26. Kapitel

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»Ich liebe dich.« hauchte ich leise. Benjamin schlief an meiner Seite. Ich stellte die Musik aus und stand vorsichtig auf. Ich wollte ihn nicht wecken. Er sah so.. friedlich aus. Und das war er auch.

Seit unserem Ausflug ans Meer sind zwei Wochen vergangen. Wir waren jetzt offiziell ein Paar. Oh man. Wie das klang. Aber wenn ich ehrlich war, mochte ich es. Hätte nie gedacht, dass sich die Lotte von damals so sehr verändern kann. Und das auch nur wegen einem Menschen.

Leise schloss ich die Tür und tabste in die Küche. Es war zwei Uhr morgens und ich wollte einen Tee trinken. Ich holte eine Tasse heraus, stellte Wasser an und lehnte mich an die Theke.

»Lotte? Warum bist du wach?« Ich zuckte zusammen und schaute Frieda ins Gesicht. Obwohl sie jünger war, überragte sie mich schon. Generell hatten wir nicht viel gemeinsam, so auch ihre arrogante Art. Manchmal. Nun stellte sie eine neue Tasse neben meine und schaufelte auch Teekrümel herein.

»Frieda?« Sie lächelte. Meine Geschwister konnten es noch immer nicht glauben, dass ich überhaupt redete. Und genau dieses Lächeln verunsicherte mich. Und ich hielt wieder den Mund. Was sie wohl über mich dachte ..

»Was ist? Geht es um Benjamin?« fragte sie, direkt wie immer. Ich konnte nur nicken und sah auf den Boden.  Ungeduldig sah sie mich an.

»Ich habe mich bei einem Aupair in England beworben, kurz bevor ich ihn kennenlernte. Gestern kam eine Antwort.« kurz und knapp. Es brach mir das Herz. Wir haben gerade erst zueinander gefunden..

»Und nun?«

»Naja. Habe ich erstmal ein Bewerbungsgespräch in Berlin bei der Organisation. Danach ein Telefonat bei der Familie. Wenn alles gut läuft, bin ich Mitte August weg.« Ich starrte auf meinen Tee.

»Aber du willst nicht.« stellte Frieda fest. Ich schniefte. Es war immer mein Wunsch gewesen, ins Ausland zu gehen, weil ich jung und ungebunden war. Ich wollte unbedingt meine Heimatstadt hinter mir lassen. Was sich jetzt geändert hat. Ich konnte mich selbst schlagen, dass ich das mit Benjamin zugelassen habe. Dann aber dachte ich an seine Wärme und sein Lächeln. Nein. Es war auf keinen Fall ein Fehler gewesen.

»Du musst es ihm sagen.« Ich seufzte. Das wusste ich schon selber. Nur wie?

»Wie willst du eigentlich das Ausland finanzieren?« fragte Frieda. Ich stand auf und nahm mir die Zeitung, die neben dem Herd lag. Nach einer Weile wilden blätterns, kam ich endlich auf die passende Seite.

» Servicekraft gesucht. M/W, auf 450€ Basis, Kino. Tel.:....« Ich zeigte ihr die Annonce.

»Du willst im Kino arbeiten? DU? Lotte?« Ich nickte. Anders gäbe es kaum Möglichkeiten. Aber das sagte ich nicht. Ich trank meinen Tee aus, stand auf, wuschelte Frieda durch ihr Haar und ging wieder in mein Zimmer. Leise schloss ich die Tür hinter mir und legte mich wieder in das Bett. Sofort spürte ich, wie Benjamin einen Arm um mich legte. Er war wach, hielt aber den Mund. Froh darüber, kuschelte ich mich noch enger an ihn und schloss die Augen. Ich will kein Geheimnis vor ihm haben. Er tut mir viel zu gut. Ich werde ihm morgen einfach den Brief zeigen. Wenn ich es nicht vergesse. Mit diesem Gedanken schlief ich ein.

...

Und wachte am nächsten Morgen mit einem schmerzenden Rücken auf. Ich stöhnte und vergrub mein Gesicht in das Kissen. Ich lag auf dem Bauch und versuchte irgendwie wieder einzuschlafen, aber ich war wach.

»Alles in Ordnung?« fragte Benjamin. Trotz der molligen Wärme bekam ich eine Gänsehaut. Es ist ein schönes Gefühl, dass jemand sich um dich sorgt.

»Nacken schmerzt.« Nuschelte ich in das Kissen. Ich zuckte zusammen, als ich eine warme Hand auf dem Nacken spürte. Dann schob Benjamin vorsichtig mein Shirt, oder besser seines, hoch. Und massierte mich. Es gibt morgens einfach nichts schöneres. Ich lag da und genoss es. Langsam atmend glitt ich wieder unbemerkt in den Schlaf.

...

Als ich aufstand, war Benjamin schon weg. Es war kurz vor Kaffeezeit und ich konnte es ihm nicht verdenken. Aber es war schön, dass mein Bett nach ihm roch. Frieda meinte später zu mir, dass er mit ihnen gefrühstückt hat und dann gegangen ist. Meine Familie liebte ihn. Ich fand es komisch, dass sie anscheinend alle so nett zu ihm waren. Mich mochten sie doch auch nicht so.. Naja.

Nach dem duschen zog ich mir meinen schwarzen Anorak an und ging raus. Es wurde wärmer und vereinzelt sah ich sogar schon Frühlingsblumen. Der Wind ließ mich heute in Ruhe und ich ging spazieren. Langsam schlenderte ich über die Wege meiner Kindheit. Und sah alles mit neuen Augen. Es scheint immer so verständlich, dass das Umfeld sich nicht viel verändert. Aber das tat es doch. Neue Menschen zogen ein. Häuser werden gestrichen, Bäume (leider) abgeholzt. Meine Heimat im Wandel. Vertraut und doch so fremd. Aber ich wandelte mich ja auch. Schätze, ich bin erwachsen geworden. Wenigstens ein bisschen. Und das hatte ich Benjamin zu verdanken.

LavendelregenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt