Natale a Merano

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Natale ist das italienische Wort für Weihnachten. Meran zur Weihnachtszeit ist herrlich. Wie man es sonst nur von Kanada oder aus kitschigen US-Filmen kennt, ist alles mit kleinen weissen Lichtern geschmückt. Überall funkelt und glitzert es, man fühlt sich in Millionen kleine Diamanten gehüllt. Tausende Touristen bevölkern die Passerpromenade sowie auch die Lauben oder die Innenstadt rund um das Kurhaus oder den Duomo. Die Menschen sind in Festlaune. Man schlendert zwischen den zahlreichen Marktständen des langen Weihnachtsmarktes hindurch, trinkt ein Weihnachtsbier von Forst oder einen Glühwein - einen Vin Brulé. Mit viel Liebe zum Detail sind die kleinen Holzhütten geschmückt und erfüllen damit ihren Zweck, die Menschen glücklich sein zu lassen.

Ein buntes Sprachengewirr aus Italienisch, Tirolisch, Deutsch und Schweizerdeutsch lässt erahnen, woher die meisten Menschen hier kommen. Die vielen Italiener haben ihre Kultur aus dem Süden mitgebracht, leben diese, wenn auch dick in Daunenjacken gehüllt und selbst die quirligen Kinder sind vermummt bis über die Ohren.

Tagsüber begibt man sich auf die Winterpromenade oder den Tapeinerweg. Wer es gerne etwas anspruchsvoller hat, wandert hoch bis ins Dorf Tirol. Dort oben steht, zugewachsen wie ein Dornröschenschloss, ein riesiges, altehrwürdiges Gebäude, welches eher unromantisch "Bischöfliches Seminargebäude" heisst. Es ist ein altes Kloster, das, wenn es reden könnte, wohl eine lange und erlebnisreiche Geschichte erzählen könnte. Die grünlichen Mauern wollen einladen, aber das Gebäude ist mit einem Bauzaun verbarrikadiert und der Besucher wird am Eintreten gehindert.

Dorf Tirol besteht vornehmlich aus grossen Hotelanlagen, welche mit ihrem Ausblick und ihren Pools protzen. Jetzt im Winter allerdings, sind die meisten Anlagen geschlossen, der Tourismus setzt auf Wärme und Sommer. Dadurch wirkt das Dorf etwas verlassen. Schade eigentlich, denn die Sonne scheint hier oben länger als unten in der Stadt. Nach der anstrengenden aber erquickenden Wanderung begibt man sich in die Terme. Sauna, Dampfbad mit reinigendem Salz, Früchteschnitze und Tee lassen die Seele sich erholen und den Körper zu neuem Leben erwachen. Erst gegen den späteren Nachmittag entdecken auch die vielen Touristen das wärmende Bad und man ist gut beraten, dieses frühzeitig wieder zu verlassen.

Jetzt ist die beste Zeit, um sich wieder den Ständen des Weihnachtsmarktes zu widmen. Hier ein Brot mit Speck und Zwiebeln, dort eine Waffel mit Mandelcreme. Das Leben kann so schön sein. Die vielen Lichter verzaubern nicht bloss die Stadt, sondern auch die Menschen. Viele lachende Gesichter erheitern mit den Lämpchen um die Wette. Wie wenig es doch braucht, damit Menschen friedlich miteinander auskommen, feiern und geniessen können. Niemand wirkt hektisch, nirgendwo hört der Geniesser ein Wort des Unmuts oder der Trauer. Selbst quengelnde Kinder sind eher selten, ausser ihre Eltern haben sie ohne ihr Einverständnis vom Karussell geholt oder sie haben Hunger. Sie können sich auf dem Karussell bei der Therme, der Eisbahn oder am Süssigkeitenstand austoben und sich bezuckern lassen.

Selbstverständlich wäre das alles noch viel schöner, wenn die Stadt zusätzlich noch verschneit wäre. Dennoch hat Meran es geschafft, den nordamerikanischen Lichterzauber mit dem mitteleuropäischen Christkindlmarkt zu verbinden und zusätzlich mit südeuropäischem Lebensgefühl zu beglücken. Den Jahreswechsel hier zu verbringen ist eine gute Idee. Hier kann sich die Seele auf ein neues Jahr vorbereiten und man kann seine Energie bündeln. Das neue Jahr kann kommen, denn das alte hätte nicht besser ausklingen können. Sämtliche hässlichen Erlebnisse der jüngeren Vergangenheit sind vergessen, weggeweht vom eisigen Wind der Berge, vermischt mit etwas Glühweingewürz und dem Rauch der wärmenden Feuer zwischen den Marktständen entlang der Passer.

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