14 - Marcus

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Ich hatte nicht gut geschlafen, nach dem Chaostag - schon wieder nicht. Kaum waren mir endlich die Augen zu gefallen, driftete ich in ein seltsamen Traum Schrägstrich - Alptraum Gewirr ab. 

Die hatten sich in meinem Kopf wohl in den letzten Tagen angestaut, verwunderlich war es kaum. 

Dabei hatte ich Ginny so deutlich vor mir gesehen - mit nacktem Oberkörper, den leichten Erhebungen seiner Muskeln an Arm, Brust und Bauch. Meine Finger die dabei neugierig über seine weiche, bronzefarbene Haut fuhren. Er fühlte sich so gut an, ich wollte mehr, wollte ihn näher zu mir ziehen, ihn fest an meiner Haut spüren. Ich griff nach seinem Handgelenk, doch dann tauchte plötzlich meine Schwester vor mir auf und lachte hämisch. Als wäre das noch nicht genug, tauchte auch noch Eric wie ein Geist zwischen mir und Ginny auf und lachte laut und schallend über mich.

"Du Schwuchtel!", brüllte er, sich dabei den Bauch vor lachen haltend. 

So schnell wie Eric erschienen war, löste er sich in Luft auf, kurz sah ich Ginny wieder, wollte zu ihm, ihn wieder berühren, doch sobald ich einen Schritt vor den nächsten machte, fühlte es sich an, als würde meine Füße in tiefen Schlamm stecken, ich kam nicht voran. 

Ich wollte nach ihm rufen, doch mein Mund schien wie verklebt. Er stand so leuchtend, so schön vor mir und winkte mir zu, mit diesem cuten lächeln im Gesicht. Ich spürte die Trauer darüber, dass ich ihm nicht näher kommen konnte, doch dann fuhr ein Schmerz durch meine Hand.
Padme zerrte an meinem Handgelenk, sogar im Traum spürte ich es deutlich. Und sie ließ einfach nicht los, sah mich so bitterböse an, voller Vorwürfe, voller Verachtung, mir wurde ganz kalt. 

Ginny, seine Stimme drang im Hintergrund dazu und rief immer wieder meinen Namen. Doch ich konnte Padme's eisernen Griff um mich einfach nicht lösen. Ich war schweißgebadet aufgeschreckt, zitterte am ganzen Leib - an Schlaf war danach nicht mehr zu denken. Erst als die Sonne langsam über die roten Ziegeldächer der Siedlung fiel, schlief ich nochmal ein.

Am liebsten wäre ich am Morgen gar nicht mehr aufgestanden und einfach im Bett geblieben. Doch meine Mutter zwang mich sprichwörtlich dazu aufzustehen und da ich den Schulbus verpasst hatte, fuhr sie mich leise vor sich hin fluchend höchstselbst zur High School. Was für eine Ehre, oder wohl eher Fluch für mich...

"Du bringst mich noch ins Grab Marcus Baker!", fuhr sie mich an als ich Ausstieg – der Witz ließ mich nur noch unwohler fühlen.  

Bitter sah ich zu ihr zurück und immerhin schien sie zu bemerken, dass diese Worte deutlich an meiner immer noch bröckelnden Fassade kratze.

"Tut mir leid, Schatz, du weißt, das...", hilflos gestikulierte sie mit den Armen. 

"Ich hol dich nachher ab, wenn du magst, wir gehen zu Joes und machen uns einen schönen Nachmittag, was meinst du?"

Ich verdrehte nur die Augen und ging ohne eine Antwort davon. Als Conner damals starb, wurde mir die eigene Sterblichkeit und die meiner eigenen Familie mit einem Schlag bewusst. 

Ich hatte das Gefühl an dieser Angst zu ersticken, nicht mehr vor die Haustür zu können und hatte meine Mum, wie meinen Dad, ja sogar meine Schwester ständig angefleht, einfach hierzubleiben und regelmäßig zum Arzt zu gehen.
Ich hatte mich damals selbst beim Arzt auf den Kopf stellen lassen, wollte nicht, das, wie bei Conner, etwas "Übersehen" wird und ich dann deswegen ein paar Monate unter der Erde lag. 

Ich war ein paar Monate ein ziemlicher Hypochonder gewesen. Doch jetzt, nach gestern, bei Padme, waren gleichsam diese dunklen Gedanken zurück. 

Ich hing am Leben, ja - die meiste Zeit zumindest, doch manchmal dachte ich auch, das es Connor so wenigstens bereits hinter sich gebracht hatte -  mit seinem frühen Tod, diesem ganzen zwischenmenschlichen Dramen zu entkommen. 

The Boy Next Door - Marcus Baker FF // BoyxBoy ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt