16. Kapitel

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Gut gelaunt holte ich Tassen heraus und wartete auf den Wasserkocher. Benjamin saß auf einem Stuhl und beobachtete mich lächelnd. »Irgendwie hätte ich nicht gedacht, dass man mit dir so viel Spaß haben kann.« Schuldbewusst schaute er auf den Boden, als er meinen skeptischen Blick bemerkte. »Jolina hat etwas erzählt..« Ich zog scharf die Luft ein. Jolina war meine ehemalige beste Freundin. Sie wurde immer gemobbt, jedoch hab ich versucht den Streit zu schlichten, bis die anderen sie.. nun ja, akzeptierten. Bis vor einem halben Jahr. Sie warf mir Dinge an den Kopf.. und verbreitet seitdem Lügen über mich. Sie ist auch ein Grund, warum ich fast niemanden vertraue. »Sie erzählt, dass du langweilig bist, da du nicht redest. Und das du einen Stuss hast. Das hat sie.. gestern in der Schule gemeint. Ich hab nichts gesagt. Glaub, du bist ganz ok.« Nun musste ich schmunzeln. Ganz ok? Klang ja gut. Ich nickte und goss das heiße Wasser in die Tassen. Auf einmal stand Benjamin hinter mir und flüsterte »Und das ist mein ernst.« Ich bekam eine Gänsehaut. Stopp!  Es sollte nicht so sein. Er nahm mir die Tassen ab und ging in das Wohnzimmer. Ich atmete langsam um mich zu beruhigen. Wie hat er es nur geschafft, meine Vorsätze über Bord zu werfen?

Wir saßen nebeneinander. Vor uns ein leerer Pizzakarton. Im Fernseher lief Herr der Ringe. Benjamin und ich schauten uns in die Augen. Schon seit einer Weile. Wir sprachen nicht. Im Hintergrund hörte man nur leise Elrond etwas über den Ring sagen. Irgendwie war die Situation angespannt und doch .. mochte ich es. Sich in Benjamins blauen Augen zu verlieren war so einfach. In den endlosen Weiten konnte man alles sehen und doch nichts. »Wie kommt es, dass du nicht sprichst aber schreibst?« Ich war baff. Man fragte oft, warum ich nicht sprach aber sonst..? Ich zuckte mit den Schultern und überlegte. Dann nahm ich ein Blatt, kritzelte ein "Ich denke... der Baum ist grün" hin. Dann strich ich das grün durch und schrieb blau. »Weil man das geschriebene verändern kann?« 100 Punkte. Ich nickte und er nahm das Blatt und den Stift. Als er es mir nach einer Weile wieder gab, hatte er noch etwas ergänzt.

»Ich denke... der Baum ist blau.
und der Himmel grün
die Wolken gelb
und der Sand grau.
die Farben sind verrückt
die Welt wirkt unnah
und alles erscheint so anders.
Ich nahm einen Pinsel und malte
weiß
Leere
und Stille.
Ich wünschte
der Baum wäre blau.«

Es war ruhig. Benjamin hatte den Fernseher ausgestellt. Es brauchte eine Weile, bis ich es bemerkte. »Manchmal ist es gut, Wörter verändern zu können. Aber überlege dir mal, wie das Gedicht wäre, stünde da noch 'grün' anstatt 'blau'.« Ich konnte ihn nur anschauen. In mir beschwor sich ein Bild, welches ich unbedingt malen musste. Außerdem.. ich hab noch nie darüber nachgedacht.. »Hey. Du träumst so. Soll ich dich erstmal allein lassen?« Resigniert nickte ich langsam und führte ihn raus. Das er mich zum abschied umarmte bekam ich schwach mit. »Und fülle deine Augen wieder. Sie sind grade so leer.« Dann war er weg. In meinem Kopf drehte sich alles. Alles ist veränderbar. Man kann es sich nicht aussuchen, außer den Weg, den man gehen möchte. Jede Entscheidung fällt anders aus. Ein Wort kann Geschichte schreiben. Ein anderes wieder nicht. Oh Gott. Mir wurde schlecht.

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