brände und erdbeben.

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DER WIND übertönte Jimins Schritte auf den Steinplatten. Zu seiner Erleichterung saß Seokjin nicht direkt an der Dachkante, sondern nur am Ende eines flachen Bereichs, an den sich dann ein schräges Ziegeldach anschloss. Dennoch blieb Jimin lieber einige Schritte davon entfernt, als er Seokjin ansprach.

„Jimin?“ Seokjin wirkte verwundert, doch nur für einen Moment. Dann bekamen seine Augen wieder einen trüben Ausdruck und er drehte sich zurück zur Stadt.

Weil er nicht wusste, was er sagen sollte, setzte sich Jimin schließlich doch neben ihn. Obwohl es ihm sonst nichts ausmachte, war er nun doch froh, nicht direkt in den Abgrund blicken zu können. Stattdessen ließ er seinen Blick wie Seokjin über die Lichter der Stadt schweifen. Jimin hatte zwar schon gemutmaßt, dass man von hier aus eine wunderbare Sicht haben musste, schließlich war das Gebäude nicht nur einige Stockwerke hoch, sondern lag auch noch auf einem Hügel, doch so schön hatte er es sich nicht vorgestellt. Er hatte beinahe das Gefühl, die ganze Welt überblicken zu können.

„Frierst du?“, kam es auf einmal von Seokjin. Jimin hatte nicht einmal gemerkt, dass er zitterte und nun, als es ihm auffiel, konnte er auch nicht sagen, was der Grund dafür war. Vielleicht die Kälte, ja, vielleicht aber auch die neue Angst vor der Höhe oder die plötzliche Nervosität, die daraus entstanden war, dass er Seokjin erneut in die Augen geblickt hatte.

„Warum ziehst du nicht die Jacke an?“
Sein Gegenüber deutete mit dem Kopf auf die Anzugjacke, die Jimin noch immer über dem Arm hing.
Dafür, dass er so einen gleichgültigen Gesichtsausdruck zur Schau stellte, war er ziemlich aufmerksam.
„D-Das ist doch deine“, stammelte Jimin.

„Meine?“

Enttäuschung machte sich in ihm breit. Konnte sich Seokjin etwa nicht einmal mehr an ihre erste Begegnung erinnern? Andererseits hatte er seinen Namen noch gewusst.
„Ja. Ich wollte sie dir zurückgeben.“

„Zieh sie ruhig an. Und behalt' sie, wenn du willst. Ich habe mehr dieser sinnlosen Jacken als ich zählen kann.“
Auf diesen Satz folgte ein Schnauben, das wohl ein Lachen darstellen sollte, doch auf Jimin wirkte es alles andere als fröhlich.

„I-Ich bin nur hier hoch gekommen, um dir die Jacke zurück zu geben“, als Jimin dies erwiderte, klang er etwas ärgerlich. „Bitte nimm sie.“

„Wenn es dir hier nicht gefällt, steht es dir auch frei, wieder zu gehen.“
Seokjin klang beinahe spöttisch.

„S-So meinte ich das nicht.“
Aus irgendeinem Grund ging dieses Gespräch in die völlig falsche Richtung. Eigentlich hatte er sich sogar bei Seokjin für seine Hilfe damals bedanken wollen, er hatte ihn besser kennen lernen wollen, aber vor allem hatte er sich sicherlich nicht mit ihm streiten wollen.

Doch obwohl er klar sich selbst den Fehler zurechnete, war es Seokjin, der darauf hin sagte: „Entschuldige bitte. Es ist durchaus sehr freundlich, dass du dir die Mühe gemacht hast, die Jacke zu behalten und sie mir hinterher zu tragen.“

„Aber?“
Jimin wusste nicht, woher er den Mut nahm, dies zu fragen, doch es schien das Richtige gewesen zu sein, denn auf einmal begann sein Gegenüber zu sprechen.
„Aber diese Jacke hat für mich einfach keinen wirklichen Wert. Das liegt nicht an ihr selbst, oder an dir; ich habe viel mehr in letzter Zeit das Gefühl, nichts hätte mehr einen Wert für mich.“

Jimin musste wohl verwirrt geguckt haben, denn Seokjin fuhr mit einer Art Erklärung fort.
„Weißt du, manchmal denke ich, wenn dieses Haus hier brennen würde, dann würde ich es brennen lassen. Ich würde es bis auf die Grundmauern herunter brennen lassen und nicht einmal die Feuerwehr rufen — vorausgesetzt natürlich, Taehyung und Namjoon sind nicht da.“

MOUNT EVEREST ― jinminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt