30. Kapitel

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Eine Trennung ist nichts ungewöhnliches. Jeder trennt sich in seinem Leben mal von irgendwas, seien es die Schule oder die Jacke, aus der man herausgewachsen ist. Wenn so etwas passiert, ist man leicht traurig, man hat ein paar Abenteuer mit den Sachen erlebt. Allerdings kann man sie sehr schnell ersetzen und es tut nicht mehr weh.

Wenn man sich allerdings von einem Menschen trennt, ist es was anderes. Man hat mehr Gefühle für ihn. Außerdem kann man einen Menschen nicht einfach ersetzen, da jeder für sich einzigartig ist. Und man kann erst recht niemanden austauschen, der einem beigebracht hat, wie man lebt.

Und da lag mein Problem. Wenn ich an die Welt vor Benjamin dachte, war sie ziemlich dunkel. Gefühle spielten keine Rolle. Mit ihm war sie .. Ich sah alles mit anderen Augen, genoss alles was auf mich zukam. Und ich war nicht allein. Und nun..? Alle Farben, die er mir brachte gingen mir auf den Geist. Die grüne Wiese strahlte zu sehr, die roten Tulpen waren mir zu froh. Es machte mich unglücklich, da ich eigentlich alles nur durch ihn zu schätzen gelernt habe. Jetzt erinnerte es mich schmerzhaft an ihn. Es war mein Wille gewesen und doch wollte ich es nicht wahrhaben.

Zwar hatten wir mal eine zwischenzeitliche kurze Trennung, aber das war jetzt was anderes. Ich wusste, es ist dauerhaft. Benjamin..

Schon wenn ich daran dachte, schluchzte ich auf. Ich saß in meinem Zimmer und weinte ständig. Vor meinen Füßen standen zwei Teller mit Essen, welche Eleonore mir lieb hingestellt hat. Ich bekam allerdings keinen Bissen runter. Ok, zugegeben versuchte ich es nicht einmal. Ich hatte einfach keinen Hunger.

Es klopfte sachte an der Tür.

»Lotte? Ich komme jetzt rein.« Chris. Ich sah schon gar nicht auf, merkte nur, wie er sich neben mich setzte.

»Es tut mir ziemlich weh, dich so am Boden zu sehen.« sagte er und strich mir über den Rücken. Ich schniefte und lehnte mich an ihn.

»Ich liebe ihn.«

»Ich weiß. Das ist einzigartig bei dir.. Ich habe keine Ahnung wie ich damit umgehen soll..«

»Ich will einfach nur alleine sein.« murmelte ich.

»So. Zieh dich an. Wir fahren weg. Ich habe eine Überraschung für dich.« sagte er.

Ich erstarrte.

»Schau nicht so. Hop Lotte. Ich gebe dir 20 Minuten. Wenn du dann noch nicht fertig bist, nehme ich dich so wie du bist mit. Du hockst hier schon eine Woche. Los.« Und damit ging er aus dem Zimmer. Noch saß ich eine Weile da, bis mir bewusst wurde, was er meinte. Und ich kannte Chris. Er macht es wirklich. Langsam stand ich auf und zog mich an. Eine Legging und einen weißen Hoodie. Dazu meine ausgeblichenen Chucks. Unordentlicher Dutt und fertig. Ich ging in das Wohnzimmer, wo Chris sich locker mit Mama unterhielt. Als sie mich sahen lächelte sie mir zaghaft und aufmunternd zu. Chris stand auf.

»Also ich bringe sie später zurück. Und natürlich heil. Bis dann.« Heil? Ich bin völlig kaputt.. 

Wir liefen zu seinem schwarzem Audi. Ja, Chris hatte Geld. Oder besser seine Eltern. Als ich auf dem Beifahrerplatz saß, lehnte ich mich wie immer an das Fenster und starrte ihn an. Meine Schuhe lagen bereits auf dem Boden und ich zog meine Beine zu mir ran.

»Schau nicht so. Du wirst noch früh genug merken, was wir machen. Übrigens ist dein Pullover unpassend gewählt.« er zwinkerte mir zu und schaute wieder auf die Straße. Ich seufzte genervt und schloss mein Handy an das Radio an. Sofort klangen Klänge von Color Haze durch das Auto. Ich schloss die Augen und versuchte loszulassen.

...

»Chris? Willst du mich umbringen und hier verscharren?« Wir standen in einer verlassenen Blockgegend. Hier haben wohl mal Menschen gelebt, aber nun nicht mehr. Zwar war es früher Nachmittag, jedoch war es gruselig. Mhm. Anfang einer Zombieapokalypse? Würde sogar passen. Chris lachte. Ich hatte es aber ernst gemeint.

»Brauchst du deine Klamotten noch?« Ich sah an mir runter. Eigentlich habe ich bequeme Sachen an. Aber ich hatte nicht vor sie auszuziehen?
Ich zuckte einfach nur mit den Schultern. Und Chris zog mich zu einem Eingang. Dort, im leeren Flur saß eine dunkelhaarige Frau. Ich erkannte sie von Partys im Bau und lächelte ihr schüchtern zu.

»Aaaaaach Chris. Ich hole dir die Eimer.« sagte sie und ging in ein Zimmer hinter ihr. Verwirrt sah ich ihn an. Bis die Frau mit Farbtöpfen wieder kam.

»Zweiter Stock, rechte Wohnung. Viel Spaß.« Chris nahm drei Eimer, ich die anderen und wir gingen zur besagten Wohnung. Sie war, welch ein Wunder, leer. Chris stellte die Eimer ab.

»So. Wir bemalen nun die Wände. Mit dem Händen. Lass deinen Frust raus.« Ich starrte ihn mit offenem Mund an.

...

Ich schlief bei Chris wieder in seinem Bett. Früher habe ich es öfters gemacht, aber seit ich Benjamin kannte nicht mehr. Unsere Sachen lagen auf dem Boden. Überall waren bunte Farbkleckse. Irgendwie mochte ich die Sachen.

»Danke Chris.« flüsterte ich. Er lag an meinem Rücken und schlang nun einen Arm um meine Hüfte.

»Mhm..«

Zum ersten Mal seit dem Aus mit Benjamin schlief ich sofort ein und hatte auch einen ruhigen Schlaf. Mit einen absurden Traum. Überall Farbtupfer. An mehr konnte ich mich nicht mehr erinnern.

LavendelregenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt