Whistler

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Das Haus liegt etwas ausserhalb der Gemeinde Whistler. Die Strasse windet sich mal links mal rechts, eingebettet in einen Tannenwald. Es hat frisch geschneit, die Tannen sind weiss mit leichtem Pulverschnee verhangen. Die Kälte lässt jeden Schritt knirschen, das einzige Geräusch in dieser mit Watte gedämpften Landschaft. Kleine Wölklein steigen empor, jedesmal wenn er ausatmet. Er geht langsam, hat eigentlich kein Ziel. Die wenigen Häuser, die seinen Weg säumen, sind mit weissen Lichtern geschmückt. Überall funkelt und glitzert es, die verschneite Landschaft erstrahlt förmlich. Er geht in Richtung Zentrum, möchte sich eine Eggnog-Latte oder eine Chai-Latte gönnen. In seinem Kopf klingen Weihnachtslieder. Leise summt sie mit. "Du fehlst mir", sagt er leise. "I know. But I'm happy. The time we had was wonderful. I'll never forget. You're a good man..." sagt sie sanft, begleitet vom Hallelujah der Pentatonics. Er schreitet weiter durch das Winterwonderland und bemerkt kaum, dass er seinen Schritt beschleunigt. Seine Gedanken kreisen um sie. "Was ist schief gelaufen? Warum hat sie unser Haus verlassen? Weshalb hat sie an einem anderen Ort ein neues Haus bezogen? Werde ich jemals wieder lieben können?" Seine schnellen, kurzen Schritte knirschen und die kleinen Wölklein werden zahlreicher. Ihm wird warm, er spürt die Kälte nicht mehr. "Weisst du, es war nicht gelogen, als ich dir sagte, ich bleibe dein, mein Leben lang. Ich liebe dich noch immer. Erinnerst du dich an Weihnachten hier in Whistler? Wir waren glücklich, gingen Hand in Hand durch den Schnee und erfreuten uns an den vielen weissen Lichtern." Seine Gedanken nehmen Form an und es ist, als könnte er sie neben sich hergehen sehen. Langsam streckt er seine Hand aus, ergreift die ihre und spürt ihre Wärme. Die Schritte verlangsamen sich wieder, er ist glücklich. Hinter der nächsten Biegung kommt das Zentrum von Whistler in Sicht. Der Lichtschimmer erinnert ihn an Weihnachten als Kind, immer dann, wenn er zum ersten Mal den mit Kerzen beleuchteten Tannenbaum hat betrachten dürfen. "Danke, dass du noch einmal mit mir hierher gekommen bist. Danke, dass du mich auf meinem Spaziergang begleitet hast", sagt er leise, bevor er das Kaffee an der Ecke betritt. Und noch einmal erscheint ihr vom Nebel der Zeit schon etwas verblasstes, lächelndes Gesicht in seinem Kopf. Dann spürt er die Wärme des Kaffeehauses, hört er den Lärm von klapperndem Geschirr, lachenden Menschen und Weihnachtsmusik, riecht er bereits seine Eggnog-Latte.

Zurück auf dem verschneiten Waldweg bleiben bloss zwei einsame Spuren nebeneinander im Schnee.

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