Der Heuler

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Auch beim Frühstück am nächsten Morgen erschienen Harry und Ron grinsend und unter leichtem Beifall in der großen Halle. Die magische Decke kündigte uns baldigen Regen an doch die Stimmung am Gryffindor Tisch war dennoch ausgelassen und überwiegend glücklich. Dies sollte doch je ein Ende finden als die Post eintraf und Errol, einen roten Brief im Schnabel, vor Ron landete.
"Errol!", sagte Ron und zog die ein wenig bedröppelte wirkende Eule zu sich. Errol sackte ohnmächtig auf dem Tisch zusammen, die Krallen in die Luft gestreckt.
"O Nein", seufzte Ron.
"Schon gut, er lebt noch", sagte Hermine und tätschelte Errol sanft mit den Fingerspitzen.
"Hermine ich denke er meint den Brief", murmelte ich und versuchte ein grinsen zu unterdrücken.
Ron nickte und sah ängstlich zu dem roten Umschlag.
"Du solltest ihn öffnen Ron. Es wird nur schlimmer je länger du wartest."
Harry sah uns verständnislos an.
"Was ist denn los?", fragte er und sah abwechselnd zwischen Ron und mir hin und her.
"Sie ... sie hat mir einen Heuler geschickt", sagte Ron mit matter Stimme.
"Mach ihn wirklich lieber auf, Ron", flüsterte Neville ängstlich. "Sonst wird es nur noch schlimmer. Meine Oma hat mir mal einen geschickt, und ich hab ihn nicht beachtet und..." , er schluckte. "Es war schrecklich."
Harry betrachtete ihre versteinerten Gesichter und dann den Brief.
"Was ist ein Heuler?", fragte er.
"Warte es ab", antwortete ich. Es dauerte nicht mehr lange dann würde er explodieren wenn Ron sich nicht beeilte. Rons Aufmerksamkeit war ganz und gar auf den Brief gerichtet, der an den Ecken zu rauchen begonnen hatte.
"Mach ihn auf", drängte Neville. "In ein paar Minuten ist alles vorbei..."
Ron streckte zitternd die Hand aus, zog den Umschlag aus Errols Schnabel und schlitzte ihn auf. Neville steckte die Finger in die Ohren. Ich tat es ihm nach. Ich wusste bereits was für ein zartes Stimmchen Molly haben konnte.
Harry's Blick lag auf dem Brief der für einen Moment tatsächlich so aussah als würde er einfach explodieren bis...
"... DEN WAGEN ZU STEHLEN - ES HÄTTE MICH NICHT GEWUNDERT, WENN SIE DICH RAUSGEWORFEN HÄTTEN, WART AB, BIS ICH DICH IN DIE FINGER KRIEGE, NATÜRLICH HAST DU NICHT DARAN GEDACHT, WAS DEIN VATER UND ICH DURCHMACHEN MUSSTEN, ALS WIR SAHEN, DASS ER WEG War!"
Mollys Geschrei, hundertmal lauter als sonst, ließ Teller und Löffel auf dem Tisch erzittern und hallte gellend laut von den steinernen Wänden wider. Alle Köpfe in der Halle wirbelten herum, neugierig, wer den Heuler bekommen hatte, und Ron versank so tief in seinen Stuhl, dass nur noch seine puterrote Stirn zu sehen war.
"... BRIEF VON DUMBLEDORE GESTERN ABEND, ICH DACHTE, DEIN VATER WÜRDE VOR SCHAM STERBEN, NACH ALLEM, WAS WIR FÜR DICH GETAN HABEN, DU UND HARRY HÄTTET EUCH DEN HALS BRECHEN KÖNNEN!"
Harry wandte bei seinem Namen demonstrativ den Kopf zur Seite als hätte er nie etwas gehört. Ich grinste.
" ... EINE UNGLAUBLICHE SCHANDE, DEIN VATER HAT EINE UNTERSUCHUNGSKOMMISSION AUF DEM HALS, UND WENN DU DIR NOCH EINMAL DEN KLEINSTEN FEHLTRITT ERLAUBST, HOLEN WIR DICH SOFORT NACH HAUSE!"
Grabesstille machte sich breit. Der rote Umschlag, den Ron auf den Tisch hatte fallen lassen, flammte auf und zerschrumpelte zu Asche. Harry und Ron saßen sprachlos da, als wäre eine Flutwelle über sie hinweggegangen. Ein paar Schüler lachten und allmählich stellte sich wieder munteres Geplapper ein.
"Molly Weasley. Wie immer eine Freude", murmelte ich worauf die Zwillinge leise lachten.
Hermine klappte Abstecher mit Vampiren zu und sah hinab zu Ron.
"Nun, ich weiß nicht, was du erwartet hast, Ron, aber du..."
"Sag bloß nicht, ich hab es verdient", fauchte Ron sie an.
"Fahr einen Gang runter, Ron", mahnte ich. "Sie hat recht und das weißt du. So wie ich Molly kenne ist das hier noch harmlos gewesen."
Ron warf mir einen undefinierbaren Blick zu doch noch bevor er irgendetwas erwidern konnte trat McGonagall mit den neuen Stundenplänen zu uns.
Genervt stöhnte ich als ich einen Blick darauf warf. Gleich die ersten beiden Stunden Kräuterkunde. Ging es denn wirklich noch schlimmer?
Doch die Frage wurde mir schneller beantwortet als mir lieb war.

Zusammen mit Harry, Ron und Hermine verließen wir das Schloss und gingen durch den Gemüsegarten hinüber zu den Gewächshäusern, wo die Zauberpflanzen gezüchtet wurden. Zumindest für eins war der Heuler gut gewesen: Hermine dachte nun offenbar, sie seien genug gestraft worden, und war wieder ausgesprochen freundlich zu ihnen. Einen Streit direkt zu Schulanfang hätte ich auch nicht aushalten können.
Wir näherten uns den Gewächshäusern und sahen schon die anderen aus der Klasse draußen auf Professor Sprout warten. Kaum waren wir hinzugetreten, kam sie auch schon über den Rasen geschritten. Zu meinem Leidwesen in Begleitung von Gilderoy Lockhart. Professor Sprout trug einen Arm voll Mullbinden. Vermutlich für die peitschende Weide.
Professor Sprout war eine kleine Hexe mit einem Flickenhut auf ihrem windzerzausten Haar; meist hatte sie eine ganze Menge Erde auf den Kleidern. Tadellos gekleidet war dagegen Gilderoy Lockhart mit seinem wehenden türkisfarbenen Umhang. Sein goldenes Haar schimmerte unter einem perfekt sitzenden türkisfarbenen Hut mit Goldrand hervor. Genervt verdrehte ich die Augen. Ich konnte ihn jetzt schon nicht leiden.
"Oh, hallo, hallo!", rief Lockhart und strahlte die versammelten Schüler an. "Hab eben kurz Professor Sprout erklärt, wie man eine Peitschende Weide richtig verarztet! Aber ich möchte nicht, dass ihr jetzt denkt, ich sei besser in Pflanzenkunde als sie! Auf meinen Reisen sind mir nur zufällig einige dieser Exoten begegnet."
"Gewächshaus drei heute, Freunde!", sagte Professor Sprout, die nicht wie sonst immer fröhlich sondern, genauso missmutig wie ich, dreinschaute.
Ein neugieriges Gemurmel lief durch die Umstehenden. Bisher hatten sie nur in Gewächshaus eins gearbeitet. Gewächshaus drei beherbergte viel interessantere und gefährlichere Pflanzen. Professor Sprout nahm einen großen Schlüssel von ihrem Gürtel und schloss die Tür auf. Der Geruch von feuchter Erde und Dünger drang in meine Nase, vermischt mit dem schweren Parfümduft einiger riesiger, schirmartiger Blumen, die von der Decke herabhingen. Harry wollte gerade hinter Ron und Hermine eintreten, als Lockhart blitzartig die Hand ausstreckte.
Ich hob eine Augenbraue und drängelte mich an Harry vorbei.
"Harry! Ich wollte kurz mit Ihnen sprechen. Sie haben doch nichts dagegen, wenn er ein paar Minuten später kommt, nicht wahr, Professor Sprout?", hörte ich Lockhard sagen.
Nach Professor Sprouts Stirnrunzeln zu schließen, hatte sie eine ganze Menge dagegen, doch Lockhart sagte:" Wunderbar", und schlug ihr die Gewächshaustür vor der Nase zu.
In mir kam mehr und mehr das Gefühl hoch, dass wir auch dieses Jahr eine Pleite mit unserem Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste gezogen hatten...

Licht oder Dunkelheit - Die Geschichte der Potter Zwillinge #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt