ES HATTE GESCHNEIT während Jimin geschlafen hatte und so war er an diesem Morgen mit einem Ausblick auf eine gänzliche weiß-glänzende Welt aufgewacht. Er hatte den Schnee schon immer gemocht, wie er Stille über die Welt brachte und ihn fühlen ließ, als wäre er ein Abenteurer auf Polarexpedition.
Ob Seokjin sich wohl auch so darüber freute? In den letzten Tagen begleitete der Ältere fast jeden von Jimins Gedanken und ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Es waren noch knapp acht Tage bis Weihnachten, aber er konnte es kaum noch abwarten.Auch während seiner Schicht in der Bibliothek erwischte er sich immer wieder dabei, wie er in seinen Bewegungen stoppte und stattdessen die fallenden Flocken vor den Fenstern beobachtete. Es faszinierte ihn, wie sie durch die Luft schwebten, scheinbar ziellos und so leicht, dass sie kaum von der Gravitation im Zaum gehalten werden konnte.
Jimin ließ sich so sehr vom Wetter ablenken, dass er Yoongi beinahe übersehen hätte, der ihm über den Weg lief, als seine Schicht vorbei war.
Erst zögerte Jimin; war sich nicht sicher, ob der Jüngere noch Kontakt mit ihm haben wollte, aber dann erinnerte er sich daran, dass dieser ihm gesagt hatte, sie würden sich auf der Arbeit wiedertreffen ― und da waren sie.„H-Hallo, Yoongi“, sprach Jimin seinen Kollegen an.
Yoongi, der gerade die Türen zur Bibliothekshalle hatte aufstoßen wollen, drehte sich um und lächelte ihn an.
„Hey, Jimin“, gab er zurück. Es wirkte sehr viel cooler als Jimins Begrüßung, aber das schien ihn nicht zu stören. „Schön, dich zu sehen. Ist deine Schicht schon vorbei?“Der Angesprochene nickte und fragte zurück: „Deine fängt jetzt erst an, oder?“ Dabei war das eigentlich offensichtlich, aber er wusste nicht, was er sonst sagen könnte.
„Ja, genau. Aber ich habe noch ein bisschen Zeit, also leihe ich mir vorher selbst ein paar Bücher aus. Brauche noch was für die Schule.“ Er wirkte ein bisschen verlegen; als müsste es ihm peinlich sein, dass er noch ein Schüler war.
„Willst du mitkommen?“Jimins Plan war es eigentlich gewesen, jetzt nach Hause zu gehen, sich vor seine gläserne Balkontür zu setzen und den Schnee zu beotrachten, während er Tee trank. Dazu passte es nicht, was Yoongi vorschlug, aber er willigte trotzdem ein. Wer weiß, ob er so schnell noch mal eine Chance bekommen würde, etwas mit Yoongi zu machen ― und es wäre schade, würden sich die beiden von einander entfernen, nur weil Seokjin und er sich entschieden hatten, getrennte Wege zu gehen.
Zusammen liefen sie über die dicken roten Teppiche in Richtung der Abteilung für Fachliteratur. Es herrschte eine Weile lang Stille zwischen ihnen, die sich allerdings nicht unangenehm, sondern sehr natürlich anfühlte. In einer Bibliothek war es irgendwie sowieso nicht richtig, laute Gespräche zu führen.
„Was magst du eigentlich am liebsten für Bücher, Jimin?“, sprach Yoongi ihn schließlich an, als sie zwischen den Reihen umherliefen und ein passendes Buch für seine Arbeit über Objekte im Saturngürtel suchten.„Ich mag Abenteuerbücher, glaube ich“, antwortete Jimin und stieß ein schüchternes Lachen aus. „Nicht unbedingt solche gruseligen, aber allgemein welche, die in einer anderen Welt spielen.“
Er hatte das noch nie jemandem erzählt, weil es seine Eltern nie interessiert hatte, was er mochte. Aber er hatte sich wohl schon immer gern etwas vorgestellt, das nicht wirklich existierte.
„Und du?“„Ich mag Poesie“, erwiderte Yoongi zu Jimins Überraschung.
„Aber eigentlich lese ich alles ganz gerne. Auch Horrorgeschichten oder sinnlose Liebesromane.“ Er lachte vor sich hin.
„Es gefällt mir einfach, mir anzusehen, wie die Handlung verläuft, was es für Charaktere gibt und welche Gedanken sie sich machen. Dann stelle ich mir den Autoren vor, wie er vor seinem Computer oder seiner Schreibmaschine sitzt und mehr von sich preisgibt, als er überhaupt mitbekommt.“
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MOUNT EVEREST ― jinmin
Fanfiction»Jimin saß nun allein mit Seokjin. Das verunsicherte ihn zu erst, doch dann sah er, dass ein Lächeln auf dessen Lippen lag und zum ersten Mal an diesem Abend vergaß er, dass er es eigentlich nicht mochte, fremden Menschen in die Augen zu schauen.« ―...