Der Eingang

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Im Gemeinschaftsraum der Gryffindors herrschte Stille. Es war selten, dass es so ruhig war während sich so viel Leute hier aufhielten aber im Moment schien wohl keiner die richtigen Worte zu finden, wenn es denn überhaupt solche geben sollte.
Fred, George und ich und hatten uns mit Harry und Ron auf die Sofas, die um den Kamin standen, zurück gezogen. Percy war losgegangen um Molly und Arthur eine Eule zu schicken.
War es bis jetzt immer anders rum lehnte diesmal George sich verzweifelt gegen mich während ich ihn fest in meinen Armen hielt und durch seine Haare strich, in stiller Hoffnung ihn so wenigstens etwas beruhigend zu können wo ich selber nicht weniger verzweifelt war. Ab und zu warfen wir uns gegenseitig hoffnungslose Blicke zu und keiner wagte es ein Wort zu sprechen.
Als die Sonne im Begriff war unter zu gehen entschuldigten sich Fred und George bei uns und gingen hinauf zu ihrem Schlafsaal. Besorgt blickte ich den beiden hinterher und ein Knoten bildete sich in meinem Hals. Während George bei mir war hatte ich versucht mich zusammen zu reißen um für ihn da zu sein doch jetzt, wo er weg war, starrte ich wie versteinert in die Flammen des immer noch brennenden Kamins und fühlte mich einfach nur unglaublich leer.
„Sie wusste etwas...", sagte Ron und sprach damit zum ersten Mal, seit wir uns im Lehrerschrank versteckt hatten. „Deshalb wurde sie entführt. Es war nicht irgendein Blödsinn mit Percy. Sie hat etwas über die Kammer des Schreckens herausgefunden..." Er rieb sich fieberhaft die Augen. „Ich meine, sie hat reines Blut. Es kann keinen anderen Grund geben."
Ich hatte nicht mal die Kraft danach zu fragen was denn genau mit Percy gewesen war. Ich wusste nicht wann ich mich das letzte Mal so elendig gefühlt hatte. Ein Blick zu Harry genügte mir um zu sehen, dass es ihm nicht anders erging.
Obwohl ich mich mit aller Macht versuchte daran zu klammern, dass Ginny vielleicht noch lebte so musste ich mir irgendwann eingestehen, dass die Chance beinahe lächerlich gering war. Die Nachricht hatte selbst gelautet: Ihr Skelett wird für immer in der Kammer liegen.  Wie wahrscheinlich war es da, dass sie lebte?
„Sollten wir zu Lockhart gehen?", fragte ich nach einer Weile leise. Meine Stimme kratzte und ich merkte, dass auch ich den ganzen Tag nicht einen Ton gesagt hatte. „Wir sollten ihm erzählen was wir wissen oder?"
„Ob er wirklich versucht in die Kammer zu kommen?", fragte Harry zweifelnd doch da weder ihm noch Ron etwas sinnvolleres einfiel beschlossen wir uns auf den Weg zu machen. Uns folgten einige Blicke von Schülern die noch im Gemeinschaftsraum zurück geblieben waren doch niemand machte Anstalten uns aufzuhalten.
Dunkelheit empfing uns als wir den Raum verließen und im Korridor standen und sie folgte uns hinab zu Lockharts Büro. Ich war viel zu betäubt um mir Sorgen darüber zu machen erwischt zu werden und bewegte mich eher mechanisch als zu realisieren, dass wir wirklich unterwegs waren.
An Lockharts Büro angekommen stockten wir für einen Moment. Drinnen schien einiges los zu sein. Wir konnten Schleifen und Poltern und eilige Schritte hören.
Harry klopfte und hinter der Tür wurde es jäh still. Dann öffnete sie sich einen winzigen Spaltbreit und ein Auge Lockharts schaute uns entgegen.
„Oh... Ms und Mr Potter... und Mr Weasley...", sagte er und öffnete die Tür einen Daumenbreit weiter. „Ich bin im Augenblick sehr beschäftigt... wenn Sie sich beeilen würden..."
„Professor, wir haben Ihnen etwas Wichtiges zu sagen", erklärte Harry. „Wir glauben, es wird Ihnen helfen."
„Also gut", sagte er, öffnete die Tür und wir traten ein.
Lockharts Büro war fast ganz ausgeräumt. Zwei große Schrankkoffer standen aufgeklappt auf dem Boden. Umhänge, jadegrün, lila, mitternachtsblau, waren in aller Hast in den einen gepackt worden, Bücher stapelten sich kreuz und quer im anderen. Die Fotos, die die Wände bedeckt hatten, lagen in Kisten gestopft auf dem Schreibtisch.
„Gehen Sie etwa fort?", fragte Harry entsetzt.
„Ähm, nun, ja", sagte Lockhart verlegen.
„Was ist mit meiner Schwester?", stieß Ron hervor.
„Nun, was das angeht...unglückliche Sache", sagte Lockhart und mied unsere Blicke, während er eine Schublade herauszog und deren Inhalt in eine Tasche kippte. „Keiner bedauert das mehr als ich."
Das war der Moment wo ich endlich aus meiner Starre erwachte.
„Keiner bedauert das mehr als Sie?", hauchte ich und sah eiskalt zu Lockhart rüber. „Sie reden das ganze Jahr nur darüber wie toll sie sind und wenn es dann wirklich mal ernst wird und Sie ein Leben retten könnten ziehen Sie den Schwanz ein und hauen ab!"
„Bücher können irreführen", sagte Lockhart langsam und sah mich an als hätte er tatsächlich Angst vor mir. Gar nicht mal so dumm von ihm. Selbst Ich traute mir grade nicht über den Weg.
„Sie haben sie selbst geschrieben!", rief Harry.
„Mein lieber Junge", sagte Lockhart, richtete sich auf und sah Harry stirnrunzelnd an. „Benutzen Sie doch Ihren gesunden Menschenverstand. Meine Bücher hätten sich nicht halb so gut verkauft, wenn die Leute nicht glauben würden, ich hätte das alles getan. Keiner will etwas über einen hässlichen alten armenischen Zauberer lesen, auch wenn er ein Dorf vor den Werwölfen gerettet hat. Auf dem Umschlag würde er fürchterlich aussehen. Keinen Schimmer, wie man sich gut anzieht. Und die Hexe, die die Todesfee von Bandon verbannt hat, hatte ein haariges Kinn."
„Also haben Sie einfach den Ruhm für das eingeheimst, was andere Leute getan haben?", fragte Harry ungläubig.
„Harry, Harry", sagte Lockhart, ungeduldig den Kopf schüttelnd. „Gar so einfach ist es nicht. Es hat Arbeit gekostet. Ich musste diese Leute aufspüren. Sie fragen, wie sie es genau gemacht haben. Dann musste ich sie mit einem Vergessenszauber belegen, so dass sie sich nicht daran erinnern würden. Wenn es etwas gibt, auf das ich stolz bin, dann sind es meine Vergessenszauber. Nein, es war eine Menge Arbeit, Harry. Es reicht nicht, Bücher zu signieren und Fotos in den Zeitungen zu haben, müssen Sie wissen. Wenn Sie Ruhm wollen, müssen Sie sich auf eine ziemliche Schinderei vorbereiten."
Mit jedem seiner Worte spürte ich mehr Hass in mir aufflammen. Mittlerweile zitterte ich vor Wut, hatte die Hände zu Fäusten geballt und die Zähne zusammen gebissen.
Lockhart schlug die Kofferdeckel zu und verschloss sie.
„Mal sehen", sagte er. „Ich glaube, ich hab alles. Ja. Nur noch eins." Er zückte seinen Zauberstab und drehte sich zu uns herum. „Tut mir furchtbar leid aber ich muss euch jetzt mit einem Vergessenszauber belegen. Kann es nicht brauchen, wenn ihr all meine Geheimnisse ausplaudert. Ich würde kein Buch mehr verkaufen..."
Unbemerkt von Lockhart, weil ich halb hinter Harry stand, hatte ich meinen Zauberstab ebenfalls gezogen. Lockhart wollte gerade seinen heben, als ich: „Expelliarmus!", rief und mit grimmiger Zufriedenheit beobachtete wie Lockhart nach hinten flog und rücklings über seinen Koffer fiel. Sein Zauberstab wirbelte durch die Luft und Ron fing ihn auf und warf ihn aus dem offenen Fenster.
Nun mehr oder weniger keine Wahl habend folgte Lochhart uns in Richtung Mädchenklo. Ich ging voran, hinter mir Lockhart gefolgt von Harry und Ron die ihre Zauberstäbe auf den Professor gerichtet hatten.
„Myrte?", fragte ich als wir das Mädchenklo betraten.
„Wer ist da?", fragte die hohe Stimme des Mädchens und sie flog aus ihrer üblichen Kabine heraus zu uns.
„Ich bin's Lucy. Erinnerst du dich an mich?"
Myrte nickte und sah uns abwartend an.
„Dürfen wir dich etwas fragen?", fragte Harry vorsichtig und sah das Geistermädchen an.
„Was wollt ihr?", fragte Myrte gelangweilt und flog seufzend zurück zu ihrer Kabine über der sie schwebte.
„Wir wollten dich fragen wie du gestorben bist", sagte Harry grade heraus.
„Natürlich nur wenn du darüber sprechen willst", fügte ich schnell hinzu. Myrte war bekannt für ihre Stimmungsschwankungen und - auch wenn die Zeit drängte - war etwas Taktgefühl schon angebracht.
„Ich bin in dieser Kabine gestorben", antwortete Myrte und sah uns offen an. „Ich erinnere mich noch so gut daran. Ich versteckte mich, weil Olive Hornby mich wegen meiner Brille hänselte. Die Tür war verriegelt, und ich weinte, und dann hörte ich jemanden hereinkommen. Dann wurde etwas Komisches gesagt. Eine andere Sprache muss es gewesen sein. Jedenfalls, was mich wirklich gewundert hat, war, dass ein Junge sprach. Also hab ich die Tür aufgemacht, um ihm zu sagen, er solle gefälligst verschwinden und sein eigenes Klo benutzen, und dann war ich tot."
Verblüfft sah ich zu ihr.
„Einfach so?", fragte ich verwirrt nach.
„Einfach so", bestätigte sie. „Das letzte was ich sah war ein paar großer gelber Augen von dort."
Sie zeigte auf das Waschbecken neben uns. Ich schluckte schwer und trat einen Schritt auf das Waschbecken zu. An der Seite eines des kupfernen Wasserhahns war eine winzige Schlange eingekratzt.
„Der Hahn hat nie funktioniert", kommentierte Myrte. Das reichte mir.
„Das ist es", murmelte ich.
„Sagt irgendwas in Parsel", sagte Ron zu Harry und mir. Wir warfen uns einen Blick zu und ich war mir sicher, Harry wusste ebenso wenig wie ich wir das anstellen sollten. Harry trat neben mich und schien sich zu konzentrieren.
„Öffne dich!", sagte er bestimmend und tatsächlich tat sich etwas. Der Hahn leuchtete strahlend hell und begann sich zu drehen. Kurz darauf begann sich das Waschbecken zu bewegen. Es versank gänzlich in die Wand und gab das Ende eines großen Rohres frei, breit genug, damit ein Mensch hindurchrutschen konnte.
„Das ist der Eingang zur Kammer des Schreckens."

Licht oder Dunkelheit - Die Geschichte der Potter Zwillinge #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt