Lächelnd schlürfte ich in mein Zimmer und ließ mich auf den zweiten Stuhl, der am Tisch stand, fallen. Chris hatte mich kaum bemerkt, weswegen ich kurz mit meinen Füßen gegen sein Bein trat. Erschrocken zuckte er zusammen.
''An was denkst du?'', fragte ich neugierig. Ich hatte mir ebenfalls vorgenommen, dass ich alles hinterfragen würde. Oft fand man ja auch durch solche Dinge heraus, was für ein Mensch man eigentlich war.
''An nichts.'', antwortete er, woraufhin ich zweifelnd eine Augenbraue hob. Das glaubte ich ihm nicht. Wenn ein Mensch so tief in Gedanken ist, dass er kaum mehr was mitbekommt, müsste man doch nachdenken, oder?
Ich richtete meinen Blick auf den Tisch. Dann musste wohl eine andere Frage her. Eine Frage, die mich die letzten Tage sowieso ziemlich interessiert hatte. ''Wieso warst du die letzten Wochen so wenig hier?'' Ich klang anders, als ich vorhatte. Irgendwie verletzt.
Die Änderung meiner Stimmlage schien auch Chris aufgefallen zu sein. In seinem Blick lag ein Funken von Überraschung, der aber sofort wieder verschwand. Langsam kamen mir Zweifel auf. Er war so anders. Bei seinem ersten Besuch war er so aufgeschlossen, hat versucht meine Erinnerungen zu wecken. Und jetzt? Er war verschlossen, kalt und abwesend. Wollte ich die Antwort auf meine Frage überhaupt noch wissen? War es nicht besser, wenn ich erst langsam, Schritt für Schritt alles erfahre?
''Nein, sag's mir nicht...'' Ich schüttelte heftige mit dem Kopf und stand vom Stuhl auf. ''Geht mich ja auch nichts an, ist okay.'' Es wäre wirklich besser, wenn ich nicht so viel Fragen würde. Jedenfalls nicht hier. Hier würde er mir eh nichts sagen.
''Ich kann dir das gerne erklären.''
''Nö, ist gut, musst du nicht. Wirklich nicht. Bin zu neugierig. Tut mir lei-''
''Hast du dir in den Tagen, in denen du hier bist, überhaupt einmal die Nachrichten angeschaut?'' Er unterbrach mich und grinste dabei.
''Was?'' Noch mehr Verwirrung breitete sich in mir aus. Lenkte er gerade wirklich davon ab? Will der mich verarschen? Ich meine, er musste mir das echt nicht erklären, aber ablenken? Er konnte mir auch einfach sagen, dass es mich nichts angehe.
Immer noch grinsend achtete er auf meine Reaktion. ''Du hast mich schon verstanden.''
Ja, ich hatte ihn verstanden. Aber was sollte mir das bringen? Als ob es mich jetzt interessierte, was irgendwo auf der Welt los war. Mein Leben war zur Zeit eine Katastrophe, um die ich mir viel mehr Sorgen machte. ''Mich interessieren doch keine Nachrichten?'', antwortete ich und ließ mich auf das Krankenhausbett fallen, auf dem immer noch mein halb gepackter Koffer lag.
''Ich weiß.'' Chris griff nach der Fernbedienung und legte sie neben mich, ehe er sich auf den Weg zur Tür machte. ''Aber vielleicht würde es dir diese Frage beantworten.'', meinte er noch, bevor er aus meinem Zimmer verschwand.
Ich war wieder allein in diesem kleinen, weißen Krankenhauszimmer. Nur die Schritte von Besuchern oder den Schwestern auf dem Flur konnte ich hören, sonst herrschte stille. Meine Gedanken sprangen von Neugierde zu Angst, immer wieder, in kürzester Zeit. Klar würde ich gerne wissen, was Chris mit den Nachrichten meinte, auf der anderen Seite wollte ich mich schützen. Was, wenn sie dort irgendwas sagen oder zeigen, was mir den Boden völlig unter meinen Füßen wegriss? Sollte ich dieses Risiko eingehen, oder eher nicht?
In Gedanken versunken stand ich wieder von meinem Bett auf und ging in das kleine Bad. Meine Mutter hatte mir etwas Schminke mitgebracht, falls ich hier mal kurz raus gehen wollte. Heute war es soweit. Ich wollte nach draußen, in den Park oder so. Dorthin, wo ich so weit wie möglich von dem Fernseher entfernt war. Ich würde dieses Gerät nicht einschalten. Die Angst in mir war zu groß.
Ich griff nach drei Teilen, die mir nützlich erschienen. Wimperntusche, Concealer und ein Eyeliner, stand dort in klein. Irgendwie schaffte ich es, mir das in mein Gesicht zu schmieren, dass es einigermaßen gut aussah. Hoffentlich setzte ich die unbekannten Teile nicht irgendwie falsch ein. Nicht, dass ich mir etwas für die Lippen auf meine Augen schmierte. Würde etwas peinlich werden. Aber ich war ganz zufrieden mit dem Ergebnis, ich dachte es würde nicht auffallen, wenn ich irgendwas falsch verwendet hatte.
Zufrieden verließ ich mein Badezimmer und macht mich auf den Weg zu meinen fast fertig gepackten Koffern. Ich griff nach dem ersten Pullover. Ein Wollpullover in einem hellen pink. So was zog ich an? Wirklich? Skeptisch kramte ich nach einer Hose und schlüpfte schnell in beide Teile.
Jetzt blieb nur noch die Frage, wo ich hingehen könnte, ohne mich zu verlaufen. Soll ich irgendjemanden anrufen? Ja, ich glaube das wäre eine gute Lösung. Meinen Bruder vielleicht. Ich würde gerne wieder etwas Zeit mit ihm verbringen.
Ich griff nach dem Hörer des alten Krankenhaustelefons und kramte mit meiner freien Hand nach einem kleinen Notizbuch. Mein Bruder, Nicolas, hatte mir dort seine Handynummer drauf geschrieben. Er war der einzige meiner Familie, der bedacht hatte, dass ich mein Handy nicht zur Hand hatte und somit all meine Kontakte nicht abrufen konnte.
Mit etwas zittrigen Fingern tippte ich die Zahlenfolge ein und drückte mir den Hörer gegen mein Ohr. Hoffentlich hatte er Zeit. Ich musste aus diesem Zimmer raus. Mein Blick wanderte erneut zu dem Fernseher. Ich wollte nicht wissen, was Chris meinte. Er sollte mir das irgendwann selber sagen. Dann, wenn es mir besser ginge.
''Hallo?'' Die etwas verwirrte Stimme meines Bruder war zu hören.
''Ja, Hi Nicolas. Ich bins, Hannah.''
''Hannah? Geht's dir gut? Ist was passiert?'' Panisch schrie er, weswegen ich den Hörer etwas von meinem Ohr weghielt und anfing zu lachen.
''Nein, beruhig dich. Ich wollte nur fragen, ob du vielleicht Zeit für deine Schwester hast? Ich muss an die frische Luft.'', antwortete ich und nahm ein erleichtertes Seufzen von der anderen Seite der Leitung war.
''Ich bin in 20 Minuten bei dir.'' Mit diesen Worten lag er auf.
20 Minuten? Wieso musste das so lange dauern? Schmollend legte ich den Hörer wieder auf seinen vorgesehenen Platz. In diesen 20 Minuten musste ich mich ablenken, sonst würde ich schon aus lauter Langeweile den Fernseher anmachen.
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Lost Memories
FanfictionAlles ist schwarz. Still. Das einzige Geräusch, das mich umgibt, ist das ständige piepen. Ich versuchte mich zu bewegen, meine Augen zu öffnen, doch meine Sicht veränderte sich nicht. Immer noch schwarz. Dunkelheit. Kein Lichtblick von nirgendwo. W...