Der Influencer aus Nazareth

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Neulich stand unter genau diesem Titel ein genialer Text in der Zeitung. Darin ging es um einen für das treue Christenherz gewagten Vergleich zwischen Kim Kardashian und Jesus Christus. Okay, was wir von traditioneller Bilddarstellung der nicht fundamentalen Christen wissen, wird Jesus rein optisch gegenüber Kim wohl verlieren, zumindest bei den männlichen Urteilen. Obwohl er deutlich natürlicher wirkt, so ohne Botox. Eigentlich kriegt man das Gefühl, Jesus wirkt echter als eine Fleisch gewordene Barbie. Das macht dann irgendwie schon nachdenklich. Hmm, zwei Milliarden Follower ohne Titten und ohne Botox? Wie soll das gehen, zumal zu einer Zeit, da die Optik noch keinen entscheidenden Einfluss auf die Anzahl Fans hatte. Der Kerl musste wohl andere Werte haben.

Vielleicht hat er seine Fans bestochen. Das tun doch alle einflussreichen Politiker und Führer. Geld war aber damals noch keine so starke Religion wie heute. Fällt also weg. Fake News? Das könnte auch funktionieren. Schliesslich glauben die Menschen seit jeher alles, wenn man es ihnen nur glaubhaft genug darstellt. Im Falle von Jesus aber können wir diesen Einfluss auch streichen. Die Geschichten um ihn, egal ob wahr oder nicht, stammen allesamt nicht von ihm selbst. Zwei Milliarden Follower ohne all die schönen Gadgets, die wir heute nutzen können. Wenn man so darüber nachdenkt, kann man eigentlich nur zu einem Schluss kommen: Der Kerl war gut! Spätestens jetzt kommt die Magie ins Spiel. Jesus hatte Magie. Denken wir dabei aber nicht an irgend einen Hokuspokus, sondern an die Gabe, andere Menschen positiv zu beeinflussen. Jesus hat als Mensch nichts anderes getan, als seine Haltung und seine Einstellung konsequent zu leben. Dadurch hat er andere Menschen, welche ihn kannten oder in sahen beeinflusst. Die Menschen sahen seine guten und wohlwollenden Taten und folgten ihm. Sie liessen sich anstecken und erhofften sich von ähnlichem Verhalten eine Verbesserung ihrer damals ärmlichen Lebenssituation. Jesus handelte nicht so, weil er Follower wollte. Nein, er hatte Follower, weil er so handelte. Hier liegt wohl der grösste Unterschied zu heutigen Influencern. Jesus dachte nie an Profit oder an seine eigene Popularität. Er tat ganz einfach nur das, was ihm seine jüdisch beeinflusste Einstellung, was ihm sein Glauben vorgab.

Die ersten Menschen, welche darin Gutes erkannten, waren die echten Follower. Die späteren Trittbrettfahrer, welche daraus eine finanzwirtschaftlich organisierte Kirche gründeten, haben den wahren Sinn seiner Handlungen nicht erkannt. Aus dem guten Menschen Jesus wurde das Markenprodukt Christus. Diese Marke funktioniert bis heute gut. Abgesehen von Milliarden fehlgeleiteter oder betrogener Fans fliessen auch Milliarden von Euro oder Dollar. Die Vermarktung des Namens Christus ist seit tausenden von Jahren ein lukratives Geschäft. In seinem Namen wird Geld verdient, werden Menschen eingeschüchtert oder ermordet. Wichtigstes Mantra ist schon lange nicht mehr, dass es den Menschen gut geht, sondern dass die Kirche Geld verdient und politische Macht hat.

Das Problem dabei ist: Hätte Jesus gewusst, was aus seinem Namen gemacht wird - er hätte genau gleich gehandelt. Jesus handelte nicht für die Folgen, sondern die Folgen gründeten auf seinen Handlungen. Einen kurzen Moment lang konnte er Gutes bewirken. So lange, bis die männliche Kirche daran Geld verdienen wollte. Wer sich heute auf die Handlungen Jesu reduziert, wer heute die Einfachheit seiner Einstellung und seiner Art erkennt, der hat begriffen, was Menschlichkeit wirklich bedeutet. Genau das will der eingangs erwähnte Artikel in der Zeitung vermitteln. Wer sich über solche Texte aufregt, der sollte seine Weihnachtskrippe wohl besser durch ein Foto von Kim ersetzen.

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