22. Kapitel

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Die Straßen waren matschig und der Himmel grau. Trotzdem ging es mir unglaublich gut, als ich morgens aus dem Haus ging. Benjamin stand schon vor meiner Tür und ich lächelte ihn an. Noch wusste er es nicht. Aber ich denke, bald sollte er es erfahren.

Wir liefen eine Weile schweigend nebeneinander.

»Irgendwas ist im Busch Lotte. Ich seh es dir an. Und das sicher nicht nur, weil Freitag ist.« Ich schüttelte glücklich den Kopf.

»Deine Grübchen.. Ach man.« sagte er und kniff mir leicht in die Wange. Dann wanderte seine Finger meinen Arm herunter und er nahm meine Hand. Ich schaute überall hin, nur nicht zu ihm. Es fühlte sich alles so.. toll an.

Je näher wir allerdings der Schule kamen, desto mehr veränderte er sich, bis er meine Hand losließ.

»Ich muss nochmal kurz wohin.« sagte er resigniert und ging weg.

Mhm. Das war komisch. Naja.

Ich ging in das riesige Gebäude und schlängelte mich durch die Schüler.

Eine kleine 8-Klässlerin lächelte mich an. Ich zog leicht die Mundwinkel nach oben. Weder wusste ich wie sie hieß, noch wieso wir uns grüßten. Ich tat es einfach.

Der Raum war noch zugeschlossen und ich stellte mich ein wenig abseits von den anderen.

Mhm. Heute war endlich der letzte Schultag. Danach war Wochenende. Ob schon was geplant war?

Gegen meinen Willen sah ich vom Boden nach oben, als ich ein sehr lautes Lachen hörte.

Eigentlich war es schön, da Benjamin den Weg auch mal her gefunden hatte. Ich wollte schon zu ihm gehen, bis ich erstarrte.

Er stand mit dem Rücken zu mir, deshalb habe ich auch nicht die Person gesehen, mit der er sich unterhalten hatte. Bis die Person ihn lang und innig umarmte und mir dabei ein gewinnendes Grinsen zuwarf. Jolina..

Ich drehte mich weg. Sowas wollte ich nicht sehen. Es gab eigentlich keinen Grund, sauer zu sein. Immerhin wusste ich ja, dass sie ein Projekt zusammen hatten und auch so befreundet waren.

Trotzdem bekam ich dieses Bild nicht aus meinem Kopf. Vorsichtig linste ich wieder zu den Beiden. Sie taten es noch immer.

Aber was konnte ich schon machen. Benjamin gehörte nicht mir. So sehr ich es auch wollte. Ich schluckte. Das hatte ich nun davon, mein Herz zu öffnen.

Menschen waren unberechenbar.

Und genau das wollte ich doch nie. Mich auf jemanden einzulassen, um dann verletzt zu werden.

Schnell blinzelte ich die Tränen weg. Vielleicht waren sie ja nur Freunde. Irgendwie versuchte ich es mir schön zu reden. Ich sollte nicht so leicht überreagieren. Aber es klappte nicht. Immer wieder sah ich Jolinas Blick. Ihre Hände um seinen Hals, wo eigentlich meine sein müssten.

»Hier bist du.« Ich zuckte zusammen und sah in seine blauen Augen. Ich liebte die Tiefe. Nun allerdings wusste ich, dass man darin sehr gut Geheimnisse verbergen kann.

Freunde umarmte man nicht so lange!

Ich gab ihm ein gebrochenes Lächeln und wandte mich froh ab, als unser Englischlehrer den Raum aufschloss.

Der Unterricht war auch nicht besser. Ich merkte, wie Jolina Benjamin immer wieder schmachtene Blicke zuwarf.

Ich bekam Gänsehaut, wenn ich nur daran dachte. Ruhig Lotte. Sie will dich nur ärgern.

Ich sah zu Benjamin. Er hatte den Kopf auf seinen einen Arm gelegt und kritzelte Muster auf sein Blatt.

Die Ärmel von seinem rot kariertem Hemd waren unordentlich hoch gekrempelt und seine Haare waren wieder durcheinander. Trotz allem wirkte es sehr harmonisch.

Nun fing auch ich an zu kritzeln. Keine Dreiecke sondern ihn. Mein Kugelschreiber glitt schnell über das Blatt.

Als es klingelte, riss ich das Blatt ab und schlug es ihm vor die Nase. Dann nahm ich meine Tasche und ging schnell. Manchmal lohnte es sich echt, die Tasche immer auf dem Tisch zu haben und nur was raus zu holen, wenn man es brauchte.

»Lotte, bleib mal bitte noch hier.« Innerlich stöhnte ich und ging zu meinem Lehrer. Dieser wartete, bis alle Schüler draußen waren.

»Du weißt, deine Englischnoten sind sehr gut. Und trotzdem wirst du wieder keine so gute Note auf dem Zeugnis haben. Ein drittel ist mündlich. Das weißt du.«

Ich schaute aus dem Fenster. So ein Gespräch führte er jedes Halbjahr mit mir.

Bisher hatte ich Glück. Mein Lehrer mochte ich, da ich, was die englische Sprache anging, sehr begabt war.

»Ich glaube, dass du dieses Jahr durchfallen wirst. Wegen der mündlichen Englischprüfung. Für das Abitur kann ich dich da leider nicht entschuldigen. «

Schockiert sah ich ihn an.

»So würdest du nicht das Abitur bestehen. Und das willst du doch nicht, oder?«

»Nein.« sagte ich, drehte mich um und ging, während mein erstaunter Lehrer zurück blieb.

LavendelregenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt