05 - Ginger

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Noch immer spukte dieser Moment in meinem Kopf herum. Er war mir so nah gewesen. Ich hatte seinen unheimlich guten Duft wahrnehmen können, hatte seinen Atem fühlen können und am liebsten hätte ich ihn geküsst, bis wir beide ohnmächtig geworden wären, aber dann war er zurück gewichen.
Alles war nur ein dämliches Spiel von ihm gewesen!

Max kam herein, nachdem sie ihren Bruder angeschnauzt und damit vertrieben hatte und ließ sich mit einem dramatischen Seufzer aufs Bett fallen.
»Marcus ist so ein Arschloch«, sagte sie wieder und schüttelte leicht den Kopf.
»Weißt du, ich sag ihm andauernd, dass er aufhören soll, mit den beschissenen Drogen. Unsere Mum sagt es auch dauernd! Aber er hört einfach nicht. Er ist so stur.«

Ich könnte wieder mal nur an diese vollen Lippen denken, die mich ganz verrückt machten.
»Ja, das ist doof«, murmelte ich. Ich wusste nicht mal, ob es gerade passte, aber da Max nichts weiter sagte, schien meine Antwort wohl okay gewesen zu sein.
Eine Weile saßen wir da, ich mit dem Buch im Schoß und sie auf dem Bett liegend.

»Ich denke, ich muss jetzt gehen. Wir sehen uns morgen in der Schule«, sprach ich schließlich und stand auf.
Maxim machte einen kurzen Schmollmund, umarmte mich dann aber stürmisch.
»Alles klar, mein Pummeleinhorn. Bis morgen!«

Ich lächelte nur und schlenderte nach unten. Als ich Marcus in der Einfahrt sah, bewunderte ich kurz sein Motorrad, ehe ich wieder zu ihm sah.
»Cooles Bike«, sagte ich und näherte mich langsam. Es sah wirklich verdammt gut aus und da mein Dad mich früher ziemlich oft mitgenommen hatte und ich ab und zu auch Mal auf einem fahren durfte, wusste ich genau, wie man so eine Maschine bedienen musste.

»Danke. Ah, warte. Jeder will immer auf diesem Bike posieren. Ich hole schnell mein Handy«, kam es von Marcus und er drehte sich zu seiner Jacke um, die auf den Boden lag, wo er sein Handy auf hob.

Ein leichtes Grinsen schlich sich auf meine Lippen, als ich mir schwor, ihm das Spiel vorhin heimzuzahlen.
Schnell schnappte ich mir den Helm, setzte ihn auf und bestieg dann das Motorrad.
Mühelos schaltete ich es ein und fuhr dann langsam aus der Einfahrt. So sicher, als würde ich es jeden Tag machen.

»Hey! Was soll das! Warte!« Panische schreie hinter mir. 

Ich grinste nur und konnte mir vorstellen, wie Marcus blöd aus der Wäsche guckte.
Ich fuhr nicht weit. Nur bis zum Ende der Straße und wieder zurück, aber es war ein tolles Gefühl. Es war schon lange her, seit ich das letzte Mal mit meinem Dad Motorrad gefahren bin. Das hier fühlte sich wenigstens ein bisschen so an.

Als ich wieder zurückkam und Marcus sah, dass sein Heiligtum keinen Kratzer abbekommen hatte, sah er mich halb erleichtert, halb wütend an.
Elegant stieg ich ab und zog den Helm aus.
Ich fühlte mich so stark und unbesiegbar. So mutig. Nichts konnte mir was anhaben.

»Das war gerade echt nicht cool«, sagte der Dunkelhaarige nur. Mehr konnte er auch gar nicht sagen, denn dann drückte ich ohne ein weiteres Wort meine Lippen auf seine. Ich küsste ihn einfach, weil ich es wollte. Ich sehnte mich so nach seinen Lippen, wollte sie schmecken und sie nie wieder her geben!
In meinem Adrenalin Ausbruch dachte ich auch gar nicht darüber nach, was passieren würde, wenn Marcus das nicht wollte, aber darüber brauchte ich mir auch offenbar keine Gedanken machen, denn der Junge bewegte seine Lippen geschmeidig gegen meine.

Ich fühlte mich wie im Himmel. Es tat so unglaublich gut. Vorsichtig schlang ich meine Arme um seinen Hals und presste meinen Oberkörper ein wenig gegen seinen. Ich spürte die Wärme, die Hitze, die sich zwischen uns aufbaute, als ich plötzlich etwas Feuchtes an meiner Unterlippe spürte.
Noch nie hatte ich jemanden geküsst und schon gar nicht mit Zunge.
Was zuerst ein harmloses aufeinander legen der Lippen war, wurde plötzlich leidenschaftlicher.

Ich wollte wissen, was passieren würde, wenn ich die Barriere zwischen unseren Mündern frei gab und die Zunge in mich hinein konnte, weshalb ich meine Lippen einen Spaltbreit öffnete.
Es war berauschend, wenn ich mir klar machte, dass ich von Marcus kostete und es mir gefiel.
Eine Gänsehaut kroch über meinen ganzen Körper und ich wollte, dass er mich hielt. Er sollte mich festhalten und nie wieder los lassen!

Plötzlich wurde mir aber  mit einem Schlag bewusst, was ich da eigentlich tat.
Er war der Bruder meiner besten Freundin und eigentlich war das nicht fair gegenüber Max. Sie mochte Marcus wohl nicht besonders und ich kannte ihn noch nicht. Es wäre Blödsinn, wegen einem Hirngespinst unsere Freundschaft aufs Spiel zu setzen!

Ich löste mich und sah dem Größeren in die Augen. In diesen konnte ich Verwirrung und vielleicht auch ein bisschen Erstaunen erkennen.

»Ähm... ich... ich muss gehen. Wie sehen uns«, meinte ich hastig und schluckte. Dann rannte ich das kleine Stück zu meinem Haus hinüber und verkroch mich direkt in meinem Zimmer.
Vorsichtig fasste ich mir an die Lippen. Sie waren noch ein wenig feucht von den erlebnisschwangeren Kuss und ich konnte es kaum glauben, dass ich das tatsächlich getan hatte.
Ich tat normalerweise nie den ersten Schritt. Im Normalfall tat ich gar nichts und himmelte die Jungs nur von der Ferne an, doch Marcus weckte in mir eine gewisse Gier danach, neue Dinge zu versuchen. Er lockte mich aus der Reserve und es gefiel mir.

Leicht lächelte ich und schauderte, als ich an das Gefühl dachte, seinen Körper an meinem zu spüren. Ich wollte es nochmal tun. Noch viel länger, auch wenn es falsch war.
Es fühlte auch so gut an und Max würde schon nichts mitbekommen, wenn wir vorsichtig sein würden.
Fand Marcus mich auch gut? Wollte er das überhaupt auch so sehr wie ich?

In meinem Kopf kreisten lauter Gedanken umher, die mich ganz verrückt machten. Ich wollte sie ausschalten, aber es ging nicht.
Als meine Mutter dann plötzlich in mein Zimmer kam, um mich zum Abendessen zu rufen, zuckte ich erschrocken zusammen.
»Alles okay, mein Schatz?«, fragte sie besorgt und ich nickte nur.
Alles musste Georgia auch nicht wissen.
Schweigend folgte ich ihr nach unten in die Küche, während meine Gedanken noch immer bei Marcus waren.

Marcus, der Junge mit den tollsten Lippen der Welt!

The Boy Next Door - Marcus Baker FF // BoyxBoy ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt