Kapitel 3

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''Ähm... Moment. Könnten Sie nicht einmal eine Ausnahme machen?'' Unsicher meldete ich mich nun zu Wort und wünschte, dass wieder zurück ziehen zu können, denn ich war mir nicht mehr sicher, ob ich hier das Richtige tat.

''Erinnern Sie sich an ihn?'', fragte mich die Schwester, deren Namen ich nicht aussprechen konnte. Afrikanischer Abstammung, erzählte sie mal.

''I-Ich denke schon?'', antwortete ich. Auch wenn ich versuchte, so sicher wie möglich zu klingen, war meine Aussage doch eher eine Frage. Ich war wohl kein guter Lügner.

Ich wendete meinen Blick von der Schwester ab und schaute zu dem jungen Mann. Es war das erste Gesicht, dass lächelte, nachdem ich mit ihm geredet hatte. Er glaubte mir.

''Also gut.'' Seufzend legte sie ihren Kugelschreiber auf meinen Nachttisch. ''Ich werde eine Ausnahme machen, aber lassen Sie sich nicht erwischen.'' Mahnend schaute sie ihn an, ehe sie mich anlächelte. Ich hatte sie die letzten Tage noch nie so nett erlebt.

Ohne uns noch einmal einen Blick zu zuwerfen, verschwand sie aus dem Raum und schloss die Tür hinter sich. Ich war mit ihm allein. Beging ich gerade einen Fehler?

Nervös spielte ich mit meinen Fingern. Ich schaute diesen jungen Mann nicht an, denn ich schämte mich. Ich schämte mich dafür, dass ich gelogen hatte. Mein schlechtes Gewissen schnürte mir meinen Hals zu. Warum wusste ich nicht. Eine Notlüge war doch in unserer Gesellschaft keine Ausnahme mehr.

''Du weißt also noch, wer ich bin?'', fragte er. Ich schaute das erste Mal auf und beobachtete, wie er sich einen Stuhl nahm und setzte. Ich hatte keine andere Wahl als in dieser Lügen-Masche drin zu bleiben, oder? Sollte ich doch noch die Wahrheit sagen?

''Ja... Also nein, oder doch?'' Ich knabberte an meiner Unterlippe und beobachtete, wie sich der Gesichtsausdruck des jungen Mannes zu einem großen Fragezeichen verzog. ''Also, das heißt: Du kommst mir bekannt vor und ähm... ja. Ich kenne aber deinen Namen nicht und weiß nicht, was du mit mir zu tun hast.'' Ich schluckte kurz und wendete meinen Blick von ihm ab. ''Tut mir leid...''

Ich hatte mal wieder jemanden enttäuscht. Ungewollt stiegen mir die Tränen in die Augen. Was war denn das für ein Leben? Wie sollte das bitte weitergehen?

Ich hörte ein leises seufzend. ''Ich wusste es.'', flüsterte er. Ein leises knarren des Stuhles verriet mir, dass er aufgestanden war. Er kam auf mich zu und kramte nach seinem Handy, ehe er sich auf die Kante meines Bettes setzte. Mir war etwas unwohl bei der plötzlichen Nähe, weswegen ich etwas weiter weg rutschte.

''Das Bild.'' Ein kleines Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht, bevor er mir sein Handy vor die Nase hielt. ''Wurde gemacht, als wir im Urlaub waren. Du bekamst davon nichts mit, hast dich aber im Nachhinein richtig darüber gefreut.''

Es zeigte nicht viel. Man sah mich von der Seite, die glücklich lachte und den jungen Mann beobachtete, der scheinbar irgendwas witziges am Erzählen war. Ich schätzte, dass das Bild in irgendeinem Restaurant gemacht worden war. Wir beide sahen ziemlich glücklich aus, aber dennoch vielen mir nicht einmal einzelne Fetzen zu diesem Bild ein. Nichts. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, dass ich dieses Mädchen auf dem Bild war.

Verwirrt schaute ich dem jungen Mann in die Augen. Hoffnung lag in seinem Blick, die allerdings schnell wieder verschwand, als er bemerkte, dass ich nichts verstand.

''Das war im Sommer. Ein paar Stunden vor deinem Geburtstag. Fällt dir nichts mehr ein?'' Ich musste den Kopf schütteln.

''Es tut mir leid...'' Ich legte meine Hand auf seine, denn irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er mir damals verdammt wichtig gewesen war. ''A-Aber ich werde versuchen mich schnellst möglich daran zu erinnern. Ich versprech' es dir.''

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