Kapitel 4

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Mittlerweile lag ich seit 2 Wochen in diesem Krankenhaus. Morgen war der Tag, an dem ich entlassen wurde. Endlich. Aber dennoch hatte ich Angst vor all den neuen Eindrücken. Ich wusste nicht was mich erwartete, auch, weil noch nicht klar war, zu wem ich gehen sollte.

''Hannah, du kommst mit zu uns. Dein altes Zimmer haben wir schon wieder hergerichtet. Es war dein Lieblingsort und da du dort die meisten Erinnerungen hast, wird es wohl die beste Lösung sein.'' Meine Mutter griff nach einem Koffer und stellte ihn auf mein Bett.

''Ja, kann sein...'' Ich war mir nicht sicher, ob ich das wollte. Immerhin meinte Chris, das war der junge Mann, der vor wenigen Tagen viel zu spät noch hier gewesen war, dass ich schon seit fast einem Jahr bei ihm wohnte. Wieso ich schon mit 17 bei meinen Eltern ausgezogen war, wusste ich nicht. Niemand wollte mir das erklären.

Ich hörte Schritte, die in das Zimmer kamen. Ein Blick zur Tür verriet mir, dass es Chris war. ''Ich denke es wäre keine gute Idee, wenn sie mit zu euch kommt.'', warf er ein und stellte sich an das Ende meines Bettes. Hat er alles mitbekommen? ''Immerhin war sie seit einem Jahr nur noch bei mir.''

''Chris, sei doch realistisch. Hannah hat seit 17 Jahren bei uns gewohnt. Sie hat in ihrem Zuhause die besten Möglichkeiten wieder zu ihren Erinnerungen zu kommen.'', meldete sich nun mein Vater zu Wort. Ich hatte das Gefühl, sie konnten sich alle nicht leiden.

''Könnt ihr mal ruhig sein?'', fragte ich und warf die letzten Pullover in meinen Koffer. ''Mama, Papa. Nehmt mir das nicht übel, aber ich bin der selben Meinung wie Chris.'' Mein Blick wanderte zu dem jungen Mann, der dies alles gerade nicht glauben konnte. ''Ich würde gerne wissen, wo ich das letzte Jahr über gewohnt habe.''

''Aber das kannst du nicht machen, Hannah.'' Meine Mutter schaute mich vorwurfsvoll an.

''Doch. Mama, findest du nicht, dass ich Schritt für Schritt wieder in mein altes Leben zurückkehren sollte? Und das Leben war nun einmal, wie ihr mir erzählt habt, bei Chris. Es tut mir leid... Aber ich komm euch besuchen, wirklich.'' Jedenfalls dann, wenn ich wusste, wo sie wohnten.

Seufzend kam mir meiner Mutter entgegen und nahm mich in den Arm. Das erste Mal, seit dem ich hier im Krankenhaus lag. Allerdings konnte ich diese Umarmung nur zaghaft erwidern. Immerhin kannte ich sie erst wieder seit 2 Wochen und wusste nur aus Erzählungen, dass sie meine Mutter war. Fühlen konnte ich das nicht. Noch nicht. ''Es ist in Ordnung, aber du kannst jederzeit anrufen. Die Nummern sind alle in deinem Handy gespeichert. Wenn du willst holen wir dich auch gerne wieder ab.'' Mein Handy also... Wo war das überhaupt?

''Werd' ich machen.'', lächelte ich. Aber konnte ich mein Handy überhaupt verwenden? Hatte nicht jeder einen PIN, damit kein Fremder mit seinem Eigentum umgehen kann?

Ein Klopfen an der mittlerweile geschlossenen Tür unterbrach unser Gespräch. ''Hannah, du kannst jetzt kommen.'' Es war eine Schwester, die mich zu meiner letzten Untersuchung rief. Heute würden sie mir sagen, ob eine Chance besteht, dass ich mich wieder an etwas Erinnere. Sie hatten zwar immer wieder angedeutet, dass es kein Problem werden würde und alles nach einer Weile wieder kommen würde, aber ich wollte es erst glauben, wenn sie es schwarz auf weiß hatten.

Ich griff nach meiner Weste, die ich mir schnell über mein T-Shirt zog, und folgte der Schwester in ein Besprechungszimmer.

Gespannt ließ ich mich auf den Stuhl fallen, der mir nur wenige Sekunden vorher angeboten wurde. Ich würde lügen, wenn ich sage, ich wäre nicht nervös. Immerhin hing von diesen Ergebnissen mein restliches Leben ab.

''Also, Hannah. Wie sieht's denn aus? Kannst du dich schon an etwas erinnern? Jetzt, wo dir nahestehende Personen um dich sind?'' Die Schwester schlug eine kleine Mappe auf, ehe sie mich wieder anschaute.

''Nein, nichts. Ich kann mich an nichts erinnern und denke jedes Mal, dass sie von einem anderen Mädchen reden... Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das alles erlebt habe.'', antwortete ich und beobachtete die Mimik der jungen Frau vor mir. Ich versuchtet aus ihrem Gesicht schon etwas abzulesen, aber fand nichts raus.

''Gut. Setz' dich nicht unter Druck, Hannah. Die Ergebnisse sind wie erwartet: Wenn nichts dazwischen kommt sollten die Erinnerungen Stück für Stück wieder kommen. Aber nur dann, wenn du dich wirklich nicht unter Druck setzt. Das würde alles verlangsamen und somit nach hinten verzögern.'' Erleichtert atmete ich auf und lehnte mich entspannt zurück. Meine Erinnerungen würden wieder kommen, irgendwann. ''Ich bin mir sogar sehr sicher, dass sich dein Zustand in den nächsten Wochen stark verbessern wird, dennoch will ich, dass du jede zweite Woche zur Kontrolle wieder hier bist, verstanden?'' Sie lächelte mich an. Vor lauter Erleichterung brachte ich kein Wort heraus, sondern nickte einfach nur. ''Dann bist du hiermit entlassen. Morgen früh wird noch einmal kurz eine Schwester vorbeischauen, um dir deine Wertsachen wieder zu bringen, dann kannst du aber nach Hause und dich entspannen. Wirklich entspannen.'' Sie stand auf, woraufhin ich mich auch von meinem Platz erhob. ''Ich seh' dich dann in zwei Wochen, Hannah.'', beendete sie ihre Rede und hielt mir ihre Hand hin, die ich zur Verabschiedung noch einmal schüttelte.

''Bis in 2 Wochen.'', grinste ich und verschwand durch die weiße Tür in den Flur, auf dem mein Zimmer war. Als ich in mein Zimmer schielte, entdeckte ich aber nur noch Chris, der nachdenklich am Tisch saß und auf den Boden starrte. Die letzten 2 Wochen hatte er mich kaum besucht. Ab und zu war er mal da und hat mir einige Sachen erklärt, dennoch blieben einige Fragen offen. In welcher Verbindung standen wir beide? Wieso wohnte ich bei ihm? Und wieso hatte ich überhaupt diese Kopfverletzungen erlitten?

Diese Fragen, das hatte ich mir vorgenommen, würde ich ihm alle stellen. Nur würde er mir dieses Mal nicht ausweichen können. Das würde ich vermeiden.

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