Tango

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Violine, Kontrabass, allenfalls Pauke und natürlich Bandoneon. Leise beginnt die Musik im typischen Rhythmus, der an einen ruhigen Herzschlag erinnert - tantan - tantan, der Körper fühlt sich sofort wohl. Der grosse Saal mit dem elegant gemusterten Holzparkett erscheint in gedämpftem Licht. Die einfache Dekoration ist unaufdringlich, vorwiegend rot mit etwas goldenen Rändern. Es wirkt schlicht und doch edel - elegante. Kleine, runde Tische stehen samten gedeckt im Rund entlang der Wände. Die Kapelle spielt auf der kleinen Bühne, sie steht nicht im Zentrum, sie soll begleiten.

Er betritt den Raum, aufrecht, stolz, elegante. Durch seine Erscheinung nimmt er den Raum für sich in Anspruch. Sein fester Blick schweift umher und bleibt schliesslich an einem der kleinen Tische hängen. Da sitzt sie, la mujer, mi amor. Sie hat ihn wohl bemerkt, versteckt ihre Augen jedoch zur Hälfte hinter ihrem Fächer, schwenkt kokett ihr langes, gewelltes Haar über die Schulter und wartet. Sie weiss, er wird sie ansprechen, doch wie immer im Tango: Der erste Schritt ist seiner. Er kommt näher und ihre Blicke treffen sich, wortlos lässt sie sich aufs Parkett führen, seinem Blick immer standhaltend. Sie fassen sich eng und doch mit genügend eigenem Raum, sie werden eins. Zuerst stehen sie kurz still, lassen ihre Körper die gleiche musikalische Schwingung suchen, schliesslich gehen sie los, wie von selbst. Es sind keine einstudierten Schritte, es ist alles Gefühl und Kommunikation. Mit leichten, aber unmissverständlichen Impulsen seiner starken Schultern führt er sie durch den Raum. Seine Augen genügen für beide, ihre sind sanft geschlossen. Ihre Schritte sind platziert, er sagt ihr genau, wo sie ihre eleganten Schuhe hinstellen soll, sie lässt es zu, denkt nicht darüber nach. Sie spürt die Welt durch ihn. Tango ist Vertrauen, ihr wird nichts passieren. Wenn die Musik es zulässt, führt er sie in eine offene Figur, dreht sie aus und ein, lässt sie brillieren. Denn er weiss wohl, dass vor allem die Frau gesehen wird. Er nimmt sich vornehm zurück und lässt sie tanzen. Nie aber lässt er einen Zweifel aufkommen, dass er hier führt, dass er sagt, was als nächstes passiert. Er ist der hombre, ein wenig Macho, elegante. Und doch zeigt er ihr seinen grössten Respekt, lässt sie den Tanz geniessen.

So tanzen sie, als gäbe es keinen Morgen. Die Welt um sie herum verschwindet, für sie gibt es nur sie beide und die Musik, welche ihre Herzschläge zu einem werden lässt. In diesem Moment ist Tango das Leben. Auf der kleinen Bühne spielen Bass, Violine und Bandoneon.

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