hier auf dem Campus verteilt sind. Normalerweise würde ich einen Abstecher über meinen Lieblingscoffeeshop machen, aber dazu reicht die Zeit leider nicht.
Köstlicher Kaffeeduft steigt mir in die Nase und ich schnuppere genüsslich daran. Herrlich! Und der erste Schluck erst! Der Kaffee ist zwar nicht so gut, wie der, den ich sonst trinke, aber er wird seinen Dienst tun und mich wach machen.
»Hey Shannon.« Eric taucht neben mir auf. Er ist ein fast zwei Meter großer Basketballspieler. Genauso wie Matt ist er ein Kappa Alpha und wir sind seit dem Beginn unseres Studiums miteinander befreundet. Auch wenn man es ihm nicht ansieht, mit dem raspelkurzen Haarschnitt und den Sportklamotten, aber er studiert tatsächlich Kunst. Ich habe schon einige seiner Arbeiten gesehen. Er ist echt talentiert und ich habe ihm das Versprechen abgerungen, dass ich unbedingt eines seiner Arbeiten haben möchte, damit ich es dann für teures Geld weiter verkaufen kann, wenn er mal ein berühmter Maler ist.
»Morgen Eric.«, murmle ich in meinen To Go Becher und nehme noch einen Schluck.
»Du hast da ganz schön was angerichtet.« Er schubst mich leicht. Aber wie immer überschätzt er seine Kräfte bei mir und ich stolpere ein paar Schritte zur Seite. Sofort greift er meinen Oberarm, um einen Sturz zu verhindern.
DU LIEST GERADE
Best Friend, or more?
RomanceShannon ist Anfang zwanzig. Sie studiert in ihrem letzten Semster Moddesign an der Yale University (eigentlich wollte sie zu Parson's in New York, aber das hatte nicht geklappt). Ihr bester Freund Matt studiert ebenfalls hier. Sie kennen sich seit d...