Kapitel 11 - Traum

25 3 8
                                    

Dienstagmorgen begann mit einer Überraschung. Bereits kurz nach Fünf war ich hellwach und strotzte vor Energie. Ungläubig überprüfte ich mehrfach die roten Ziffern des Weckers, bevor ich die Beine aus dem Bett schwang und ins Bad tapste. Kurze Zeit später stand ich unten an der Rezeption. Seit langer Zeit saß Peggy an diesem Morgen wieder am Tresen. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten hatte ich sie mittlerweile ins Herz geschlossen, denn neben ihrem schrägen Humor samt presslufthammerartigen Lache zeichnete sie sich vor allem durch eine unstillbaren Zuneigung zu Kuchen aus.

„Guten Morgen Peggy", grüßte ich sie.

„Colin Barraclaugh!", die Augen der Dame schnellten von ihrer kleinen Liebesschnulze, - Verzeihung! - Lektüre, hoch und funkelten mich an. „Ich glaube es nicht!"

Sie warf einen Blick auf die Uhr.

„Wir haben noch nicht einmal Sechs! Du solltest noch im Bett liegen und schlafen!"

„Nicht heute!", ich lächelte verlegen. „Kann ich raus, eine Runde laufen?"

„Laufen? Du bist mir vielleicht einer." Sie überlegte kurz. „Von mir aus. Du kennst die Regeln! Das Schulgelände wird nicht verlassen, den Anweisungen der Nachtwache ist Folge zu leisten!"

„Versprochen."

„Na gut, Junge, ich schließe dir auf."

„Danke!", ich wartete bis sie aus dem Zimmer gekommen war, dann folgte ihr unauffällig. „Kommt heute ein Gast, oder warum sind Sie schon so früh auf den Beinen?"

Normalerweise war die Rezeption erst ab sechs Uhr besetzt.

„Wir bekommen in der Tat Besuch. Einen neuen Schüler. Mehr kann ich dir leider nicht sagen." Sie drehte den Schlüssel und stemmte das Portal auf. „Ich gebe der Nachtwache Bescheid, damit sie dich in Ruhe lassen. Ansonsten bist du jetzt frei zu gehen. Bitte melde dich wieder an, wenn du zurückkommst. Viel Spaß!"

„Danke", sagte ich und eilte die Stufen hinunter. Mit einem leisen Knall wurde die Tür hinter mir geschlossen. Ich folgte dem Kiesweg ein Stück in Richtung Tor und sah einen dunklen Wagen das Tor passieren, gerade als ich den Weg verlassen wollte. Von Neugierde gepackt, machte ich einen Schritt zur Seite und starrte direkt in die getönten Scheiben der Limousine. Wie gebannt blieb mein Blick an ihnen und meinem verwunderten Gesicht hängen, bis der Wagen mich passiert und vorgefahren war. Bevor ich den Personen jedoch beim Aussteigen zusehen konnte, nahm ich eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahr. Ein hochgewachsener Junge mit schwarzem Haar und leuchtend weißer Weste war auf mich zu getreten und musterte meine Erscheinung kritisch. Carlson!

„Was machst du hier draußen?"

„Ich möchte Joggen gehen", gab ich bereitwillig Auskunft.

„Um diese Uhrzeit?", mit einem Mal sah ich Interesse in seinen Augen aufblitzen.

Mir wurde unwohl.

„Ja, ich habe es bereits mit Miss Peggy abgeklärt. Sie hat ihr Einverständnis gegeben. Sie...", das Vibrieren seines Handys unterbrach mich. Ohne seinen Blick von mir zu nehmen, nahm er den Anruf entgegen.

„Du kannst gehen!", sagt er und wandte sich ab. Dennoch kam ich nicht umher zu bemerken, dass er mich noch immer beobachte, als ich davon joggte. Schnell fiel ich in ein angenehmes, gleichmäßiges Tempo. Als ich die Stunde voll hatte, drosselte ich mein Tempo und ließ die Runde mit einem angenehmen Spaziergang ausklingen.

Colin...

Huh? Ich hielt inne. Hatte gerade jemand meinen Namen gesagt? Schnell zog ich mir die Stöpsel aus dem Ohr und lauschte, während ich mich umsah. Ich hatte den Wald beim Friedhof erreicht.

Ashwood MinorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt