LILA UND HELLGELB, das waren die Farben, die Taehyung benutzte, um Jimin zu zeichnen. Laut ihm spiegelten sie seine Persönlichkeit wieder und passten perfekt.
Er saß am Boden seines Kunstzimmers und betrachtete seinen Freund, während dieser sich mit Seokjin und Namjoon unterhielt. Überall um sie herum lagen Pinsel, Farbtuben und Tonstücke; Jimin entdeckte Leinwände, Holzreste und Klebestifte in allen Ecken. Selbst die Wände waren mit dicken Farbschichten in den buntesten Tönen bedeckt. Es war ein Raum so einzigartig wie sein Gestalter.„Und, was wollen wir nächstes Jahr alles machen?“, fragte Taehyung, als eine Gesprächspause entstanden war. Er versuchte gerade, Jimins etwas komplizierte Sitzposition abzumalen, weshalb er bei der Frage nicht in die Runde, sondern mit zusammengekniffenen Augen und seinem Pinsel zwischen den Zähnen auf Jimin schaute, der sich dadurch besonders angesprochen fühlte.
„Ich äh―“, begann er. Ihm schoss nur eine Sache in den Kopf, aber er war sich nicht sicher, wie er sie ansprechen sollte. „Also, ähm, Seokjin hatte gestern angeboten, dass ich―“
„Jimin wird nächstes Jahr hier einziehen“, sprang Seokjin ein, als er seine Unsicherheit bemerkte.
„Also falls ihr damit einverstanden seid“, fügt er noch hinzu, aber angesichts des strahlenden Lächelns, das sich auf Taehyungs Gesicht ausgebreitet hatte, hätte er es sich auch sparen können. Diese Reaktion war eindeutig und das erleichterte Jimin, auch wenn es wohl eigentlich zu erwarten gewesen war.„Selbstverständlich sind wir das“, bestätigte Namjoon. Er betrachtete Taehyungs Werk, der begonnen hatte, Seokjin zu seinem Bild hinzuzufügen. Für ihn hatte er die Farben beige und hellblau gewählt.
Die Beiden ― Namjoon und Taehyung ― waren am Vormittag des einunddreißigsten Dezember zurück nach Hause gekehrt, beide recht müde, aber vorfreudig auf den Tag. Von seiner Mutter hatte Taehyung neue Farben bekommen, weshalb sie beschlossen hatten, den Abend im Kunstzimmer zu verbringen. Mehr hatten sie noch nicht erzählt, aber es hatten sie auch weder Jimin noch Seokjin dazu gedrängt.„Ich will mir nächstes Jahr eine Zuckerwattemaschine kaufen und mit Dawon welche in regenbogenfarben herstellen“, antwortete Taehyung schließlich auf seine eigene Frage. Er und Dawon hatten sich mehr oder weniger durch Jimin kennengelernt und verstanden sich prächtig. Während er sprach, ließ Taehyung seinen Blick über Seokjin schweifen, dessen Kopf an Jimins Schulter lehnte und zeichnete seine Haare ab. „Und ich will mal wieder ins Planetarium gehen. Wir waren lange nicht mehr, oder?“
Namjoon nickte, während er durch eins von Taehyungs Skizzenbücher blätterte. Dabei stoppte er auf manchen Seiten und fuhr behutsam mit den Fingerspitzen die dünnen Linien nach, die Bleistifte auf den Papieren hinterlassen hatten. „Ich komme mit“, er lächelte leicht.
„Und außerdem möchte ich mir gerne einen weiteren Bonsai kaufen. Im Gewächshaus ist noch ein Platz frei.“ Für ihn entschied Taehyung sich für dunkelgrün und hellrosa. Die Farbwahl überraschte Jimin ein wenig, aber gefiel ihm gut.„Und was willst du nächstes Jahr machen, Seokjin?“, fragte er ihn leise. Seine Lippen berührten dabei Seokjins Haare und er drückte ihm nach seiner Frage vorsichtig einen Kuss auf den Kopf. Einfach nur so, weil er es konnte. Und weil es sich so unglaublich gut anfühlte.
„Ich glaube, ich würde gern mit euch ans Meer fahren“, antwortete Seokjin nach kurzem Überlegen. „Da waren wir auch schon lange nicht mehr.“
Er umschloss Jimins Hand mit seiner, ganz nebenbei, und dennoch schlug Jimins Herz bei dieser Geste um einen Schlag schneller. Auch das fühlte sich unglaublich gut an. Eigentlich alles an Seokjin tat das.„Ich war noch nie da“, gab er zu. Seine Mutter war so gut wie nie mit ihm in den Urlaub gefahren; alles was seine Eltern getan hatten waren Arbeitsreisen gewesen, bei denen Kinder nichts zu suchen gehabt hatten. Schon gar nicht solche wie Jimin.
„Dann müssen wir es dir einfach zeigen“, erwiderte Taehyung aufgeregt und sah für einen Moment von seiner Zeichnung auf, um Jimin anzustrahlen.
„Es ist wunderschön, ich bin mir sicher, dass es dir gefallen wird.“ Er wirkte bei dem Gedanken so stolz, als wäre das Meer eine Erfindung von ihm.„Wir könnten im April fahren“, begann Namjoon zu Überlegen.
Von ihm beflügelt plante Taehyung Aktivitäten und diskutierte mit Seokjin darüber, was sie an welchem Tag machen könnten, während er mit sanftem Blau und Dunkellila sich selbst auf das Gruppenbild hinzufügte.Jimin hörte dem Gespräch kaum zu. Sein Kopf war von einem überwältigenden Gefühl der Freude gefüllt, das schon seit gestern Abend alle seine Gedanken dominierte. Eigentlich war es ihm nämlich ganz egal, was sie wann und wo unternahmen; ob sie regenbogenfarbige Zuckerwatte aßen, einen Bonsai kauften oder ans Meer fuhren. Das einzige, was für ihn wichtig war, war, dass er mit seinen Freunden zusammen glücklich sein konnte. Und das war er. Jetzt in diesem Moment und in noch so vielen, die darauf folgen würden.
Als es nur noch wenige Minuten bis Mitternacht waren, verließen sie das Kunstzimmer und steigen die Treppen aufs Dach hinauf. Jimin hatte zuvor kurz mit Hoseok und Wheein telefoniert, wie es ihre Tradition für das Jahresende war und dann hatte Taehyung sein Gruppenbild zum Trocknen an eine Leine gehängt, die Namjoon für ihn quer durchs Zimmer gespannt hatte. Den Pinsel, der ihm hinter dem Ohr steckte, hatte er aber mit hoch genommen.
Dort standen sie jetzt nebeneinander, hielten sich wie instinktiv an den Händen und blickten über die Stadt. Es war eine kalte Nacht, aber der Blick war einzigartig. Es war derselbe wie damals, bei Jimins und Seokjins ersten Gesprächen; wie als sie über die Brände und Erdbeben geredet hatte, die nun schon so lange nicht mehr vorgekommen waren.
Heute stiegen über alle Straßen verteilt Feuerwerkskörper auf, nur um dann zwischen den Sternen in tausend bunte Funken zu zerplatzen. Man konnte die aufgeregten Menschen aus der Ferne hören, ihre Gespräche und ihr Lachen und schließlich auch, wie sie die Sekunden herunterzählten.In diesen letzten Augenblicken des Jahres musste Jimin an den Abend vor all den Wochen denken, an dem er seine neuen Freunde zum ersten Mal im Mount Everest getroffen hatte. Wie viel seither passiert war. Er musste bei dem Gedanken daran lächeln, noch breiter, als er es sowieso schon getan hatte.
Er erinnerte sich daran, als sie Taehyungs Geburtstag gefeiert hatten, und Halloween. Wie sie ihn zum Essen eingeladen hatten und wie Hoseok schon kurz danach erkannt hatte, was Jimin jetzt noch schwer zu begreifen fand. Und dann war Seokjins Geburtstag gewesen und später Weihnachten.
Und jetzt waren sie hier.Jimin fühlte Dankbarkeit, ohne zu wissen, an wen sie sich richtete. Er hatte keine Ahnung, warum die Dinge so gekommen waren, wie sie es getan hatten, aber ihm war sehr klar, was für eine positive Veränderung sie in sein Leben gebracht hatten.
Im Gegensatz zu den Gefühlen, die er damals im Supermarkt und fast jeden Tag gespürt hatte, war er jetzt beinahe ein anderer Mensch geworden. Das bewiesen seine vom Grinsen schmerzenden Wangen nur zu gut.
Er hatte sich geöffnet, neue Freunde gefunden, endlich seinen Bruder losgelassen und war sogar seiner Mutter gegenüber standhafter geworden. Er hatte sich Dinge getraut, von denen er früher nicht einmal hätte träumen können; hatte sich verliebt und seine Gefühle gestanden.
Zum ersten Mal seit einer sehr langen Zeit fühlte Jimin sich selbst gegenüber so etwas wie Stolz.Ohne es zu merken, waren die vier Freunde in den Count-Down, der von den Straßen zu ihnen hoch drang, eingestimmt. Sie zählten die letzten zehn Sekunden in Einklang herunter. Jimin konnte spüren, wie aufgeregt Taehyung neben ihm war, während Namjoon Gelassenheit ausstrahlten. Sie glichen sich aus.
Seokjin stand auf der anderen Seite neben Jimin. Als es nur noch fünf Sekunden waren, drückte dieser vorsichtig seine Hand und Seokjin drehte sich zu ihm um. Schon so lange hatte Jimin vergessen, dass er es einst nicht gemocht hatte, fremden Menschen in die Augen zu schauen.
Feuerwerke explodierten im Himmel und Jimin fühlte sich, als würden sie das auch in seinem Bauch tun. Ihre Lichter spiegelten sich in Seokjins Augen. Taehyung beendete seinen Count-Down mit einem freudigen „Null!“ und Namjoon betrachtete ihn dabei, als wäre er das Schönste auf der ganzen Welt.
Sie hielten sich noch immer an den Händen. Ihre Blicke lagen auf dem Winterhimmel, der so gefüllt war mit all den Sternen, bunten Lichtern und Wünschen.
Ein neues Jahr hatte begonnen.﹙+﹚
time to say goodbye, see you in the outro <3
and as always: thank you so much for reading, id appreciate votes and comments!!
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MOUNT EVEREST ― jinmin
Fanfiction»Jimin saß nun allein mit Seokjin. Das verunsicherte ihn zu erst, doch dann sah er, dass ein Lächeln auf dessen Lippen lag und zum ersten Mal an diesem Abend vergaß er, dass er es eigentlich nicht mochte, fremden Menschen in die Augen zu schauen.« ―...