Kapitel 19

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Fassungslos ließ ich mir die Worte durch den Kopf gehen. Immer und immer wieder. Wie konnte ich so verantwortungslos sein? Ich würde so etwas nie wieder tun. Dagegen sprach definitiv, dass ich mir die letzten Tage ziemlich vorsichtig vorkam. Vielleicht auch durch diesen Unfall.

''Wieso?'' Dies war meine einzige Frage. Vielleicht konnte er mir ja noch irgendwelche Hintergründe zu diesem Ereignis erklären. Vielleicht wurden ihm noch einige Sachen erzählt.

Immer noch lag sein Blick auf mir. Ich hatte das Gefühl er würde mich durchschauen, so, als wüsste er, welche Gedanken und Gefühle in mir vorgingen. ''Ich weiß nicht.'', antwortete er. Ich bildete mir ein einen Hauch von Verzweiflung in seiner Stimme auszumachen. ''Du hattest es irgendwie nie so mit Vorschriften, frag mich nicht warum. Wenn du irgendwas kurz besorgen wolltest, hast du dich eigentlich fast nie angeschnallt. Außer ich saß neben dir.'' Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht. ''Du wolltest mir immer beweisen, wie vorbildlich du bist. Allerdings wusste ich schon immer, dass du dich nicht an Regeln halten kannst. Egal wie oft ich dir gesagt hatte, dass es verdammt gefährlich war: Es hat dich eher wenig interessiert.''

Ich hörte ihm bei seiner Rede gespannt zu und saugte die Informationen wie ein Schwamm in mich auf. Immer noch hatte ich das Gefühl, dass er von einem völlig fremden Mädchen redete, aber ich konnte mich mit dieser jungen Frau identifizieren. Sie war mir so nahe und doch wieder so fern.

''Kannst du mir auch was von mir erzählen? Wie ich so drauf war oder mit wem ich wie viel Zeit verbracht habe? Vielleicht kann ich mich ja doch an etwas erinnern.'' Ich wollte die Hoffnung nicht aufgeben. An mein Leben von vor 2 Jahren konnte ich mich schließlich auch erinnern. Allerdings einzig und allein nur an Tim.

Als ich dieses Mal seinen Blick einfing, war das glänzen aus seinen Augen verschwunden. Er schien enttäuscht und verletzt zu sein. Wahrscheinlich weil ich mich ebenfalls nicht an ihn erinnern konnte, obwohl wir wohl gut befreundet waren. ''Zuerst musst du mir eine Frage beantworten.''

Meine Augen wurden größer und ich hatte das Gefühl, dass man ein großes, rotes Fragezeichen über meinem Kopf wahrnehmen konnte. Er wollte ernsthaft mir eine Frage stellen? Obwohl er wusste, dass ich mich an absolut null erinnerte? ''Okay?'', antwortete ich verwirrt.

Kurz darauf bemerkte ich zum ersten Mal, dass Chris unsicher und schüchtern war. Er saß dort und suchte nach den passenden Worten, ehe er kurz tief ein und ausatmete und seinen Blick auf den Tisch vor uns richtete. Ich hatte das Gefühl er hatte eine Art Schutzwand um sich gebaut. Als Schutz vor meiner Antwort. Das konnte ja nur eine schlimme Frage sein.

''Du weißt ganz genau, wer dich zurück zum Krankenhaus gebracht hat, stimmt's?'' Nun war seine Stimme wieder so kalt und herzlos, wie auf dem Parkplatz, als ich von meinem Spaziergang wieder kam. Eine Gänsehaut breitete sich auf meinem ganzen Körper aus. Diese Kälte, die von ihm ausging, schmerzte. Sie schmerzte in jedem einzelnen Zentimeter meines Körpers.

Panisch suchte ich nach den passenden Worten. Ich konnte ihm doch nicht von Tim erzählen. Immerhin wollte ich es auch für mich behalten, jedenfalls bis ich meine Erinnerungen wieder zusammen hatte. ''N-nein. Nein, ich kenne diesen Mann nicht.'' Innerlich zerbrach ich. Wie gerne ich mich mit jemandem über alle Erlebnisse unterhalten würde. Mit irgendjemandem, der mir zuhört und am Besten ein völlig Unbeteiligter war. Ich brauchte seelische Unterstützung, ohne würde ich das alles hier nicht mehr lange aushalten.

Ein lautes Seufzen kam von Chris, bevor er aufstand um sich von dem Sofa zu entfernen. Er versuchte Abstand zu mir zu gewinnen. Autsch. ''Wenn du dich dazu beschlossen hast, mir die Wahrheit zu sagen, kannst du mich anrufen.'', meinte er trocken und griff nach seiner Jacke, die über einem Stuhl hing. ''Ich bin weg.'' Ich ließ Chris nicht aus den Augen, verfolgte seine Schritte bis zur Tür und hörte letztendlich einen Knall, der mich wissen ließ, er hatte das Haus verlassen.

Vor Nervosität begann ich zu zittern und ich hatte das Gefühl gleich umzukippen, wenn ich aufstehen würde. Chris wusste ganz genau, wer Tim war. Wahrscheinlich war er deswegen auf dem Parkplatz, und auch jetzt, so abweisend. Vielleicht konnte er ihn nicht leiden. Verzweifelt vergrub ich mein Gesicht in irgendeinem Kissen, das neben mir lag. Die Belastung, die auf mir lag, war kaum auszuhalten. Ganz sicher: Ich stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch.

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