Spinnen

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Wie sehr sich alles ändern würde wurde uns schneller bewusst als uns lieb gewesen wäre. Dumbledores Beurlaubung sprach sich schnell im Schloss herum und es folgte eine nie dagewesene Furcht. Der Sommer zog langsam über die Ländereien des Schlosses doch freuen konnte sich niemand darüber. Man sah kaum noch ein Gesicht, dass nicht ängstlich oder angespannt aussah und ich konnte mich schon nicht mehr daran erinnern wann ich das letzte mal ein ehrliches Lachen gehört hatte. Selbst den Zwillingen schien das Lachen vergangen zu sein und man sah sie ernst und angespannt wie nie zuvor. Hatten wir seit unserem letzten Schuljahr schon außergewöhnlich viel Zeit zusammen verbracht so waren wir nun wirklich unzertrennlich. Einzig für unseren jeweiligen Unterricht ließen wir uns gegenseitig aus den Augen doch wohl fühlte sich keiner von uns dabei.
Harry und Ron, die ebenfalls nicht von meiner Seite wischen, hatten damit begonnen Hagrids Ratschlag zu befolgen und sich unauffällig nach irgendwelchen Spinnen umzusehen was sich wegen des Verbots alleine umherzuwandern mehr als schwierig gestaltete. Für die Unterrichtsstunden wurden wir von den jeweiligen Lehrern in den Gemeinschaftsräumen abgeholt und auch zurück gebracht.
Doch - wie üblich - schaffte es auch diesmal einer mich selbst in dieser schrecklichen Zeit auf die Palme zu bringen. Draco Malfoy wanderte stolz und mehr als Zufrieden durch die Gänge der Schule als würde sie nun ihm gehören. Fred und George mussten mich schon mehr als einmal zurück halten ihm nicht sein dreckiges Grinsen aus dem Gesicht zu waschen.
Es war in einer Zaubertrankstunde, fast zwei Wochen später, wo es wirklich fast eskaliert wäre.
„Ich hab immer gewusst, dass Vater es schaffen wird, Dumbledore aus dem Weg zu räumen", sagte Draco zu Crabbe und Goyle ohne sich groß anzustrengen leise zu sprechen. „Hab euch ja gesagt, seiner Meinung nach ist Dumbledore der schlechteste Schulleiter den die Schule je gehabt hat. McGonagall wird auch nicht lange bleiben, sie ist nur eingesprungen."
Harry, Ron und ich, die zwei Tische vor ihm saßen ballten unsere Hände zu Fäusten.
„Es überrascht mich, dass die Schlammblüter inzwischen nicht alle die Koffer gepackt haben", fuhr Malfoy spöttisch fort. „Wette fünf Galleonen, dass der nächste stirbt. Schade, dass es nicht die Granger war."
Das reichte. Ich war aufgesprungen und wollte grade einen Schritt auf Malfoy zu gehen als Sev vor mir auftauchte und kaum merklich mit dem Kopf schüttelte. Ich biss die Zähne zusammen, zitterte fast schon vor Wut und sah ihm offen und trotzig in die Augen. Snape musste nichts sagen, in seinem Blick lag eine stumme Bitte.
„Ich gehe", hauchte ich so leise, dass nur er es verstehen würde. Entschlossenheit lag in meinem Blick und Sev wusste, dass es nichts bringen würde mit mir zu diskutieren. Zumindest nicht hier im Unterricht. Er nickte also, wieder kaum merklich, trat einen Schritt zurück und wandte sich meinem Bruder und Ron zu.
„Mr. Potter und Mr. Weasley", richtete er das Wort an die beiden. „Begleiten Sie Ms Potter in den Gryffindor Gemeinschaftsraum zurück und geben Sie auf sie Acht."
Ohne nachzufragen und froh über die Möglichkeit aus dem Kerker fliehen zu können packten die beiden ihre Schultaschen zusammen und folgten mir aus dem Kerker heraus.
„Aus dem Unterricht zu fliegen ist wohl noch das kleinere übel bei dem was du vorhattest", sagte Ron als wir weit genug vom Kerker weg waren, dass er sich sicher sein konnte, dass Snape ihn nicht mehr hören würde. „Nicht das ich es dir verübeln würde."
Harry schwieg und ich konnte mir fast denken woran er dachte. Durch Quirrell hatte er letztes Jahr die Wahrheit über Snape und mich herausgefunden. Auch wenn er sich an den Teil mit meiner Gabe scheinbar nicht erinnern konnte - worüber ich mehr als froh war - hatte er sich das merken können. Harry ahnte wahrscheinlich, dass dies keineswegs eine Bestrafung gewesen war sondern viel mehr ein Gefallen, wenn auch wiederwillig. Allerdings hielt es keiner von uns nötig Ron darüber aufzuklären.
„Ich will zu Fang", sagte ich leise und sah bedrückt zu Boden. Harry und Ron stimmten mir zu doch wir alle wussten, dass wir das Schloss nicht einfach verlassen konnten.
„Lasst uns den Umhang holen gehen", schlug Harry vor und so machten wir uns - etwas besser gelaunt - auf den Weg zum Gemeinschaftsraum.
Kaum, dass wir unter dem Umhang waren verließen wir das Schloss und wagten auch erst an Hagrids Hütte den Umhang wieder auszuziehen. Doch wir kamen nicht mehr dazu die Hütte zu betreten als Harry uns auf die Spinnen aufmerksam machte die auf der Hütte herum krabbelten und sich auf den Weg in den verbotenen Wald machten.
„Wir sollten ihnen folgen oder?", fragte ich nicht grade begeistert. Ein Blick zu Ron zeigte mir, dass er ebenso abgeneigt war dennoch nickte er.
Harry und ich holten unsere Zauberstäbe raus, murmelten fast zeitgleich: „Lumos!", und zwei helle Lichter leuchteten auf den Spitzen unser Zauberstäbe auf. Ein letztes Luft holen und wir folgten den Spinnen hinein in den Wald.
Ich wusste nicht wie lange wir durch den Wald irrten - wenige Minuten oder mehrere Stunden - es kam mir auf jeden Fall vor wie letzteres - als es plötzlich bergab ging. Wir stolperten langsam weiter über Wurzeln und Steine, blieben an Ästen hingen und hatten schon lange die Orientierung verloren als Ron stehen blieb und mit ängstlichen Blick in die Dunkelheit sah.
„Was ich los?", hauchte ich ihm zu.
„Hört ihr das?", stellte er eine Gegenfrage und ich begann zu lauschen.
„Da drüben bewegt sich was", flüsterte auch Harry. „Hör mal... klingt wie etwas Großes."
Nun hörte auch ich es. In kurzer Entfernung, rechts von uns, bahnte sich das große Etwas ästebrechend eine Schneise durch die Bäume.
„Was jetzt?", fragte ich die beiden leise. „Wir sind so weit gekommen. Vielleicht ist es das was wir suchen?"
Ron jedoch schwieg und bewegte sich nicht. Seine Augen waren auf einen Punkt etwa drei Meter über dem Waldboden gerichtet, direkt hinter Harry. In seinem Gesicht stand das helle Entsetzen. Ich folgte seinem Blick und schluckte.
Eine riesige Spinne war hinter Harry aufgetaucht, ein schwarzer unheimlicher Schatten in der Dunkelheit, und sah finster zu uns hinab.
„Wer wagt es das Reich von Aragog zu betreten?", fragte er mit tiefer misstrauischer Stimme. Ich fand als erstes meine Stimme wieder.
„Wir sind Freunde von Hagrid", rief ich der riesigen Spinne zu. „Er steckt in Schwierigkeiten!"
„In Schwierigkeiten?", fragte die Spinne und für einen Moment meinte ich Besorgnis auf der Stimme herauszuhören.
„In der Schule denken sie er hätte etwas auf die Schüler losgelassen. Es gab Angriffe und sie haben Hagrid nach Askaban gebracht", erklärte Harry schnell der sich mittlerweile umgedreht hatte und nun ebenfalls zur Spinne hinauf sah. Aragog klickte wütend mit den Greifzangen und die Schar der Spinnen, die sich hinter ihm angesammelt hatte, tat es ihm gleich.
„Das war vor vielen Jahren", sagte Aragog ungehalten. „Ich erinnere mich gut daran. Deshalb haben sie ihn gezwungen, die Schule zu verlassen. Sie glaubten, ich sei das Monster, das, wie sie sagen, in der Kammer des Schreckens haust. Sie glaubten, Hagrid habe die Kammer geöffnet und mich freigelassen."
Nachdenklich sah ich zu der Spinne hinauf.
„Du warst es aber nicht habe ich recht?", fragte ich zögerlich. Ich wusste nicht warum aber diese Spinne hatte irgendwas an sich, dass ich noch nicht genau zu definierten wusste. Aber ich ahnte, dass sie nicht das Monster war was wir suchten.
„Nein", antwortete Aragog. „Ich wurde nicht im Schloss geboren. Ich komme aus einem fernen Land. Ein Reisender schenkte mich Hagrid, als ich noch ein Ei war. Hagrid war damals noch ein Junge, doch er sorgte für mich, versteckte mich in einem Schrank im Schloss und fütterte mich mit Essensresten vom Tisch. Hagrid ist mein Freund und ein guter Mann. Als man mich entdeckte und mir die Schuld für den Tod des Mädchens gab, da beschützte er mich. Seither lebe ich hier im Wald, wo Hagrid mich immer noch besucht. Er hat sogar eine Frau für mich gefunden, Mosag, und du siehst, wie unsere Familie gewachsen ist; alles dank Hagrids Güte."
„Das hört sich wirklich ganz nach Hagrid an", lächelte ich. Obwohl ich mit bewusst war, dass die Situation mehr als gefährlich war war ich glücklich.
„Also hast du nie jemanden angegriffen?", fragte Harry dennoch nach.
„Niemals", krächzte die alte Spinne. „Es wäre nur natürlich für mich gewesen, aber aus Achtung für Hagrid habe ich nie einem Menschen Leid angetan. Die Leiche des Mädchens, das getötet wurde, hat man in einer Toilette gefunden. Ich habe nie einen anderen Teil des Schlosses gesehen als den Schrank, in dem ich aufwuchs. Unsereins mag das Dunkle und die Stille."
Ich horchte auf.
„Weißt du, was wirklich das Mädchen getötet hat?", fragte ich Aragog in der Hoffnung das Rätsel endlich lösen zu können. Meinen Worten folgte lautes Zangenklicken und das Rascheln vieler langer Beine, die ängstlich über den Boden scharrten.
„Das Wesen, das im Schloss lebt ist eine uralte Kreatur, die wir Spinnen mehr als alles andere fürchten", antwortete die große Spinne langsam. „Ich erinnere mich noch gut, wie ich Hagrid angefleht habe, mich gehen zu lassen, als ich spürte, dass das Biest in der Schule umherstreifte."
„Du denkst nicht gerne an die Zeit zurück oder?", fragte ich weiter und ging einen Schritt auf Aragog zu.
„Das tue ich wirklich nicht", kam die Antwort. „Ich werde nicht mehr darüber sagen."
Ich berührte den riesigen Körper vor mir mit einer Hand.
„Schon okay", sagte ich sanft. „Du hast uns sehr geholfen. Ich danke dir Aragog."
Die Spinne beugte sich ein Stück hinunter so dass ich in seine unzähligen Augen blicken konnte.
„Du bist ein merkwürdiges Menschenmädchen", sagte er nachdenklich. „Im Gegensatz zu deinen Freunden scheinst du keine Angst vor mir zu haben."
Ich zuckte mit den Schultern.
„Ich weiß, dass du nicht unbedingt vorhast uns gehen zu lassen", sagte ich worauf Aragog wieder mit den langen Zacken klickte.
„Dennoch traust du dich so nah an mich heran."
Ich sah geradewegs in eines der vielen Augen.
„Du magst Hagrid und sagtest er wäre dein Freund. Wir wollen ihm helfen und seine Unschuld beweisen. Man sagt sich, dass Askaban kein sonderlich toller Ort ist und ich bin mir sicher, du wärst auch glücklicher wenn Hagrid wieder hier wäre. Hilf uns dabei und lass uns gehen damit wir Hagrid zurück holen können."
Für einen Moment breitete sich Stille zwischen uns aus und selbst die Spinnen schienen den Atem anzuhalten. Nichts rührte sich außer der Wind der heulend durch die Baumkronen pfiff.
„Du hast mich beeindruckt Menschenkind", sagte Aragog schließlich. „Also gut, ich lasse euch eure Freiheit. Doch nun geht, bevor ich mich anders entscheide."
„Ich danke dir. Wir werden Hagrid zurück holen!"
„Wir werden sehen..."
Mit diesen Worten ließen uns die Spinnen alleine im dunklen Wald zurück.

Licht oder Dunkelheit - Die Geschichte der Potter Zwillinge #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt