24. Kapitel

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Als ich wieder zur Bar stürzte, drehte sich schon alles. Aber das war gut so. Ich fühlte nichts. Ich wollte nichts spüren.

»Übertreibe es nicht.« sagte mein Bruder. Ja klar. Er hatte ja keine Ahnung. Ich spürte einen Stich im Herzen. Er hatte alles. Eine Freundin. Arbeit. Geld. Ich hatte nichts. Weder eine Beziehung, noch Arbeit oder Geld. Aber ich wollte es ja doch nicht.

Ich drückte ihn weg und stürzte den Whisky hinter. Wenn ich ehrlich war, konnte ich den Geschmack von Alkohol nicht ausstehen. Aber es wirkte. Und darauf kam es an.

Stolpernd ging ich wieder zur Tanzfläche, wo nur noch 4 andere Menschen tanzten. Ich gesellte mich dazu und sprang zu der Musik, während ich laut Lieder mitsang, die ich gar nicht kannte.

Anonymität unter Bekannten. Das ist es, was ich liebte. Wir hatten hier alle Probleme. Aber hier interessierte nur das hier und jetzt.

Ich verlor jegliches Zeitgefühl. Wieder einmal. Bis ich einen Arm spürte. Ich öffnete die Augen. Und schaute Benjamin direkt in das Gesicht. Er zog mich auf den Flur.

»Luke meinte ich soll dich abholen.« sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. Er sah leicht wütend aus. Sein Haar war zerzauster als sonst und mir wurde klar, dass er wohl aus dem Schlaf gerissen geworden ist. Seine Augen blitzten gefährlich. Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben Angst vor ihm. Vielleicht lag es auch ein wenig am Alkohol, wer weiß.

Jedenfalls hielt ich ihn nicht auf, als er mir in meine Jacke half. Er musste mich stützen, da der Boden sich drehte. Und nach einer Weile führte er mich zu einem dunkelblauen Auto. Seins, das wusste ich. Als er mir die Tür aufhielt und ich mich setzte merkte ich, dass ich eigentlich ziemlich müde war und schloss die Augen.

....

Ich rannte. Wusste nicht wohin. Hauptsache weiter. Hinter mir war etwas. Aber ich hatte Angst mich umzudrehen.
Ich rannte. Ich roch Salzwasser und hörte das Rauschen des Meeres. Sehen konnte ich nichts. Ich war blind..

Der Traum verging, der Geruch blieb. Erschrocken öffnete ich die Augen. In der Ferne war Wasser. Zwar hab ich mir ordentlich die Kante gegeben, aber am Meer wohnte ich nicht. Das wusste ich.

Ich lehnte mich zurück. Ich war in Benjamins Auto. Aber wo war er? Vorsichtig strich ich mir eine Strahle aus den Augen. Mir tat alles weh. Die hellen Sonnenstrahlen taten meinen Augen nicht gut. Ich schnallte mich ab und ging raus. Das Auto stand so 100 Meter vom Meer auf einem Parkplatz. Es war nicht das Einzige, allerdings sah ich auch keine Menschen.

Fröstelnd zog ich meine Jacke enger um mich. Ich war eindeutig nicht für hier angezogen. Die dunkle Feinstrumpfhose klebte an meinen Beinen und ich hatte nur mein kaputtes Paar roter Chucks an. Der Wind spielte mit meinem Haar. Mir war leicht schlecht. Ich ging ein paar Schritte auf das Meer zu, bis ich mich erst fragte, was zur Hölle ich hier machte. Und wo war dieser verflixte Kerl? Langsam wurde es mir unheimlich.

»Benjamin?« hauchte ich in den Wind. Mein Mund war trocken und ich hatte einen schalen Geschmack auf der Zunge.

Langsam ging ich auf eine Bank zu und setzte mich, allerdings in der Nähe des Autos, sodass ich es noch sehen konnte, wenn ich mich umdrehte.

Mein Herz pochte, schlug ziemlich schnell. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Verkrampft vergrub ich mein Gesicht in den Händen. Ich war allein im Nirgendwo. Hier kannte ich niemanden. Aber nach Hause wollte ich auch nicht. Die Schule schafft mich. Und Benjamin erst. Der Junge, der mich liebte. Und den ich liebte. Erschrocken hielt ich die Luft an. Ich liebte ihn. Wirklich? Nein. Doch. Es konnte nicht anders sein. Benjamin, der die Worte in meinen Bildern hörte und mich verstand. Benjamin, der meine stumme Sprache zuhörte und mich nicht drängte. Hat er mein Herz mit seinen Gedichten erobert? Der offene Stille?

»Wirklich Benjamin?« murmelte ich.

»Es ist schön, meinen Namen aus deinem Mund zu hören.« Mein Herz schlug bis zum Hals, als ich mich umdrehte.

LavendelregenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt