Kapitel 21

578 24 0
                                    

Mit zittrigen Fingen tippte ich auf Anrufen und hielt mir das Handy gegen mein Ohr. Das Piepen schien mit jedem Mal lauter zu werden und machte es mir nur noch schwerer, meine Übelkeit zu verbergen. Nach einer etwas längeren Wartezeit, ging alles ganz schnell. ''Hannah! Oh mein Gott, was ist passiert?''

''Tut mir leid, dass ich jetzt noch anrufe...'' Ein etwas entschuldigender Blick, den sie sowieso nicht sehen konnte, auf die Uhr, ließ mein schlechtes Gewissen nur noch größer werden. ''Aber mir ist so verdammt übel.''

''Och, Schatz. Ist Christoph nicht bei dir? Kann er dich ablenken, solange ich zu dir fahre?''

''Nein.... E-Er ist nicht hier.'' Ich knabberte an meiner Unterlippe. Irgendwie fühlte ich mich ohne ihn in diesem Haus nicht wohl. Es war, als ob ich hier nicht hergehörte. Als ob allein er der Grund war, dass ich mich hier wohlfühlte. Aber konnte das wirklich sein? Immerhin wohnte ich hier und es war alles so verdammt gemütlich. Trotzdem vermisste ich irgendwas. Irgendwas, was ich nicht vermisste, wenn er neben mir war.

''Es ist drei Uhr. Wo ist er bitte?'' Ich erkannte einen leicht wütenden Unterton in ihrem Satz.

''Keine Ahnung, aber er wird schon wissen, was er macht. Er ist ja alt genug.'', antwortete ich. ''Aber leistest du mir Gesellschaft? Ich habe Angst, dass es irgendwelche Spätfolgen sind.'' Ich wollte schnell vom Thema ablenken. Von diesem kleinen Streit, wenn man das überhaupt so nennen konnte, wollte ich nichts sagen. Sonst würde sie ja auch wissen, dass ich Tim kannte und das wollte ich verhindern. Immerhin wusste ich selbst noch nicht, ob ich mich wegen dieser Begegnung schämen sollte, oder es eventuell ein neuer Anfang ist. Das musste ich noch herausfinden. Irgendwie.

*

Nachdem meine Mutter sagte, dass sie spätestens in einer Stunde da war, legte ich mein Handy wieder vorsichtig auf den Nachttisch. Erschöpft lehnte ich mich gegen die Rückseite des Bettes und versuchte mich zu beruhigen. Dieses Schwindelgefühl dufte einfach kein Rückfall sein. Das konnte einfach nicht sein.

Ich verdeckte mein Gesicht mit meinen Händen, in der Hoffnung mich entspannen zu können, doch ein Geräusch ließ diesen Versuch scheitern. Erschrocken riss ich meine Augen auf, als ich die Haustür zufallen hörte. Ich war wie in einer Schockstarre. Was, wenn das ein Einbrecher war? Immerhin sah dieses Haus von Außen schon ziemlich teuer aus.

Ohne einen Ton von mir zu geben, knipste ich die Nachttischlampe aus und zog mir meine Bettdecke über den Kopf. Dieser Einbrecher würde denken, dass ich schlafe, wenn er hier hoch kommt. Zitternd hörte ich den Schritten zu, die sich zunächst nur im unteren Teil des Hauses aufhielten. Allerdings stampften sie nach wenigen Minuten die Treppenstufen nach oben. Sofort schloss ich meine Augen und versuchte meine mittlerweile viel zu schnelle Atmung unter Kontrolle zu bringen.

In meinem Kopf hoffte ich verzweifelt, dass dieser Einbrecher dieses Zimmer außen vorlassen würde. Ich hoffte, er würde es nicht sehen, aber als ich hörte, wie die Schritte unmittelbar vor mir endeten, gab ich diese Hoffnung letztendlich auf. Ich war hier gefangen. Alleine mit einem Einbrecher. Mit totaler Übelkeit.

Das konnte nur der Anfang von was Schlimmen sein.

Mit einem einigermaßen ruhiggestelltem Atem wartete ich darauf, dass sich die schweren Schritte wieder von mir wegwendete, doch auch hier schien mein Wunsch nicht in Erfüllung zu gehen. Ich spürte, wie die Matratze nach unten gedrückt wurde und wie, sofort danach, eine Hand vorsichtig meine Wange entlang strich.

Panisch riss ich meine Augen auf. Blitzschnell, ohne diesen jemand genau zu beobachten, wedelte ich mit meinem Arm in der Luft herum und erteilte dem Unbekannten eine schallende Ohrfeige. Das Ziehen, das nun durch meine Hand schoss, ignorierte ich gekonnt und rutschte immer noch unter Schock von der Person weg.

''Aua.'', murmelte diese und entfernte seine Hand von der Wange. Sofort erkannte ich, wer das wirklich war. Chris. Mein Kinn klappte nach unten und ich versuchte meine Gedanken wieder zu sammeln. Es war kein Einbrecher. Nur Chris. Von ihm ging keine Gefahr aus, aber ich bin mal wieder in ein Fettnäpfchen gesprungen. Mit Anlauf.

''Oh mein Gott, es tut mir leid.'', rief ich sofort, sprang auf und huschte in das Bad. Dabei rammte ich wegen des Schwindelgefühls immer mal wieder irgendwelche Sachen, was mir aber völlig egal war. Ich hatte Chris geschlagen und das ausgerechnet an einem Tag, an dem er sowieso schon sauer auf mich sein musste.

Ohne groß zu überlegen griff ich nach einem Tuch und hielt es unter eiskaltes Wasser. Das Kühle würde den Schmerz hoffentlich etwas lindern. Und vielleicht auch seine Wut gegenüber mir etwas nach unten treiben.

Lost Memories Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt