Kapitel 24

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Justine wartet bereits auf uns, als wir das kleine Bistro in der Innenstadt betreten. Sie ist erstaunt, als sie mich sieht. Doch sie scheint genauso die starke Anspannung ihres Bruders zu bemerken. Darum sieht sie mich nur verwirrt an. Ich lächle sie aufmunternd an. Im Gegensatz zu ihr weiß ich ja, was sie gleich erfahren wird und dass sie davor absolut keine Angst haben muss.

Wir setzen uns und sofort reicht uns ein Kellner Speisekarten und fragt, was wir gern trinken möchten. Wir geben unsere Bestellungen auf und als der Kellner wieder verschwunden ist, ergreift Justine das Wort.

»Also, warum wolltest du mich heute unbedingt treffen?« Ihre Finger spielen nervös mit dem Rand der Serviette, die vor ihr auf dem Tisch liegt.

»Ich ... ich wollte dir etwas sagen ... etwas Wichtiges und Shannon ist meine seelische und moralische Unterstützung.«

»Okay. Du machst mir ehrlich gesagt etwas Angst.«

»Was ich dir zu sagen habe, fällt mir nicht leicht und ich hoffe, du bist mir nicht böse, dass ich dir es so spät erst erzähle. Ich hatte viele Jahre nicht den Mut. Aber Shannon hat mir gezeigt, dass es wichtig und richtig ist, dir alles zu erzählen.« Justin wippt nervös mit seinem linken Fuß. Ich hasse so etwas, denn es macht mich selber unruhig. Aber er ist gerade in einer außergewöhnlichen Situation und so lasse ich ihn. Ich lege ihm eine Hand auf die Schulter, in der Hoffnung, dass es ihn etwas beruhigt. Ich will ihm damit meine Unterstützung zeigen.

»Bitte mach es nicht so spannend. Ich bin deine Schwester, du kannst mir alles sagen – egal was es ist.«, sagt Justine zu ihm.

»Okay...« Er atmet noch einmal tief durch. »Ich arbeite nicht mehr in meinem alten Job.«

»Ich weiß.«

»Du weißt es?« Erstaunt sieht er Justine an.

»Ja. Ich weiß es sogar schon seit letztem Jahr. Mom und Dad haben mich wieder unter Druck gesetzt, dass ich mein Studium doch bitte vor Ablauf der Regelstudienzeit abschließen soll. Ich hatte Panik und Max war nicht da und ich bin zu deiner Firma gegangen. Die Dame am Empfang hat mir dann gesagt, dass du schon länger nicht mehr dort arbeitest.«

»Warum hast du mich nicht danach gefragt?«

»Du bist ein erwachsener Mann. Ich wusste, das du deine Gründe dafür hast und du bestimmt nur etwas Zeit brauchst, bis du mir die Wahrheit sagst. Ich schätze, der Zeitpunkt ist jetzt gekommen.«

»Ja, der ist jetzt da. Also gut, du weißt, das ich meinen Job gekündigt habe. Es ist aber nicht so, dass ich arbeitslos bin und damit...« Er deutet auf seinen Anzug »... versuche ein Trugbild aufrecht zu erhalten. Tagsüber kann man sagen, bin ich Manager und nachts bin ich Ruby Star – eine Dragqueen.« Schwer atmet er aus, als er sich endlich seiner Schwester offenbart hat. Justine sieht ihn mit geöffnetem Mund sprachlos an. Ihre Augen werden von Sekunde zu Sekunde größer.

»Du bist Ruby Star?«, sind die ersten Worte, die sie spricht.

»Ja, bin ich.«

»Wie geil ist das denn, bitteschön?!« Sie springt von ihrem Platz auf und umarmt Justin ganz fest. Er weiß gar nicht, wie ihm geschieht. »Mein Bruder ist Ruby Star! Ich wusste, dass mir etwas an ihr bekannt vorkommt.«

»Ich glaube, das musst du uns erklären.«, melde ich mich zu Wort. Denn ich glaube, Justin ist gerade nicht wirklich in der Lage dazu. Sie setzt sich zurück auf ihren Platz. Mit leuchtenden Augen sieht sie zu uns rüber.

»Ich habe recherchiert, als Shannon mich gebeten hat, das Make up bei ihrer Modenschau zu machen. Ich habe mich zunächst mit Ru Paul und Drag Race beschäftigt. Irgendwann bin ich auf einen Artikel gestoßen, eine Rezension, über einen Auftritt einer aufstrebenden Drag Queen namens Ruby Star. Sie hat mich sofort fasziniert und irgendwie fühlte ich mich ihr nahe. Ich habe das ganze Internet durchforstet, um alle Infos über sie zu bekommen. Nun weiß ich, warum ich so empfand. Aber etwas muss ich dich fragen.«

Best Friend, or more?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt