3. Kapitel

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Mein erster Wecker klingelte immer kurz vor um 6. Einfach damit ich öfters die Schlummertaste drücken kann. Es lohnt sich wirklich, auch wenn ich die 10 Minuten zwischen dem Klingeln jedes Mal wieder einschlief. Meine Gedanken waren einfach überall und doch nirgendwo.

Irgendwann musste ich jedoch aufstehen, was ich nach ca. einer Stunde auch tat. Ich zog mir eine dunkle Jeans und einen beigen Wollpulover an. Ein starker Kontrast zu dem, was ich nachts immer trug, aber was sollte ich schon machen. Nachts war ich immerhin eine komplett andere Person.

Als ich ins Bad ging um mir die Zähne zu putzen verdrehte ich die Augen. Meine Haare haben sich schon wieder selbstständig gemacht. Wenn ich mein Haar offen trug, ist es ein dunkles rot. Aber wenn ich einen Dutt drin hatte, sah ich aus wie eine Blondine. Lag daran, dass mein Deckhaar eine andere Farbe hatte, als das untere Haar. Naja egal.
Heute musste ich mich für letzteres entscheiden, da ich nur noch wenig Zeit hatte. Ich schminkte mich schnell, nahm mir noch einen Apfel und rannte nach draußen. Ich steckte mir Kopfhörer in die Ohren und stellte die Musik auf laut. Ich konnte es nicht leiden, wenn Menschen über mich redeten und ich die Wörter hören konnte. Außerdem konnte ich mit meiner Musik völlig in meine Welt abtauchen.
Jedenfalls nahm ich mein Rad und fuhr los.

Wenn ich wenig Zeit hatte, was meist der Fall war, fuhr ich einen Sandweg durch alte Fabriken, abseits der restlichen Stadt. Ich fand ihn gruselig, aber der Weg war 5 Minuten kürzer als der andere. Und das war es mir wert. Ohne Musik konnte ich hier nicht langfahren. Manchmal träumte ich sogar davon, dass sich hier irgendwann Zombies trafen. Oder Kannibalen, der Ort ist halt perfekt für einen Horrorfilm. Schon wenn ich darüber nachdachte, kam mir Galle hoch.
Also konzentrierte ich mich auf die Musik und fuhr ein Stück schneller.

Als ich an der Schule ankam, hörte ich das Vorklingeln. Ich hatte nun zwei Minuten Zeit, in den dritten Stock zu laufen. Das war ziemlich weit, da unser Schulgebäude auch ziemlich alt war.
Ich holte Luft, beschleunigte meinen Schritt jedoch nicht. Es war sinnlos, da ich eh zu spät kommen würde.
Was ich auch tat. Ich klopfte an die Tür und ein Klassenkamerad machte auf. Mein Biolehrer zog beide Augenbrauen hoch, sagte aber nichts. Ich kam fast immer zu spät. Und da ich im Unterricht sonst nicht negativ auffiel, duldete er es auch. Ich setzte mich auf meinen Platz und stöpselte meine Musik ab. Da merkte ich, wie still es doch war. Ich sah mich um und mein Blick blieb am Waschbecken an einen fremden Jungen hängen. Er war groß und ich musste zugeben, dass er ziemlich gut aussah. Schnell sah ich wieder weg. Selber mochte ich es doch auch nicht, wenn man mich anstarrte.

»Lotte, ich war gerade dabei unseren neuen Schüler vorzustellen. Benjamin. Such dir doch bitte einen freien Platz. Und die anderen schlagen bitte ihre Hefter auf. Wo waren wir das letzte Mal stehen geblieben...?«

Ich erstarrte leicht. Der Junge, Benjamin, steuerte auf den Platz neben mir zu. Letztes Jahr saß da noch eine Bekannte, die allerdings sitzen geblieben ist. Aber warum setzte er sich nun zu mir? Vor mir war eine ganze Reihe frei. Mhm. Und was macht er überhaupt hier? Wir haben doch nur noch ein halbes Jahr Schule, bis die Abschlussprüfungen waren. Hmmmm..

»Darf ich?« fragte er, obwohl er den Stuhl neben mir schon zurecht schob. Als Antwort schob ich mein Schulzeug auf dem Tisch weiter zu mir, um ihm Platz zu machen.

»Ich bin Benjamin.«

LavendelregenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt