5. Kapitel

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Von dem Zeitpunkt an, wo sich Benjamin neben mich setzte, bis zum Klingeln, das uns in die zweite Pause nach der Doppelstunde entließ, war ich irgendwie ziemlich erstarrt. Ich habe keine Ahnung warum. Es war seine Ausstrahlung. Er saß zwar nur da, kritzelte ein bisschen Muster auf sein Blatt und starrte wieder in die Luft, aber sonst.. Nichts auffälliges. Ich versuchte ihn nicht anzustarren, trotzdem erwischte ich mich, wie ich manchmal zu ihm blinzelte. Er war anders. Anders als die Jungs in meinem Kurs, sogar in meinem ganzen Jahrgang. 
Sein dunkelblondes Haar hing wirr in seinem Gesicht und einzelne Strähnen verdeckten seine blauen Augen. Ich hatte das Bedürfnis ihm sie wegzustreichen. Er war richtig hübsch.  Das braune Hemd war viel zu groß, dadurch wirkte er ziemlich verloren.
Generell sein Aura. So.. unscheinbar und doch Desinteressiert an allem. Irgendwie war er in seiner eigenen Welt versunken. Konnte ich mir in seiner Situation aber gut vorstellen, neue Schule und so..
Ich beobachtete seine Hände.. Sie sahen ziemlich weich aus und der Bleistift erschien nicht gerade fremd in seinen Fingern.

Erschrocken merkte ich, dass ich ihn schon wieder beobachtete. Und meine Gedanken an Benjamin. Immerhin kannte ich ihn ja nicht..

Kerle spielten in meinem Leben eine geringe Rolle. Sie waren Zeitvertreib. Ich ließ mich einen Abend mit einem ein und am nächsten Tag war er schon wieder vergessen. Ich wollte mir nicht das Herz brechen lassen. Außerdem möchte ich mein eigenes Leben erleben. Frei sein. Und das ging nicht mit einem Freund an meiner Seite. Ich wusste, dass ich kalt in dieser Hinsicht war. Deshalb ersparte ich den Jungs jeglichen Kontakt zu mir. Wenn mich mal einer nicht als Freak hielt. Oder mich als seine 'Eroberung' bezeichnete. Was ich aber glaube ziemlich oft war, denn im Ernst.. Schlecht sah ich nicht aus.

Ich glaubte trotz allem jedoch nicht, dass Benjamin so einer war. Er schien sich nicht um irgendjemanden zu kümmern. Alles war egal. Mhm. Ein bisschen erschien er glaube wie ich. Und weil ich wusste, wie man sich so fühlte, ließ ich ihn in Ruhe. Ich werde mich wohl an ihn gewöhnen müssen..
Wieder verkrampfte ich kurz. Man ich sah ihn heute zum ersten Mal. Wahrscheinlich ist er doch so ein Arsch und hält sich nur zurück, weil er neu ist.
Ich atmete tief durch und betrachtete es von außen. Hoffnung ist was für Schwächlinge. Und dennoch hoffte ich aus irgendeinem Grund, dass er so war wie ich. Muss wohl an der Evolution liegen. Keiner möchte gern allein sein. Nur.. War ich denn allein? Ist es schon soweit gekommen, dass ich anfing zu hoffen? Nur um jemanden zu finden, der genauso kaputt wie ich war?

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