Kapitel 9 - Schock

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Direkt am nächsten Morgen wählte ich die Nummer meines Vaters. Nach dem gestrigen Schock hatte ich die Nacht kein Auge zutun können, also hatte ich stattdessen darüber nachgegrübelt woher Eleanor wusste, dass mein Erschaffer mich aufsuchen könnte. Ich vermutete, dass Corran Eleanor von meinen Befürchtungen erzählt hatte, der Rotäugige sei der Wolf in der Grotte. Allerdings war es schon einige Tage her, seitdem ich es ihm anvertraut hatte und so wie ich ihn einschätzte, hatte er Eleanor noch am selben Abend Bescheid gegeben. Warum war sie dann erst so spät auf mich zugekommen? Wenn sie die Sache zunächst für nebensächlich gehalten hatte, was hatte sich geändert, dass sie nun doch das Gespräch mit mir suchte? Corran hatte in Ashwood auch etwas gespürt, das wäre eine Möglichkeit. Aber er war die ganze Zeit bei mir gewesen und ich hatte ihn weder telefonieren noch mit jemanden schreiben sehen. Also fiel diese Möglichkeit weg, da ich bereits beim Anmelden zum Direktorat gerufen worden war. Das ließ nur einen Schluss zu: Eleanors Quelle war mein Vater. Bedachte man die Ungereimtheiten, die bisher aufgetaucht waren, war das gar nicht so abwegig. Ich war mir mittlerweile sicher, dass Eleanor und mein Vater sich kannten. Das erklärte auch, warum er direkt Eleanor anstatt mich angerufen hatte. Außerdem musste mein Vater von Werwölfen gewusst haben, wie Noore bereits vermutet hatte. Das brachte mich jedoch zu einem Haufen neuer Fragen. Warum hatte mein Vater es nicht für nötig gehalten mich einzuweihen, selbst als er wusste, dass ich gebissen worden war? Und woher wusste er überhaupt von Werwölfen. Er selbst war keiner, da war ich mir sicher. Aber vielleicht jemand seiner Familie?

„John Barraclaugh am Apparat, Hallo?", riss mich Dads Stimme aus meinen Gedanken.

„Hallo Dad, hier ist Colin."

„Colin! Hey, wie geht's dir?", er klang besorgt.

„Mir geht's gut. Wie geht's dir?"

„Auch - Mir geht's auch gut. Gibt es etwas Neues?"

„Nein, mein Erschaffer ist noch nicht aufgetaucht. Warum hast du nichts gesagt?", meine Stimme brach. Um mich zu beruhigen, begann ich meinen Radiergummi auseinanderzufriemeln.

„Ich – Es tut mir leid. Du lagst im Krankenhaus und ich wollte dir nicht unnötig Sorgen machen."

„DU WUSSTEST DA SCHON, DASS ER HINTER MIR HER SEIN KÖNNTE?!", verlor ich die Fassung. War ihm überhaupt klar, was alles hätte passieren können? Ich warf den Radiergummi beiseite und sprang auf. Es nervte mich, dass mein Vater mich immer und immer wieder wie ein rohes Ei behandelte. Ja, Mums Tod hatte mir mehr ausgemacht als gut für mich gewesen war, aber ich hatte mich wieder im Griff. Und nur zur Info, meine Probleme hatten schon viel früher angefangen!

„Colin, bitte beruhige dich! Es tut mir leid, es war ein Fehler erst so spät etwas zu sagen. Aber ich war mir bis vor kurzem nicht sicher."

„Wie meinst du das?" Warum war er sich dann jetzt auf einmal sicher?

„Als ich letztens nach Hause kam, hatte ich das Gefühl jemand wäre im Haus gewesen. Ich konnte allerdings keine Einbruchsspuren entdecken und es schien auch nichts zu fehlen. Erst als die Burtons am Samstag aus dem Urlaub zurückkamen und mir Mrs Burton erzählte, sie hätte jemanden vor unserem Haus gesehen, habe ich eins und eins zusammengezählt. Du weißt ja, ihr entgeh nichts... Sie hat mir den Mann beschrieben." Er stockte. „Ich bin mir ziemlich sicher ihm auch schon mal begegnet zu sein und zwar ein paar Tage vor dem Überfall auf dich."

Beinahe wäre mir das Handy aus der Hand gerutscht. Was?

„Colin, bist du noch dran?"

„Mmh", presste ich hervor. Mein Dad war ihm begegnet. Hatte der Kerl es auch auf ihn abgesehen? Noch nie hatte ich mich so hilflos und eingeschüchtert gefühlt. Blanker Terror pulsierte durch meine Adern.

Ashwood MinorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt