DIE ORANGE-ROTE Farbe des Himmels spiegelte sich in den Fenstern des Anwesens, als Namjoon, Jimin und Yoongi dort schließlich ankamen. Durch den Umweg zur Wohnung des Letzteren hatten sie länger gebraucht als gedacht, und als Namjoon die Tür zum Haus aufschloss, waren alle anderen Gäste bereits da. Es war voller als zu Taehyungs Geburtstag, aber deutlich leerer als zu Halloween, was Jimin erleichterte. Dennoch fragte er sich, wer all diese Menschen waren, schließlich erinnerte er sich nur zu gut daran, dass Taehyung bei seinem letzten Besuch verkündet hatte, Seokjin hätte keine Freunde. Ob Taehyung deshalb vielleicht einfach selbst die Gästeauswahl getroffen hatte?
„Gehst du Jin schnell holen, Jimin?“, fragte Namjoon ohne wirklich auf eine Antwort zu warten, nach dem er sich umgesehen und Seokjin offenbar nicht entdeckt hatte. Yoongi nahm er gerade den Mantel ab, und geleitete ihn dann in einen Raum im ersten Obergeschoss, den Jimin noch nie betreten hatte. Bis dahin folgte er ihnen auch, dann schritt er jedoch weiter die Treppen hinauf, bereits ahnend, wo sich der Gastgeber dieses Abends befand.
Er wusste nicht, weshalb sich Seokjin immer an diesen Ort zurückzog, und dies selbst heute, wo er eigentlich die Hauptrolle darstellte, aber es freute ihn, dass es ihm erlaubt war, diesen Platz ebenfalls zu betreten und ab und zu mit Jin hier zu sein. Dennoch bemühte er sich, leise über die Steinplatten zu laufen, als er sich ihm näherte, um ihn nicht in seiner Ruhe zu stören.
Diesmal stand Seokjin. Obwohl er aufgrund der Kälte eine Jacke trug, waren seine breiten Schultern besonders markant in seiner großen Silhouette, die sich vor dem Sonnenuntergangshimmel abzeichnete. Er schien Jimin trotz dessen Mühen bemerkt zu haben, drehte sich um und kam ihm entgegen. Sie stoppten wohl beide etwas zu spät, denn sie endeten näher beieinander als beabsichtigt. Zumindest hatte der Kleinere der beiden es nicht so beabsichtigt; über Seokjins Intensionen konnte er nichts sagen.
Er musste seinen Kopf ein wenig in den Nacken legen, um Seokjin in die Augen zu sehen, und als er es tat, stockte ihm der Atem. Er hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, jemanden so anzublicken und die Nähe machte ihren Augenkontakt nur noch intensiver. Auf einmal konnte er feine Linien und Farbunterschiede in den Augen seines Gegenübers erkennen, die ihm zuvor noch nie aufgefallen waren. Das zog ihn so in den Bann, dass er für diesen Moment alles um sie herum ausblendete; nicht einmal mehr den kalten Wind beachtete er noch.
Sie standen sich so nah, dass er die Körperwärme Seokjins beinahe spüren konnte, aber überraschender Weise macht das Jimin gar keine Angst, im Gegenteil. Er wäre am liebsten für immer so geblieben.„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“, hauchte er schließlich und Seokjins Blick blieb auffallend lange an Jimins Lippen hängen. Es sah fast so aus, als wolle er sich zu ihm beugen, seine Hände auf seine Hüften legen oder damit durch Jimins Haare fahren, aber er schien sich im letzten Moment einen Ruck zu geben und trat mit einem Räuspern einen Schritt zurück. Seine Wangen waren genauso rosig wie Jimins, der sich fühlte, als stünde sein Gesicht in Flammen. Schnell senkten beide ihren Blick.
„Danke“, erwiderte Seokjin etwas zu spät. „Es - äh - freut mich, dass du gekommen bist.“
„Ja, danke für die Einladung“, gab Jimin verlegen zurück. Sie sahen sich immer noch nicht an, sondern ließen ihre Blicke durch die Gegend schweifen, als wäre diese auf einmal unendlich interessant. Jimins Kopf fühlte sich noch immer ganz leer an; außer an das Bild von Seokjins Gesicht so nah vor seinem mit dem flammenden Himmel im Hintergrund konnte er an nichts mehr denken. Unter diesem Blick war er wie ein Eiswürfel dahingeschmolzen. Mechanisch sagte er deshalb: „Namjoon meinte, ich soll dich runterholen.“
„Na dann los“, erwiderte Seokjin. Er lächelte und das reichte für Jimin, um die Stille, die danach zwischen ihnen herrschte, angenehm zu machen.
Sie stiegen die Treppen nämlich stumm hinab, weil zumindest Jimin schon seine gesammte Konzentration dafür brauchte, auf die Stufen zu achten und sich nicht von der scheinbaren Hitze ablenken zu lassen, die von Seokjins muskulösem Rücken vor ihm ausging. Von unten drangen bereits die typischen Geräusche herauf, aber Klaviertöne schien nicht darunter zu sein. Kurz hatte Jimin ein schlechtes Gewissen, weil er Yoongi so einfach in diesem großen Haus alleine gelassen hatte, aber dann rief er sich wieder ins Gedächtnis, wie vertraut er und Namjoon gewirkt hatten und das beruhigte ihn.Im ersten Stockwerk leitete Seokjin ihn durch den Flur bis zu dem Zimmer, dass Jimins Wissens nach über dem Salon liegen musste. Der Ältere war gerade dabei, die Klinke herunterzudrücken und die Tür zu öffnen, als Jimin ohne nachzudenken aus einem Impuls heraus seine Hand auf Seokjins legte, und ihn damit stoppte. Obwohl er sich dadurch jegliche Farbe in sein Gesicht zurückholte, die er auf der Treppe verloren hatte, war es die richtige Entscheidung gewesen.
„Warte.“ Er wusste nicht ganz, wie er es sagen sollte, aber er wollte auch nicht, dass Seokjin ohne Vorwarnung in Yoongi hineinlief, und dann schlechte Laune bekam, oder sofort kehrtmachte und zurück aufs Dach kletterte. Oder im schlimmsten Fall wieder nur noch Augen für ihn hätte. „Ich habe Yoongi mitgebracht.“
Seokjin hörte auf zu Lächeln. Seinen neuen Gesichtsausdruck konnte Jimin nicht deuten.
„Du hast was?“„Ich habe Namjoon gesagt, dass er auch noch Yoongi abholen soll.“
Seine Hände schwitzten und Seokjin musste das auch fühlen. Jimin verfluchte seinen eigenen Körper in diesem Moment dafür, dass er nie ruhig bleiben konnte. Sein Gegenüber war dazu anscheinend in der Lage. Zumindest zeigten sich auf dessen Gesicht keinerlei Emotionen, stattdessen schien er darauf zu warten, dass Jimin fortfuhr.
„Zu Halloween hatte es so gewirkt, als hättest du dich darüber gefreut, ihn zu sehen, also dachte ich―“, er stockte kurz, „Ich dachte, vielleicht freust du dich, ihn zu deinem Geburtstag auch hier zu haben.“Es herrschte Stille zwischen ihnen. Sie standen immer noch vor der Tür, Jimins Hand lag über Seokjins auf der Klinke. Dessen Gesicht schien weiterhin leer, aber der Kleinere vermutete, dass in seinem Gehirn gerade eine Art Kampf zwischen den Emotionen stattfand.
Schließlich antwortete er: „Okay.“„O-Okay?“ Das war alles?
„Ich habe ihn absichtlich nicht eingeladen, aber es musste wohl so kommen. Ich kann mich sowieso kaum noch erinnern wie es ist, ohne ihn Geburtstag zu feiern.“ Seokjin seufzte und zuckte mit den Schultern. „Außerdem sollte ich wohl sowieso mal mit ihm reden.“
Als er sah, wie sehr Jimin sich bei diesen Worten entspannte, fügte er hinzu: „Keine Sorge.“
Dann öffnete Seokjin die Tür und Jimin hatte keine Zeit um mit mehr als einem Lächeln zu reagieren.Der Raum in den sie traten, ähnelte dem Salon nur durch seinen Grundriss, auch wenn er ein wenig kleiner zu sein schien. Alle Wände, einschließlich der Decke, an der kleine, goldene Sterne klebten, waren in einem dunklen Blau gestrichen. So dunkel waren auch die Fensterrahmen und der Boden, allerdings in braun, genauso wie das obligate Klavier, das sich in einer Ecke befand. Yoongi saß schon daran, aber er schien noch nicht mit dem Spielen begonnen zu haben. Stattdessen wartete er, bis Seokjin, der Jimins Hand nicht losgelassen, sondern ihn mit sich genommen hatte, auf einer der Kunstledercouches platznahm.
Dann begann er zu Spielen, und alle Gäste verstummten. Für die Minuten, in denen bis auf die Klaviertöne Stille herrschte, fühlte sich Jimin an den Abend im Mount Everest ungefähr zwei Monate zuvor zurückversetzt. Auch wenn er immer noch verwirrt war, musste er bei dem Gedanken daran, wie wenig er damals verstanden hatte, lächeln.
Es war der Beginn seiner Freundschaft mit vier wundervollen Personen gewesen, und davon hatte er neben all dem Stress gar nichts mitbekommen. Vor knapp acht Wochen hatte er noch so ein anderes, eintöniges Leben gelebt; er war (bis auf Hoseok und Wheein) allein und ohne zu bemerken auch ziemlich einsam gewesen. Und nun saß er hier, in Mitten seiner Freunde, lauschte Yoongis Klavierspiel und hielt Seokjins Hand. Besser hätte es in diesem Moment nicht sein können.﹙+﹚
mount everest is back!!
here are some fluffy vibes 4 u after all the drama from seoul (a new shortstory, check it out if u havent yet!!)thank you for reading,
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MOUNT EVEREST ― jinmin
Fanfic»Jimin saß nun allein mit Seokjin. Das verunsicherte ihn zu erst, doch dann sah er, dass ein Lächeln auf dessen Lippen lag und zum ersten Mal an diesem Abend vergaß er, dass er es eigentlich nicht mochte, fremden Menschen in die Augen zu schauen.« ―...