REGEN trommelte auf den Asphalt. Graue Wolken bedeckten den Himmel und nur wenig Licht gelang durch diese trübe Decke.
Jimin schob seine kalt gewordenen Hände tiefer in seine Taschen und stapfte weiter. Er spürte das kleine Päckchen mit Zucker in seiner Jacke, das er immer bei sich hatte, für den Fall, dass er verloren gehen und fürchterlichen Hunger bekommen oder in eine andere Notlage geraten könnte.Seine Schritte machten leise Platsch-Geräusche, wann immer er seine Füße auf die nasse Straße setzte. Sie ging fast in den Regengeräuschen unter, doch Jimin freut sich, wenn er sie hörte, denn ihnen folgten Erinnerungen an seine Kindheit und an Jeongguk, seinen Bruder, der zu früh verstorben war. Der Verlust schmerzte zwar, doch die Liebe ihm gegenüber und die Freude, die Jimin in der Zeit mit ihm empfunden hatte, brachten ihn dennoch zum Lächeln.
So ging er also, nun lächelnd, durch den Regen. Auf seinem Rücken trug er einen Rucksack, in dem er seine Einkäufe verstauen würde und in dem jetzt schon sein Hausschlüssel klimperte — an diesen hatte er heute nämlich endlich gedacht, und so würde er nicht noch einmal seinen Nachbarn nach dem Ersatzschlüssel fragen müssen. Letzte Woche hatte er den alten Mann aus seinem Mittagsschlaf geweckt, als er an dessen Tür geklingelt hatte und dieser war dementsprechend schlecht gelaunt gewesen, als er Jimin seine Wohnung aufgeschlossen hatte.
Als er am Supermarkt ankam, regnete es immer noch. Manchmal wünschte sich Jimin, er wäre genauso ausdauernd wie der Regen, der oft tagelang ohne Unterbrechung vom Himmel kam.
Während er durch die Reihen des Ladens ging, blickte er immer wieder durch die großen Glastüren nach draußen, um zu überprüfen, ob der Niederschlag nachgelassen hatte. Nicht, dass das irgendetwas verändert hätte, doch so musste er wenigstens den fremden Menschen im Supermarkt nicht in die Augen sehen, sondern hatte ein anderes Blickziel.Bevor er zur Kasse ging, rechnete sich Jimin immer genau aus, wie viel er bezahlen musste. Er zählte die kleinen Münzen auf einem Tiefkühlregal ab und konnte sie dann sofort passend dem Kassierer reichen. Diesen Tipp hatte Hoseok ihm gegeben, nach dem Jimin erzählt hatte, wie nervös es ihn machte, das richtige Geld an der Kasse herauszusuchen, während hinter ihm so viele Menschen warteten.
Doch obwohl er nur Tomaten und etwas Schokolade hatte kaufen wollen, reichten die wenigen Münzen in seinem Portemonnaie nicht. Er verdiente mit seiner Arbeit als Aushilfe in der städtischen Bibliothek nicht besonders viel, und würde den nächsten Lohn erst in ein paar Tagen ausgezahlt bekommen.Jimin begann zu schwitzen. Er hatte das Gefühl, jeder im Markt konnte ihm ansehen, dass er nicht einmal genug Geld für diese zwei Artikel hatte und er schämte sich für seine Hilflosigkeit. Doch er konnte nichts weglegen — die Schokolade musste er kaufen, um sich bei seinem Nachbarn zu bedanken, wie Hoseok es ihm einst geraten hatte, und die Tomaten brauchte er für das Frischkäsebrot, das er jeden Tag zum Frühstück aß. Heute hatte er schon darauf verzichten müssen, da er nur noch etwas Gurke gehabt hatte (die jedoch mit Scheibenkäse kombiniert werden musste, der ebenfalls alle gewesen war) und einen weiteren Tag ohne Mahlzeit am Morgen konnte er nicht ertragen.
Zudem hatte er bereits die billigsten Produkte gewählt.
Natürlich könnte er auch die deutlich günstigeren Gummitiere für seinen alten Nachbarn kaufen, doch Jimin war sich nicht sicher, ob dieser nicht vielleicht Vegetarier war und wollte nichts Falsches auswählen.
Was sollte er nun also tun? Sollte er Hoseok anrufen, und ihn um Rat bitten? Doch was, wenn dieser genervt regieren würde? Das war zwar noch nie vorgekommen, aber schließlich war auch Jimin schon erwachsen, und würde irgendwann lernen müssen, endlich allein zu Recht zu kommen.
Nein, er konnte sich nicht schon wieder an Hoseok wenden.Nach noch ein paar Minuten leicht panischen Nachdenkens, entschloss sich Jimin, dass er jemanden ansprechen würde. Er würde einen Fremden um die fehlenden neunzehn Cent bitten, und hoffen, jemand würde ihm aushelfen. Vielleicht könnte er diesem Jemand auch die Hälfte der Schokolade anbieten, immerhin war der Nachbar ziemlich unfreundlich gewesen und eine halbe Tafel dürfte immer noch genug sein, um sich zu bedanken.
Doch trotzdem dieser Plan in seinem Kopf so logisch klang, – bestimmt würde ihm jemand etwas geben, immerhin würde er das auch tun, wenn ihn jemand darum bitten würde (und er genug Geld hätte) – gestaltete es sich als ziemlich schwierig, jemanden anzusprechen, wo Jimin doch schon Probleme damit hatte, nur Augenkontakt aufzubauen.
Schließlich entschied er sich dazu, eine Frau anzusprechen, die mit ihrem Kleinkind einkaufen war und gerade Süßigkeiten auswählte.
„H-Hallo, Entschuldigung?"
Sie sah auf und als sie merkte, dass er mit ihr sprach, erwiderte sie mürrisch: „Ist was? Du fragst mich jetzt besser nicht, wo das Königsschloss ist, ich habe nämlich echt die Nase voll davon, für einen Tourguide gehalten zu werden."
Jimin wollte ihr antworten, dass er kein Tourist war, aber er hatte nicht das Gefühl, dass sie ihre ablehnende Einstellung ändern würde.„Nein, sorry. S-Schönen Tag noch", stammelte er also. Dafür erntete er von Frau einen misstrauischen und von einem Mitarbeiter einen drohenden Blick.
Jimin hörte noch, wie dieser sie fragte: „Belästigt sie dieser Mann, Ma'am?"Die Antwort bekam er jedoch nicht mehr mit, denn er war bei dem Versuch, aus der Situation zu fliehen, gegen einen Mann gestoßen und dabei nicht nur in Tränen ausgebrochen, sondern hatte auch noch dessen Einkäufe auf dem Boden verteilt.
Sein neues Gegenüber schien nur wenig älter als Jimin zu sein und wirkte, als er bei ihm vermutlich zumindest vor dümmen Sprüchen sicher.
Vor Jähzornigkeit allerdings nicht, denn als der Ältere sah, dass seine Anzugjacke jetzt mit einer Mischung aus den zerdrückten Beeren und dem Whisky bedeckt war, den er eben noch in der Hand gehalten hatte, wirkte seine Miene noch weniger einladend, als die idiotisch Grimasse des Kleinkinds beim Süßigkeitenregal.
Die Tatsache, dass Jimin weinte, schien jedoch seinen Ärger abzulenken, denn statt ihn anzuschimpfen, warf er nun der Frau, die Jimin wie einen Touristen behandelt hatte, einen wütenden Blick zu. Jimin bewunderte ihn für die Selbstsicherheit, mit der er sich ihr entgegen stellte.Mit einer fließenden Bewegung streifte der Fremde sich die verschmutzte Jacke von den Schultern und drückte sie dem immer noch leicht schluchzenden Jimin in die Hand. Mit schnellen Schritten näherte er sich dann dem Mitarbeiter, der ganz in ein Gespräch mit der unfreundlichen Frau verwickelt war, und sprach diesen an. Jimin konnte weder hören, was er sagte, noch, was darauf erwidert wurde, doch kurz darauf begann der Mitarbeiter mit leicht schmollendem Blick, die Scherben aufzuräumen, die bei Jimins Zusammenstoß mit dem Fremden entstanden waren, während dieser durch die Regale in Richtung des Ausgangs verschwand. Auch das Kleinkind, das, während seine Mutter abgelenkt gewesen war, mehrere Tafeln Schokolade in den Einkaufswagen gelegt hatte, zog diese jetzt zu den Kassen und schließlich blieb Jimin allein zurück.
Bemüht unauffällig wischte er sich die letzten Tränen aus dem Gesicht. Obwohl nun so einiges passiert war, war er der Lösung seines Problems noch immer nicht näher gekommen — im Gegenteil, jetzt war nur noch verwirrter als zuvor. Noch jemanden anzusprechen traute er sich nicht, schon allein, um nicht noch einmal so ein Chaos anzurichten. Doch wo sollte er das fehlende Geld dann herbekommen?
Jimin entschied, dass diese Situation schlimm war und es deshalb Zeit wurde, das kleine Zuckertütchen zu öffnen. Er setzte sich auf eine der Tiefkühltruhen, auf der er zuvor sein Geld abgezählt hatte und fischte die Packung aus seiner Tasche. Dann ließ sich die kleinen, weißen Körnchen in die Hand rieseln und ignorierte (so gut es ging) die Blicke der anderen Einkäufer.
Der süße Geschmack beruhigte ihn. Hoseok hatte ihm gesagt, dass es in jeder Situation eine Lösung gab, und dass er ihm helfen würde, wenn er sie nicht alleine finden könnte. Doch diesmal würde Jimin sie selbst entdecken, er musste es einfach.Als der Zucker leer war, war ihm allerdings immer noch nichts Sinnvolles eingefallen. Vielleicht könnte er noch einmal zum Süßwarenregal gehen, um dort nach einer billigeren, ebenfalls vegetarischen Alternative für die Schokolade Ausschau zu halten? Wie sich zeigte, musste er jedoch gar nicht suchen, denn als er die Jacke des Fremden anhob, um sie mitzunehmen, fielen vier, kleine, passende Münzen aus ihrer Tasche und dem perplexen Jimin direkt in die Hände.
﹙+﹚
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MOUNT EVEREST ― jinmin
Fanfic»Jimin saß nun allein mit Seokjin. Das verunsicherte ihn zu erst, doch dann sah er, dass ein Lächeln auf dessen Lippen lag und zum ersten Mal an diesem Abend vergaß er, dass er es eigentlich nicht mochte, fremden Menschen in die Augen zu schauen.« ―...