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Die Entspannung und Zweisamkeit verflog sofort, als wir uns am nächsten Morgen daran erinnern mussten, dass heute Mittwoch ist, was hieße, dass wir arbeiten mussten. Die Überwindung, aus dem warmen Bett zu steigen und sich aus der Umarmung zu lösen, fiel Samu zwar auch nicht besonders leicht, doch freute er sich dann. Er liebte seinen Job -verständlicher Weise- wirklich sehr. Wir haten eine kurze Stressphase in der wir uns fertig machen und essen mussten, doch als wir dann im Auto saßen, lockerte sich die Stimmung wieder. 'I don't dance' lief im Radio und Samu wurde es etwas peinlich. Er wollte umschalten, doch ich hielt seine Hand auf. "Wieso? Lass es doch." sagte ich gelassen. Er sagte nichts und konzentrierte sich auf den Verkehr. Ich sitze mit dem Sänger dieser Band in einem Auto und er streichelt meine Hand. Wie ist das möglich? Ich bin so normal, womit habe ich das verdient? Ich habe ja schon oft darüber nachgedacht, aber das ist wohl der Zustand, in dem es mir am meisten bewusst wurde. Ich konnte der Situation nicht entkommen, denn ich war gefangen in diesem Auto und habe ihn gerade gebten, nicht wegzuschalten. Mir blieb nichts anderes übrig. Die Bäume eines Parkes zogen an uns vorbei und ich musste blinzeln und wurde aus meinen Gedanken gerissen, als die Baumreihe plötzlich endete und eine Einkauspassage begann. Dieser Blick war nicht mehr so schön, weshalb ich meinen Kopf nach links drehte um den Erzeuger dieser Stimme, die aus dem Radio kam, anzusehen. "You look annoyed." Ich war noch nicht vollkommen aus meinen Gedanken gerissen, doch jetzt schon. "Nein, es klingt so schön. Ich wünschte, ich hätte es auch live gehört." "Yeah, me too. But that wasn't your tought. Tell me." Nein, ich werde ihm nicht erzählen, dass mir gerade bewusst wurde, dass das mit uns nicht mehr lange so weiter gehen kann. Wahrscheinlich war es gut, dass ich nicht noch mehr Konzerte gesehen habe. Wenn ich ehrlich in, hat mir dieses eine mit all seinen Verehrerinnen gereicht. Doch Eifersucht war nur ein Teil des Gesamtpakets. Es ist einfach nicht möglich. Ich sagte nichts und er wurde etwas beleidigt. Als Samu das Auto auf dem Parkplatz zum Stehen brachte und den Motor ausschaltete, war es so ruhig. Zu ruhig. Ich hatte das Gefühl etwas sagen zu müssen, doch das müsste die Antwort sein. Denn wir hatten die restliche Autofahrt geschwiegen. Er versuchte es noch einmal: "Why are you so quiet now? I think you don't trust me." O ha, das hat gesessen. Er denkt, ich vertraue ihm nicht, doch dabei ist er der einzige Mensch, dem ich bereit wäre, alles zu sagen. Außer diese Sache eben. Ich schaute auf die Uhr, die noch auf dem Bildschirms erleuchtete. "Wir sind schon zu spät. Komm." Ich drehte sein Gesicht zu mir und küsste ihn kurz. Dann stieg ich aus. Er blieb noch einen Moment sitzen und folgte mir dann durch die Glastür ins Studio. Er grüßte den unfreundlichen Mann, doch ich ging hoch erhobenen Hauptes an ihm vorbei, die Treppe nach oben zu Jukkas Tür. "You will come with me in the afternoon." Dieser Satz ließ mich erschaudern, weil er so eiskalt, dominant und ernst war, wie ich noch nie nur ein einziges Wort aus seinem Mund gehört hatte. Mir blieb keine Zeit zum Antworten, da er die Klinke schon herunter gerdrückt hat und eintrat. Sie begrüßten sich angespannt, da wir erstens zu spät waren und zweitens der gestrige Abend in der Bar noch in der Luft lag. Ich fühlte mich auf einmal fehl am Platz, als mich die Jungs ebenfalls nur flüchtig begrüßten. Jukka und Sami waren zurückgekehrt. Jukka ging an Krücken, doch Sami saß im Rollstuhl. Sie sind gestern Abend, bevor wir uns in der BAr getroffen haben, zurück gekommen. Ich drufte ihnen nicht sehr lange zuhören, da Mikko mich beauftragte, zu einem Radiosender zufahren und eine Bestätigung für ein Interview von Samu und Riku abzugeben. Er nannte mir den Namen der Straße und gab mir einen Briefumschlag. Ohne ein weiteres Wort, wendete er sich von mir ab. Er muss wirklich sauer auf mich sein. Seit 2 Monaten war ich stolzer Besitzer eines Führerscheins. Obwohl man mit 17 eigentlich nur mit Begleitung fahren durfte, überließ Mikko mir die Autoschlüssel für den VW-Bus. Geschickt rollte ich aus der Ausfahrt heraus und befand mich sofort im Verkehr einer Schnellstraße. Das Navi verriet mir, dass sich mein Ziel 23km entfernt befand. Ich konnte nun wirklich keinen Gedanken mehr an Samu verlieren, denn ich fühlte mich ziemlich unsicher hinter dem Steuer. Letztendlich kam ich dann aber doch an einem großen gläsernen Bürogebäude an. Unten an der Eingangstür hingen Schilder an der Wand, die mich in den 8. Stock wiesen. Der Fahrstuhl gab ein Klingeln von sich und die Tür öffnete sich daraufhin. An einer weißen Tür klebte ein Aufkleber mit finnischen Wörtern, doch daneben waren Kopfhörer und eine Note abgebildet. Ich war also richtig und klopfte an, doch bekam ein "vuonna." zuhören. Was bedeutet das jetzt? 'Herein' oder 'Jetzt nicht' ? Selbstbewusst drückte ich die Klinke nach unten und betrat einen hellen Gang, von dem viele Räume abgingen. So wie eine große Wohnung. Eine Frau lächelte mir freundlich zu und das war wohl das Zeichen, dass ich mich bei ihr zu melden habe. "Hello, I want to hand in the confirmation for the interview by Samu and Riku of Sunrise Avenue. I'll bring it in representation for Mik...-" "Oh well!" unterbrach mich die Frau hinter dem Tisch aufgeschreckt. Ich war verwundert, weshalb ich ihr nur noch den Brief zuschob. "Beautiful greetings and we are looking forward!" Wieder lächelte sie extrem und ich verabschiedete mich. Ich drehte mich, wollte loslaufen, doch stoppte sofort, als ein Mann mit Headset an mir vorbei rannte und irgendetwas schrie, ohne mich zu beachten. Die Leute hier sind unheimlich. Ich war beruhigt, als ich wieder für mich alleine im Auto saß. Mikko hat es mir zwar nicht gesagt, doch mittlerweile war es schon 13:00 Uhr und die Jungs haben sicher noch nichts gegessen. Ich kaufte für alle ein Schnitzelbrötchen bei einem Fleischer und machte mich dann wieder auf den Weg zu meinem Arbeitsplatz. Ich hörte gleich, dass sie noch voll im Einsatz waren, als ich die 'Wohnung' betrat. Ich setzte mich leise auf das Sofa und bereitete das Essen vor. Jukka drehte sich zu mir und wechselte seinen Blick zwischen den Brötchen und mir. "Okay okay, that's enough, men." Er fuchtelte mit seinen Armen herum, weil die Jungs ihn durch die Scheibe nicht gut verstehen konnten. Sie kamen heraus und setzten sich gleich alle um den Tisch. "Where's Mikko?" "He had to do something." "But I had the car?" "The poor man." sagte Sami ironisch. Es erstaunte mich, dass er plötzlich so gut drauf war. Auch die anderen rissen ein paar Witze und es war längst nicht mehr so angespannt wie vorhin.

Protect me! -Samu Haber FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt