Der Erbe Slytherins (1)

170 9 1
                                    

„Ich werde gehen", sagte ich entschlossen und sah das endlos schienende Loch hinab an dessen Ende man nicht mehr als Finsternis sah. Wir waren so weit gekommen. Jetzt wo wir endlich den Eingang gefunden hatte musste ich mehr den je darauf hoffen, dass wir Ginny unbeschadet aus der Sache herausholen konnten.
„Ich komme mit dir", hörte ich Harry sagen und ich lächelte leicht als er nach meiner Hand griff und sich neben mich stellte. Ich war unglaublich froh, dass er hier bei mir war.
„Nun Sie scheinen mich dann ja wohl nicht mehr zu brauchen", murmelte Lockhart hinter uns.
„Sie gehen als Erster", knurrte Ron und gab ihm einen so kräftigen Stoß mit dem Zauberstab, dass Lockhart kurzerhand zur Öffnung stolperte und geradewegs das Rohr hinunter fiel.
„Hinterher", sagte ich, ließ Harrys Hand los und sprang nun meinerseits die Öffnung hinab.

Es war, als rauschte ich eine endlose, schleimige, dunkle Rutschbahn hinab. In der Dunkelheit sah man grade so andere Rohre in alle Richtungen abzweigen, doch keines war so dick wie das in dem wir uns befanden, dass in unendlich vielen Windungen steil abwärts lief. Ich wollte mir nicht mal ausmalen wie viele etliche Meter wir bereits unter der Schule waren doch ich hatte das Gefühl wir hatten selbst die Tiefe des Raumes, in dem wir letztes Jahr gegen Quirrell gekämpft hatten, weit hinter uns gelassen. Ich hörte Harry und Ron hinter mir und es beruhigte mich, dass die beiden Jungs an meiner Seite waren.
Grade als ich besorgt überlegte, wie wir auf dem Boden aufprallen würden, sobald wir das Ende erreicht hätten, bog sich das Rohr nach oben und lief aus. Mit einem nassen dumpfen Schlag kullerten wir heraus und landeten auf dem feuchten Boden eines dunklen Steintunnels, hoch genug, um darin stehen zu können.
„Wir müssen meilenweit unter der Schule sein", sagte Harry und seine Stimme hallte im dunklen Tunnel wider. Ich sah mich um.
„Ich schätze wir sind unter dem See", sagte ich langsam und deutete auf die glitschigen Wände um uns herum.
„Lumos!", murmelte Harry seinem Zauberstab zu und der begann wieder zu leuchten. „Weiter geht's", sagte er zu Ron und mir und richtete seinen Zauberstab erneut auf Lockhart. So gingen wir erneut los. Ron und ich voran, hinter uns Lockhart und Harry. Unsere Schritte klangen unnatürlich laut in der Stille und der Finsternis. Im Tunnel war es so dunkel, dass wir nur ein paar Meter weit sehen konnten.
„Da oben ist etwas!", sagte Ron plötzlich heiser und packte meine Schulter. Ich erstarrte und sahen nach oben. Grade so konnte ich den Umriss von etwas Riesigem und Rundem sehen, das quer im Tunnel lag. Es bewegte sich nicht.
„Vielleicht schläft es", flüsterte er mit einem Blick zurück auf die andern beiden. Lockhart hatte die Hände auf die Augen gepresst und Harry blickte ebenfalls zu dem Wesen empor. Mein Herz schlug so schnell, dass ich dachte es müsse mir aus der Brust springen als ich mich dem riesigen etwas näherte.
„Lumos!", murmelte nun auch ich um etwas mehr Licht zu haben. Sehr langsam, mit erhobenem Zauberstab, die Augen zu winzigen Schlitzen verengt, schlich ich weiter vor. Das Licht huschte über eine gigantische Schlangenhaut von leuchtend giftgrüner Farbe, die sich leer quer über den Tunnelboden ringelte. Das Geschöpf, das sie abgeworfen hatte, musste mindestens sechs Meter lang sein.
„Ich fass es nicht", hörte ich Ron matt sagen.
Plötzlich bewegte wir etwas hinter uns. Lockharts Knie hatten nachgegeben und er war zu Boden gesunken.
„Stehen Sie auf", sagte Ron scharf und richtete den Zauberstab auf Lockhart. Dieser rappelte sich hoch und hechtete dann auf Ron zu und schlug ihn zu Boden. Er riss sich seinen Zauberstab unter den Nagel und hielt ihn auf Harry gerichtet.
„Das reicht jetzt!", sagte er. „Ich nehme ein Stück von dieser Haut nach oben und sag ihnen, es sei zu spät gewesen, um das Mädchen zu retten, und dass ihr drei angesichts ihres zerfleischten Körpers tragischerweise den Verstand verloren hättet! Verabschiedet euch!"
Er hob Rons zauberbandgeflickten Stab hoch über den Kopf und rief: „Amnesia!"
Der Zauberstab explodierte mit der Sprengkraft einer kleinen Bombe. Ich schlang die Arme um den Kopf und rannte los, stolperte über die gewundene Schlangenhaut und versuchte den großen Stücken Tunneldecke auszuweichen, die auf den Boden donnerten. Harry neben mir erging es nicht viel besser. Einen Augenblick später waren wir allein und starrte auf eine undurchdringliche Wand aus herabgestürzten Felsstücken.
