08 - Marcus

194 11 25
                                    

Fuck, was hatte ich da gerade getan, was war da eigentlich passiert?

Ich lag in meinem Bett, die Augen aufgerissen, konnte meinen immer schneller werdenden Atem einfach nicht beruhigen - hatte das Gefühl geradewegs auf eine Panikattacke zuzurasen. Noch immer war mein Oberkörper nackt, meine Lippen so geschwollen und sein Geschmack darauf - so verwirrend.

Es geht nicht - dachte ich, niemals, ich und dieser Junge - nein! Mein Verstand nickte deutlich doch in meinem Bauch und in meiner Brust fühlte es sich bei dem Gedanken, ihn ganz weit von mir zu schieben, vollkommen anderes an - es tat weh, es zog und zerrte an mir.

Ich setzte mich auf, Vergrub mein Gesicht in meinen Händen und schrie dumpf hinein. Ich wünschte so sehr Connor wäre jetzt hier, ihm hätte ich davon erzählt, er hätte gewusst, wie ich damit umgehen konnte, doch sonst, gab es einfach niemanden da draußen, dem ich so weit vertrauen konnte, um ihm dieses Geheimnis anzuvertrauen.

Manchmal quatsche ich mit Joe aus dem Café, er kannte mich mein ganzes leben lang, war fast wie ein Familienmitglied für mich. Er wusste, dass ich kiffte, war der einzige der nach Connors Tod nicht frage, wie es mir geht. Connor und ich waren damals fast jeden Tag in seinem Café gewesen. Ich glaube als er gestorben war, litt er wirklich darunter, es war nicht so eine aufgesetzte Trauer, wie bei den anderen in der Schule. Und ehrlich gesagt, war ich mir bei Joe nicht ganz sicher, ob er wirklich Hetero war, ich hatte ihn noch nie mit einer Frau gesehen, was natürlich nichts bedeuten musste, aber gerade,... wäre es toll gewesen mit jemanden, der ähnliches durchgemacht hat zu reden, meine Schwester war dafür aber garantiert keine Hilfe.
Die würde doch nur hysterisch anfangen zu lachen und mir irgend so einen Mist vor den Kopf knallen, "Ich habs doch gewusst, wir sind schließlich Zwillinge" - dieses Zwillingsding konnte sie sich so was von weg stecken! Spätestens, nachdem sie vor knapp zwei Jahren überall rumerzählt hatte, das ich damals in der Video AG, auf dem Schulcomputer Pornos mit Connor geschaut hatte, war sie unten durch für mich.

Joe hatte allerdings noch nicht mal sich selbst geoutet... und wenn ich ihn einfach so damit konfrontierte... war er sicher sauer.

Ich war noch immer so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht mit bekam, wie sich meine Schlafzimmertür öffnete und meine Mutter rein kam.

"Marcus", ihre Stimme war ernst. Nicht auch noch das! Dachte ich verzweifelt.

"Ich weiß, dass du dich rausgeschlichen hast" Sie trat an meinen Schreibtisch, ließ mich dabei aber nicht aus den Augen, und strich über ein Bild, das ich gerade erst heute fertig gezeichnet hatte, es zeigte, vollkommen untypisch für mich das Gesicht eines Jungen... mit dunklen Augen - eine seltsame Ahnung? Eine Eingebung die ich schon vor Stunden, vor dem viel zu heißen Kuss mit Gin gehabt hatte? Nein - er spukte schließlich seit unserer ersten Begegnung darin rum.... Ich seufzte, zog mir ein altes Shirt unter meinem Kissen hervor und zog es über.
"Keine Ahnung was momentan wieder mit dir los ist und wo du dich rumtreibst, aber ich werde dem ganzen jetzt einen Riegel vorschieben, verstanden?" Sie besah mich mit einem Blick, der mir einen Schauer über den Körper jagte. Sie schien wirklich verzweifelt mit mir. Mehr als sonst, solche dramatischen Auftritte legte sie sonst eigentlich nie hin...

"Die Woche hast du Hausarrest und ich habe Peter, deinen Therapeuten angerufen, du hast morgen einen Termin bei ihm"

Ich presste die Lippen zusammen, damit ich nichts sagte, was das ganze noch schlimmer machen würde, aber innerlich kochte ich. Nur anmerken lassen, würde ich mir das ganz sicher nicht.

Ohne eine Regung im Gesicht sah ich zu ihr.

"War's das?", fragte ich monoton. Mein Fenster konnte sie schlecht verschließen, für mich würde es immer einen Weg nach draußen geben! Dachte ich zornig.

"Marcus, verdammt! Ich mache mir Sorgen, verstehst du das? Wir lieben dich, aber so, wie du dich gerade verhältst, mit dem Motorrad, dem kiffen, diesem rausschleichen - wir wollen dich damit beschützen."

Ich schüttelte müde den Kopf. Selbst wenn ich ihr Verhalten bis zu einem gewissen Punkt verstand, ich wollte gar nicht das sie sich so um mich sorge, ich kam zurecht, irgendwie. Und sie war die absolut falsche Person um über meine ganzen Probleme zu reden.

"Es ist zwei Uhr nachts, kannst du mich einfach schlafen lassen?", ich tat so, als müsste ich gähnen.

Meine Mutter schüttelte fassungslos den Kopf und ging endlich, jedoch nicht ohne noch ein deutlich erschöpftes "Der Junge treibt mich noch in den Wahnsinn", vor sich hinzumurmeln.

Der nächste Tag war, wie so viele, wie die Hölle für mich. Ich versuchte Ginny, trotz der bleiernen Müdigkeit in mir, aus dem Weg zu gehen und auch Padme versuchte ich zu meiden. Nachmittags war der Termin bei meinem Psycho Doc und ich schwieg einfach, sagte gar nichts, sah schon ganz verschwommen, weil ich seit Tagen nicht richtig geschlafen hatte.

"Marcus, ich seh auch so, das du unter Schlafmangel leidest und etwas mit dir rumschleppst, du kannst es mir sagen" Ich schüttelte nur den Kopf, vielleicht hatte er sogar recht, aber so verzweifelt, wie ich seit der Nacht Ginny in meinem Kopf versucht hatte zu vergraben, würde sicher nur ein Wort reichen um ihn sofort wieder dort hervor zu zerren. Das konnte ich nicht riskieren. Ich wollte diesen Jungen einfach nur vergessen und das was ich bei ihm gefühlt hatte.

Immerhin, er schrieb mich für drei Tage krank, verschrieb mir erneut die Pillen und die freie Zeit nutze ich, schlief, las, zeichnete, alles was half, um meinen Kopf endlich wieder freizubekommen. Verkroch mich in meinem Zimmer, mied jeden aus meiner Familie, besonders meine Schwester.

Freitag ging es mir etwas besser, mein Kopf, meine Gedanken schienen geordneter, drohten nicht mehr mich zu überschwemmen und fort zu reißen. Auch wenn ich damit kein einziges meiner Probleme wirklich in den Griff bekommen hatte - vielleicht waren es auch die Medikamente, die halfen, dass ich wieder einigermaßen auf der geraden Bahn lief.

Kaum zurück an der Schule, fing mich Padme direkt vom Bus ab und fragte besorgt, ob es mir besser ginge.

Maxim neben mir verdrehte die Augen, "Den krieg nicht mal ich klein". Scheinbar hatte meine Mum sie heute auf mich angesetzt, denn selbst im Bus hatte sie plötzlich neben mir gesessen. Ich seufzte nur, hatte nicht mal einen Spruch für sie heute auf den Lippen und wir gingen zusammen den Schulflur runter, wie aus dem Nichts lief plötzlich Ginny neben mir. Er begrüßte Maxim mit einer freudigen Umarmung und blieb dann an meiner Seite.

Sein Geruch stieg mir sofort wieder so überdeutlich in die Nase und ich sammelte alle Kraft um ihn bloß nicht direkt anzusehen. Wir liefen durch den Korridor, direkt nebeneinander. Sein Arm kam meinem ganz nah, streifte mich, zweimal. Ob Zufall oder Absicht, was es auch war, jedes Haar auf meinem Unterarm, stellte sich auf und eine Gänsehaut überkam mich.

Erschrocken blieb ich wie angewurzelt stehen. Ich musste diesen Typen meiden! Um jeden Preis! Er machte Dinge mit mir, die nicht normal waren, die ich gar nicht spüren wollte! Immerhin bemerkte Padme, das ich stehengeblieben war und kam zu mir zurück.

"Sollen wir uns heute treffen?" Dabei strich sie mir sanft über die Wange. Es beruhigte mich etwas.

"Klar", presste ich hervor. Ablenkung, ich brauchte Ablenkung!

"Wir können auch die Pause miteinander verbringen"

"Sicher"

"Schön", und ohne das ich irgendetwas Weiteres zu ihr sagte, legte sie plötzlich ihre Lippen auf meine und küsste mich mitten im Korridor unserer Schule. Ich war so erstarrt, dass ich einfach in der Position verharrte und sie machen ließ. Wie aus dem Nichts erschien Ginny vor meinem inneren Augen, seine vollen Lippen, seine leichte Stupsnase, seine großen Augen. Verzweifelt presste ich meine Lider zusammen, bis ich Sternchen sah.

Padme schien von alle dem nichts bemerkt zu haben, sie lächelte mich breit an, als sie sich von mir löste.

Damit wusste jetzt immerhin jeder, das wir was miteinander hatten. Erleichtert lächelte ich zurück und ein weiterer Kuss von der schönen Dunkelhäutigen folgte. Sie ließ erst von mir ab, als die Schulglocke ging, lächelte wie die Sonne und hauchte mir noch einen Abschiedskuss auf die Wange. Benommen blickte ich mich um - einige der anderen Schüler schauten zu uns und hatten dabei angefangen zu tuscheln. Doch eine Person, stand wie versteinert keine fünf Meter von mir entfernt und starrte mir mit aufgerissenen Augen entgegen. Gin.

Gut so, dachte ich nur, das wird dich hoffentlich davon abhalten, mir je wieder so nahe zu kommen!

The Boy Next Door - Marcus Baker FF // BoyxBoy ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt