Wellness -Hochdeutsche Übersetzung

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Kennst du das auch: Völlig entspannt in Zürich durch die Bahnhofstrasse schlendern, die Lichter geniessen, während rundherum alle schimpfen und rennen? Dann ist definitiv Dezember, genauer: es ist Vorweihnachten. So schön, all die Lichter, die festliche Beleuchtung. Doch für wen genau hat man die vielen Lämpchen installiert, wenn alle bloss rennen? Niemand hat Zeit dafür, niemand guckt hin. Noch rasch dort hinein - das muss noch sein, weisst du. Ich habe jetzt grad keine Zeit, es ist sehr viel los momentan. Dies sind die Sätze, welche ich sehr oft höre, überall und jederzeit. Keine Zeit, Geschenke besorgen, Druck, Hektik - sogar in festlichen Zeiten und beim Schenken. Ich glaube fast, Ebenezer Scrooge, hatte schon recht, indem er meinte, das sei doch alles Humbug.

Nach dem stressigen Fest dann schnell alles wegräumen, Geschenke umtauschen, Rabatt nutzen. Die Skiferien müssen auch noch organisiert sein. Wieso fährt der nicht? Es ist doch grün! Fahr doch, grüner wird's nicht! Wir wollen doch möglichst schnell in der Schlange vor dem Skilift anstehen. So viele Menschen im Bergrestaurant. Kein Tisch frei. Weshalb schreit das Kind dauernd? Gibt es auch mal etwas zu Essen? - Nein, da machen wir nicht mit. Wir fliegen in die Karibik. Zusammen mit zehntausend anderen stehen wir am Flughafen in der Schlange und danach am Zoll. Unser Badetuch legen wir immer schon früh morgens auf den Liegestuhl, für wenn wir ihn untertags mal brauchen, bevor ein anderer drauf liegt. Wieso kann hier eigentlich niemand Deutsch?

Bei all der Hektik braucht es natürlich auch Entspannung, muss ja sein. Aber nicht einfach so und schon gar nicht auf dem eigenen Liegestuhl im Garten. Nein, richtig schicke Wellnessferien müssen es sein. Mal ausspannen, die Seele baumeln und die Beine hängen lassen. Tee statt Caipirinha, Naturklänge statt Beats, ein Krimi statt Börsenzahlen. Ahh, tut das gut, auftanken und Energie auffüllen. Wellnessprogramm. Zuerst etwas liegen, dann etwas schwitzen und wieder liegen, dann Schaummassage und wieder liegen, dann Ölmassage und wieder liegen, Tee trinken. Dann vierhundert Franken bezahlen.

Nein, ich bin nicht gegen das alles, wirklich nicht. Ich geniesse Vals, Hamam oder Heumassage in den Bergen auch. Sowie auch die Thaimassage am Strand oder die Sauna am Sonntagmorgen. Für mich aber ist Wellness nicht einfach auf ein Programm zwischendurch reduziert, das man buchen kann. Wellness ist nicht einfach bloss eine Insel zum Ausspannen. Wellness beginnt im Kopf. Wellness ist überall. Der Drängler am Skilift stört mich nicht, ich nehme den nächsten Sessel. Der Stresser auf der Strasse soll überholen, ich spare dafür Treibstoff. Ich rege mich doch nicht über den Schüler auf, der die Hausaufgaben nicht gemacht hat - ich freue mich mit all denen, die ihre Arbeit erledigt haben und gerne kommen. Ich sehe die Lichter in der Stadt und freue mich darüber. Bleib einfach einmal stehen. Schaue um dich und sehe deine Welt. Sie ist schön und wenn du das erkennst, wird sie umso schöner. Genau deswegen schlendere ich völlig entspannt mitten im Dezember in Zürich durch die Bahnhofstrasse.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 24, 2022 ⏰

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