„Ron?", rief Harry panisch. „Ron!"
„Ron ist alles okay?", rief auch ich und sah besorgt auf die Felswand vor uns.
„Ich bin hier«", ertönte eine gedämpfte Stimme hinter dem Felseinbruch. „Ich bin okay im Gegensatz zu den Aufschneider. Der Zauberstab hat ihn umgerissen."
Es gab einen dumpfen Schlag, es hörte sich an, als hätte Ron Lockhart soeben gegen das Schienbein getreten.
„Was jetzt?", ertönte Rons verzweifelt klingende Stimme. „Wir kommen hier nicht durch, das würde eine Ewigkeit dauern."
Harry sah zur Tunneldecke empor und stupste mich an. Ich folgte seinem Blick. Gewaltige Risse waren zu sehen. Als wir uns ansahen stand uns beiden der selbe Gedanke ins Gesicht geschrieben. Was wenn der Tunnel einbrach?
Hinter den Felsen hörte wir einen weiteren Schlag. Wir verschwendeten hier unsere Zeit. Ginny war jetzt schon einige Stunden in der Kammer des Schrecken. Harry und ich schienen zum selben Entschluss gekommen zu sein.
„Warte dort", rief er Ron zu. „Warte mit Lockhart. Wir gehen weiter und versuchen Ginny zu retten. Wenn wir in einer Stunde nicht zurück sind..."
Eine sehr gespannte Pause trat ein.
„Ich probier ein paar dieser Felsen wegzuschieben", antwortete Ron, der offenbar versuchte, seine Stimme ruhig klingen zu lassen. „So dass ihr zurück könnt."
„Wir sehen uns gleich wieder", sagte ich bevor Ron irgendwelche Worte des Abschieds sagen konnte und packte so viel Zuversicht in meine zitternde Stimme wie nur möglich. Dann machten Harry und ich uns alleine auf den Weg. Ich griff erneut nach seiner Hand. Bald hörten wir nur noch von fern, wie Ron versuchte, die Felsen wegzuschieben, und dann war es still. In endlosen Biegungen wand sich der Tunnel fort. Jeder Nerv in meinem Körper vibrierte unangenehm. Ich wünschte, der Tunnel wäre zu Ende, doch mir graute davor, was wir dann finden würden. Und dann, endlich, als wir um eine weitere Biegung schlichen, sahen wir vor uns eine Wand, in die zwei ineinandergeflochtene Schlangen eingemeißelt waren. Ihre Augen waren große schimmernde Smaragde.
Wir nickten uns zu und Harry trat einen Schritt näher. Er räusperte sich und die Smaragdaugen schienen aufzuflackern.
„Öffnet", sagte Harry mit einem tiefen, schwachen Zischen. Die Schlangen entflochten sich und in der Wand tat sich ein Spalt auf. Die beiden Wandhälften glitten sanft zur Seite und mit einem letzten Blick zurück traten wir Hand in Hand ein.
Wir standen am Ende einer sehr langen, schwach beleuchteten Kammer. Mächtige Säulen, auch sie umrankt von steinernen Schlangen, ragten empor zur Decke, die im Dunkeln lag. Die Säulen warfen lange schwarze Schatten durch das seltsam grünliche Dämmerlicht, das den Raum erfüllte.
Reglos und mit immer noch rasendem Herzen standen wir da und lauschten in die kalte Stille hinein. Konnte der Basilisk in einer Ecke lauern, hinter einer Säule? Wo war Ginny?
Ich ließ Harrys Hand los und ging, den Zauberstab fest in meiner Hand, zwischen den Schlangensäulen hindurch nach vorn. Jeder vorsichtige Tritt hallte von den Wänden wider. Ich hörte, dass Harry mit folgte. Die leeren Augenhöhlen der Steinschlangen schienen uns zu folgen und mein Magen krampfte sich zusammen.
Dann trat ich zwischen das letzte Säulenpaar. Vor uns, an der Rückwand, ragte eine Statue auf, die so hoch war wie die Kammer selbst. Ich schenkte ihr nicht weiter Beachtung und sah mich im Raum um. Zwei gewaltige graue Füße standen auf dem glatten Kammerboden. Und zwischen den Füßen, mit dem Gesicht nach unten, lag eine kleine Gestalt mit schwarzem Umhang und flammend rotem Haar.
„Ginny!", rief ich und lief los. „Ginny, sei nicht tot, bitte!"
Ich warf den Zauberstab zur Seite, packte Ginny an der Schulter und drehte sie um. Ihr Gesicht war weiß wie Marmor und ebenso kalt, doch ihre Augen waren geschlossen. Sie war also nicht versteinert. Doch dann musste sie...
„Ginny, bitte wach auf", flüsterte Harry verzweifelt, der sich neben uns auf die Knie hatte fallen gelassen.
„Sie wird nicht aufwachen", sagte eine leise Stimme.
Ich sprang auf und wirbelte herum. Ein großer, schwarzhaariger Junge stand gegen die nächste Säule gelehnt und musterte und. Seine Umrisse waren merkwürdig verschwommen, als ob ich ihn durch ein beschlagenes Fenster sehen würde. Aber es gab keinen Zweifel.
Dort stand niemand geringeres als Tom Riddle persönlich.

Licht oder Dunkelheit - Die Geschichte der Potter Zwillinge #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt