Ich setzte mich auf den Beifahrersitz, zog die Tür zu und schnallte mich an, als Sam auch schon los fuhr. Mit ihm wieder Schluss zu machen, kaum dass unser gemeinsamer Traum begonnen hatte, war das Schlimmste, was ich jemals tun musste. Ich hatte den Schock in seinen Augen gesehen, seine Ratlosigkeit wahrgenommen und seine Verzweiflung gespürt, als wäre es meine eigene. Ich war ja selbst verzweifelt, aber was hätte ich anderes tun sollen?
Noch auf meinem Sprint zur Wache, war mir bewusst geworden, dass ich gar nicht weit genug weg sein wollte. Wenn ich schon alles aufgeben musste, was mir wichtig war, dann wollte ich es auch richtig machen. Boyce hatte mir einmal eine leitende Stelle in Newtown angeboten, die meines Wissens immer noch unbesetzt war. Ich würde mich so schnell wie möglich dorthin versetzen lassen. Dann hatte Ben bekommen, was er wollte - das ich nicht mehr mit Sam zusammen war. Auch wenn die Bedingung nicht erfüllt sein würde, dass ich Ben's Freundin würde, würde er sich darauf einlassen müssen, denn Ben war und blieb ein No-Go für mich, besonders jetzt. Sam würde sicher sein, das war die Hauptsache und ich würde auch Ben entkommen. Es gab nur einen anderen Weg, der leichter gewesen wäre - mein Tod.
Als ich aufschaute, fuhr Sam um die Ecke und das brennende Boot von Sam's Eltern ließ mich schockiert aufkeuchen. Dessen Heck stand bereits vollkommen in Flammen und fraß sich unaufhaltsam weiter. Das war sicher auch wieder Ben's Werk. Schnell zückte ich mein Handy und schrieb im Zorn eine kurze Nachricht, ehe ich es wieder wegsteckte, als Sam sprach.
"Wir machen es, wie gestern. Arnold, du gehst aber mit mir rein. Penny, du übernimmst die Überwachung", befahl Sam uns nun, ehe er sich dem Funk widmete."Elli, Elvis, ihr baut den Angriff auf und löscht vom Kai aus. Ben, wo bleibst du mit Titan? Hast du keine Augen im Kopf?" Er hielt Jupiter an und ich sprang aus dem Fahrzeug. Ich würde sicher nicht am Kai bleiben und zusehen, während zwei mir sehr lieb gewordene Menschen dort in Gefahr waren.
"Bleib mal geschmeidig, Meister. Bin ja schon da", hörte ich Ben sarkastisch über Funk antworten und mir drehte sich nur dank seiner Stimme erneut der Magen um, als ich die Klappe des Staufaches der Atemgeräte hochrollte. Ich atmete einmal tief durch, ehe ich merkte, das ich von beiden Seiten flankiert wurde. Ich schaute zu Arnold, dann zu Sam, der mich skeptisch ansah, bevor ich beherzt nach meiner Atemschutzausrüstung griff und mir in einer fließenden Bewegung aufzog.
"Was soll das, Penny? Ich habe gesagt, Arnold geht mit rein!"
"Geht er nicht. Ich gehe." Ich zog die Gurte nach und setzte mir die Maske auf, während er sich seine Ausrüstung raus holte.
"Du handelst gegen meine Order. Ich..."
"Verdammt Sam, willst du das jetzt wirklich diskutieren? Ich würde jetzt gerne deine Eltern da raus holen!", unterbrach ich ihn arg. Merkte er nicht, dass uns die Zeit weglief? Ich übergab Arnold meine Überwachungskarte und als Sam nickte, öffnete ich die Luftzufuhr und rannte los, spürte Sam nur einen Moment später hinter mir.
Wir betraten das Boot und ich ging zielstrebig unter Deck. Es war alles verraucht und ich hörte trotz dem lauten Zischen beim Atmen, das Knistern des Feuers und nur einen kurzen Moment später Padrig husten. Ich orientierte mich an dem Geräusch und schnell konnte ich ihn am Boden liegend erkennen, betete insgeheim, dass es ihm gut gehen möge.
Als ich realisierte, dass er in einem Schrank wühlte, atmete ich erleichtert durch und ging neben ihm in die Hocke.
"Padrig, komm! Ich bringe dich raus."
"Brauche Urkunden... Hochzeit... Geburt...Hier drin!", erwiderte er von Hustenkrämpfen geschüttelt.
"Dad, die sind ersetzbar. Geh jetzt. Ich suche Mum", wandte Sam nun ein und zog seinen Vater auf die Beine. Ich sah einen Moment in den Schrank und entdeckte ein kleines Buch, das mir stark nach dem aussah, was er suchte und packte es, um es Padrig in die Hand zu drücken, ehe ich mir seinen anderen Arm um die Schultern legte und ihn nach draußen führte.
Es war nicht leicht, einen hustenden und taumelnden Mann mit solch einer kräftigen Statur hinaus zu schaffen, doch wir erreichten den Kai und Padrig riss mich dort mit auf die Knie. Sofort war Helen an seiner Seite und setzte ihm eine Sauerstoffmaske auf. Erleichtert atmete er durch und setzte sich auf das Pflaster.
"Wo ist Sam?", schnaufte er nun.
"Er ist noch im Boot. Er sucht Jenni."
"Hol ihn sofort da raus Kleines. Da ist niemand mehr drin. Sie war noch nicht da."
"Sam, bitte melden, Sam?", rief ich nun ins Funkgerät, doch es tat sich nichts. Ob Ben wohl den Funk blockierte?Konnte er mir nicht ein wenig Zeit lassen, um alles zu regeln?"Sam, bitte melde dich! Das Boot ist leer. Hast du mich verstanden?" Doch es kam wieder keine Antwort, dafür ergriff Padrig meinen Arm und ich schaute in seine panischen Augen.
"Die Treibstofftanks unter dem Wohnbereich sind randvoll. Wenn die Hitze sie erreicht, werden sie explodieren. Bitte, hol ihn da raus, Kleines!", flehte er mich nun an und ich nickte nur und rannte zurück auf's Boot, während ich meinen Kollegen über Funk durchgab, den Kai zu räumen.
Das Löschwasser war bereits über die Treppe ins Unterdeck gelaufen und ich schlidderte die Treppe hinunter, konnte mich unten aber am Geländer fangen und richtete mich wieder auf. Ich rannte den Gang entlang und fand Sam im hinteren Wohnbereich, als er grade eine Tür eintrat.
"Sam, hier ist niemand mehr."
"Mein Vater sagte, dass meine Mutter kommen wollte."
"Sie ist noch nicht da gewesen. Komm jetzt." Ich ergriff seine Hand und wollte mit ihm zurück zur Treppe, als im Flur das Oberdeck herabstürzte und uns die Flammen mannshoch entgegenschlugen. Ich vernahm ein Zischen, das anders klang, als unsere Atemschutzgeräte, und hielt skeptisch inne, zog mir einen Handschuh aus und legte diese auf den Boden vor meinen Füßen. Er war heiß und nun wo ich hockte, dem Boden näher war, wurde das Zischen auch lauter."Wir müssen hier raus!"
"Na dann, ab durch die Mitte", erwiderte Sam und wollte mich mit sich durch den mit brennenden Trümmern belegten Flur ziehen, als ich ihn stoppte.
"Das dauert zu lange. Die Tanks können jeden Moment explodieren." Ich zog meine Axt aus dem Gürtel und schlug das breite Fenster mit zwei gezielten Schlägen ein, dass zum Heck hinaus zeigte."Bereit?"
"Bereit, wenn du es bist, Engelchen", erwiderte er und ich schaute ihn überrascht an, doch er schien in Gedanken, denn sein Blick blieb ernst auf das Fenster gerichtet und als er losrannte, setzte ich mich ebenfalls sofort in Bewegung, riss im Sprung, wie Sam, die Arme vor's Gesicht um es vor Splittern zu schützen. Einen Moment später sprangen wir durch das Fenster und landeten im Wasser. Sofort zog uns das Gewicht unserer Ausrüstung nach unten, doch wir mussten uns sowieso darauf konzentrieren weit weg zu kommen und nicht nach oben, also begannen wir zu schwimmen. Wir waren allerdings noch keine fünf Schwimmzüge weit gekommen, als das Boot hinter uns explodierte. Die Druckwelle erreichte uns zuerst und wirbelte uns herum und mir den Helm vom Kopf. Nun drang auch Wasser in meine Atemschutzmaske ein und ich nahm noch einen letzten tiefen Zug. Einen Moment später nahm ich wahr, dass etwas im Wasser auf mich zuschoss und ich hob instinktiv schützend die Arme, doch es erwischte mich mit aller Gewalt und schlug mir vor den ungeschützten Kopf. Ich nahm den Schmerz noch wahr, als ich mich darauf zu konzentrieren versuchte, bloß nicht nach Luft zu schnappen, während alles um mich herum verschwamm. Wo war nur Sam? War er wenigstens heil davon gekommen? Wenn ich schon den leichteren Weg gehen musste, wäre ich wenigstens froh zu wissen, dass Sam sicher war.
Ich spürte noch, dass ich Auftrieb bekam - oder schwebte meine Seele bereits davon? Dann wurde alles schwarz.
Fortsetzung folgt...
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Ein schönes, falsches Spiel
Fiksi PenggemarSam's Eltern kommen zu Besuch und er findet sich in einer Zwickmühle wieder, die er sich selbst eingebrockt hat. Er weiß, nur die Wahrheit kann ihn retten und doch kommt unverhofft Hilfe, der er nicht widerstehen kann. Macht das alles besser oder vi...