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Die Sonnenstrahlen kitzelten mein Gesicht und ich wachte in dem großen, gemütlichen Bett auf. Am liebsten würde ich die gesamte Zeit nur in diesem Bett absitzen, doch was muss, das muss. Vor meinem Bett stand ein Standspiegel und ich erschrak erst mal, als ich mich darin sah: gestern Abend habe ich es nicht einmal fertig bekommen, meinen Dutt heraus zumachen, tiefe Augenringe und erstaunlicher Weise hatte ich noch immer die selben Klamotten an, wie gestern. Das war typisch Ich. Abends grundlos aufbleiben und sich dann früh über sich selbst aufregen. Ich ging also duschen, zog mir frische neue Klamotten an und machte mir mein Frühstück. Müsli. Ich esse es fast jeden Tag und habe doch nie genug davon. Theoretisch bin ich jetzt hier in der Stadt gemeldet und würde auch meine Zeitung und Post (eher weniger) bekommen. In der Zeitung stehen bestimmt ein paar Stellenanzeigen. In Socken tippelte ich also die Treppen hinunter bis in den Flur mit den Briefkästen. Ich kam genau zur selben Zeit wie der Briefträger. Er begrüßte mich freundlich mit "Hyvää huomenta!" Ich habe ja schon ein paar Vokabeln gelernt, die man wahrscheinlich im Umgang braucht und verstand daraus 'Gute Morgen'. Ich war so stolz auf mich und antwortete gelassen mit "Hei" Er lächelte und zeigte auf einen Briefumschlag "ne ovat uuden osoitteen täällä?" ...das war dann allerdings zu viel des Guten und ich konnte nur einen verdutzten Gesichtsausdruck mit "Sorry, I'm from Germany. I'm here only for a while." erwidern. "Sorry, my english isn't that good." ich nickte nur freundlich ab und er gab mir einen Briefumschlag und die Zeitung. Ich ging wieder nach oben, den Blick die ganze Zeit auf den Brief gerichtet. Er war komplett auf finnisch und ich warf ihn gleich in den Mülleimer, der hier im Hausflur stand und betrat meine Wohnung. War sicher nichts wichtiges, denn es war nichts zum Ausfüllen dabei. Die Zeitung interessierte mich schon viel mehr. Ich suchte nur die Doppelseite mit den vielen kleingedruckten Abschnitten. Jeden einzelnen Job gab ich bei Google Übersetzer ein und meinem Gesichtsausdruck zu urteilen, sah es noch nicht so gut aus, als ich bei der Hälfte der letzten Spalte angekam. Es soll kein großer Job sein, aber auch nicht Altenpfleger oder Immobilenkauffrau. Nur ein kleiner Job, bei dem man nicht sehr viel kommunizieren muss. Der vorletzte Artikel ließ mein Gesicht wieder aufhellen. Ein Kaffee wäre genau das richtige. Ich muss doch eigentlich nur die Speisekarte auswendig lernen, noch ein paar höfliche Umgangsformen dazu und das wär's. Eigentlich perfekt für die 2 Monate. Meine Schule hat uns allen versichert, dass uns die Chefs auch auf jeden Fall annehmen werden, wenn wir es ihnen richtig vermitteln. Na dann bin ich ja mal gespannt. Ich schaute mir im Internet noch an, wie weit der Laden von meiner Wohnung entfernt lag und dazu die passende Busverbinung. Mit den ordentlichsten Sachen die ich mitgenommen habe, stand ich also an der Bushaltestelle keine 100m von meinem Haus entfernt und überlegte, wie ich mich vorstellen könnte, wie ich einen netten Eindruck mache und so weiter. Ich habe mich ja schließlich noch nie beworben und jetzt gleich auf englisch in einem anderen Land?! Im Bus bestellte ich mir mühevoll eine Monatskarte. Bis ich verstanden habe, was der gute Busfahrer von mir wollte, müssen ewig viele Minuten vergangen sein und der Bus hat wegen mir jetzt bestimmt viel Verspätung. Die anderen Fahrgäste fingen schon an zu stöhnen und die, die es ganz eilig hatten, schauten immer wieder auf ihre Armbanduhren. Immerhin wären sie in Deutschland schon längst ausgestiegen und wären fluchend zu ihrem Ziel gelaufen. Da ich sie hier sowieso nie wieder sehen werde, habe ich freundlich gelächelt, als ich durch den schmalen Gang lief und jeder, den ich hinter mir gelassen hatte, wurde sofort aus meinem Gedächtnis gelöscht. 13min saß ich im Bus und stieg dann an der  'Pohjoisesplanadi' aus. Direkt vor mir lag ein kleines schönes Kaffee, das reichlich Besucher hatte. Hier wollte ich arbeiten und nirgendwo anders!

Das Bewerbungsgespräch war extrem schwer und neu für mich. Ich verstand den Mann zwar gut, aber ich war nicht so auf die spontanen Fragen vorbereitet. Der Mann wusste dann, dass ich eigentlich noch zur Schule gehe und hatte schon Zweifel, dass er dann Kinderarbeit begehen würde, aber als ich ihm alles freundlich geschildert habe, hat er mir die Hand gereicht und mich mit der Bedingung, dass ich so schnell wie möglich den nötigen Sprachschatz für diesen Bereich lerne, eingestellt. Ich habe sogar schon meinen ersten Auftrag bekommen. Ist zwar etwas Privates und nichts Geschäftliches, aber er hat mir dafür auch einen kleinen Geldpreis versprochen. Ich soll einfach nur einen Koffer mit Becken für ein Schlagzeug zu einer Musikproduktionsfirma bringen. Wird schon nichts so schwer sein und kann ja nur schiefgehen. Momentan muss ich leider alles für ein bisschen Kohle machen. Das ist sonst nicht meine Art, aber ich hasse es, immer nur knapp um die Runden zukommen. Mit meiner supertollen Monatskarte komme ich ja schließlich durch ganz Helsinki. Es ist erst Mittag, ich habe leider überhaupt keinen Hunger, da einer der Mitarbeiter wohl heute Geburtstag hatte und eine Runde Kuchen ausgegeben hat, habe ich gleich eins mit 'abgesahnt', obwohl ich erst später mitbekommen habe, dass 'Hyvää syntymäpäivää!'Alles Gute zum Geburtstag heißt. Ich möchte natürlich einen guten EIndruck hinterlassen, und machte mich sofort auf den Weg. Nein, ich brauchte nur das Geld.

Protect me! -Samu Haber FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt