Kapitel 8

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Kannst du mir bitte verraten, worauf ich mich da gerade eingelassen habe? Ich fühle mich, als würde ich komplett neben mir stehen. Ich muss vollkommen verrückt geworden sein. Wie konnte ich nur auf diesen Vorschlag eingehen? Mein Leben ist aktuell das reinste Chaos und ich sollte mich beeilen und Ordnung rein bringen.

Mein Handy vibriert. Ich hatte es neben mich auf den Schreibtisch gelegt. Eigentlich wollte ich mich mit den Entwürfen für Emelys Projekt beschäftigen. Aber meine Gedanken schweifen immer wieder ab. Seufzend greife ich nach dem Smartphone und rufe die Nachricht auf. Sie ist von Justin.

Toller Auftritt heute im Café. Wenn

ich wieder als Alibifreund einspringen soll,

sag einfach Bescheid.

Was sagt das eigentlich über mich aus, dass ich jetzt einen Alibifreund habe? Das ist echt erbärmlich, oder? Hätte ich schon sonst wie viele Erfahrungen, wäre es vielleicht gar nicht so schlimm. Aber in Liebesdingen bin ich ja nun leider ein absolut unbeschriebenes Blatt.

Im House of Coffee hat Justin wirklich alles daran gesetzt, das es so aussieht, als wären wir ein Paar. Ich weiß jetzt übrigens, dass sie Felicity ist,. Matt hat sie angefahren, als sie nicht aufhörte ihn zu nerven. Klinge ich schadenfroh? Das bin ich auf alle Fälle. Aber zurück zum Thema – er hat sich wie der perfekte Gentleman verhalten und es für alle aussehen lassen, als wären wir ein Paar und hätten uns auf einen Nachmittagskaffee getroffen.

Stöhnend fahre ich mir durch die Haare. Um endlich mal mit meiner Arbeit vorwärts zu kommen, schmeiße ich das Telefon auf mein Bett, nicht ohne vorher den Ton abzuschalten. Zufrieden, dass die Quelle der Ablenkung erst einmal aus meiner Reichweite ist, wende ich mich wieder meinem Laptop zu. Ich bin gerade auf der Suche nach Frauenkleidern früherer Epochen. Ich mache mir Notizen dazu, dass die Renaissance zwar auch schon verzierte Kleider hatte, der Barock dies aber um Längen übertroffen hat, was die Fülle an Spitze, Volants und Stickereien angeht. Beim Barock fallen mir auch sofort die Frisuren ins Auge. Damals hieß es anscheinend hoch, höher, am höchsten. An den Rand meines Blattes schreibe ich mir in fetten Buchstaben 3-D-Drucktechnik. Ich habe zwar noch nie damit gearbeitet, aber ich könnte mir vorstellen, dass das eine gute Möglichkeit wäre, um gewisse Elemente in das 21. Jahrhundert zu führen.

Ich greife nach meinem Skizzenbuch und beginne zu zeichnen. Ich entwerfe ausladende Röcke, aber auch welche mit gerader Linie, schmale Taillen und üppige Ausschnitte. Auch Stickereien und Drucke zeichne und coloriere ich. Die Zeit verfliegt wie im Flug, während ich ein Blatt nach dem anderen voll zeichne. Ab und zu werfe ich einen Blick auf meinen Monitor, um mich zu vergewissern, dass ich mich halbwegs im historischen Kontext bewege. Ich designe mich durch die Renaissance, den Barock, die industrielle Revolution, die Goldenen Zwanziger, die weiblichen Fünfziger, die hippen Siebziger, bis hin zu den punkigen Achtzigern, den bunten Neunzigern und die Neuzeit, in der Frauenkleider teilweise stark an Männerkleidung angelehnt sind, aber die auch eine Zeit ist, in der in der Mode fast alles möglich ist.

Ich klicke mich durch verschiedene Internetseiten und bleibe bei einer über Drag Queens hängen. Sofort ist mein Interesse geweckt. Ich beginne zu lesen und bin fasziniert von dieser Farbexplosion und auch dem Übermaß an Glitzer, der einen fast blind zurücklässt.

»Wenn du mal richtig gute Drags sehen willst, dann geh ins Purple Hill. Justine und ich waren letzten Monat dort.« Ich zucke erschrocken zusammen, als Max plötzlich hinter mir beginnt zu sprechen.

»Himmel!«, fluche ich laut und presse mir die Hand auf mein wild pochendes Herz. Mit weit aufgerissenen Augen drehe ich mich zu ihr um. Wann ist sie denn nach Hause gekommen? »Seit wann bist du da?«

Best Friend, or more?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt