Kapitel 28 - Vermisst

11 2 2
                                    


Als ich am nächsten Morgen in der Halle erschien, herrschte bereits helle Aufregung. Holly Radner wird vermisst, verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer in der gesamten Schule. Das Direktorat hatte sie am Abend als vermisst gemeldet, nachdem sie von einem Ausgang nicht zurückgekehrt war und nun kursierten die wildesten Gerüchte über ihr Verschwinden.

„Ohne Witz, das Ganze ist so krass", rief Bobbie aus. „Bonnie hat gestern noch mit ihr gesprochen und ein paar Stunden später wird sie vermisst. Hoffentlich findet die Polizei sie bald. Solange werde ich alles tun, um Bonnie zu unterstützen."

Ich hörte Bobbie nicht weiter zu. Gedankenverloren starrte ich in mein Essen. Ein Mädchen wurde vermisst? Konnte es mit dem Rotäugigen zu tun haben? Eleanor hatte gesagt, dass sie keine Anhaltspunkte bezüglich seines Aufenthaltsortes hatten. Aber warum sollte sich der Rotäugige an einem Mädchen vergehen und unnötig Aufmerksamkeit auf sich ziehen? Oder hatte er sie verwandelt? Was, wenn das Mädchen ebenfalls eine geborene Werwölfin war? So oder so, es war an der Zeit, dass der Rotäugige verschwand. Vielleicht stand in einem der Bücher etwas, das mich auf eine Idee brachte.

„Colin, alles in Ordnung? Kennst du das Mädchen etwa auch?", fragte Nick mit ernster Miene. „Du siehst ganz schön blass aus."

„Was?", verdattert blickte ich ihn an. „Nein, ich kenne sie nicht. Ich muss gehen!"

Ich sprang auf und entsorgte mein Tablett in der Ablage, bevor ich nach draußen eilte, wo mir Misha begegnete. Einen besorgten Ausdruck im Gesicht, hatte er den Blick gesenkt. Instinktiv packte ich ihn am Arm, um ihn zurückzuhalten, was ihn überrumpelt zu mir aufblicken ließ.

„Hey, Colin. Sorry, hab dich nicht gesehen", sagte er verlegen und lächelte matt.

„Weißt du wo Noore ist?", unterbrach ich ihn.

„Nein, keine Ahnung. Tut mir leid." Er wollte sich losmachen und weitergehen, was mich meinen Griff instinktiv verstärken ließ.

„Warte! Weißt du irgendwas über das verschwundene Mädchen?"

„Was? Welches verschwundene Mädchen?" Nun war er vollends verwirrt, aber was auch immer ihn plagte, ich hatte gerade keine Zeit dafür.

„Ach nichts. Wir sehen uns", sagte ich und wandte mich ab.

„Bis dann!", hörte ich ihn noch rufen, dann war ich außer Hörweite.




„Colin, hi", grüßte mich Noore verdutzt, als sie mich erblickte. "Entschuldige, ich war gerade weg. Wartest du schon lange?"

„Nein, bin gerade erst gekommen. Kann ich reinkommen?" Sie musste nicht wissen, dass ich bereits einige Minuten vor ihrer Tür stand.

„Klar", eilig drückte sich Noore an mir vorbei und schloss auf. „Hereinspaziert."

„Danke."

Kaum war die Tür hinter uns ins Schloss gefallen, sprach ich mein Anliegen an.

„Entschuldige, ich werde dich nicht lange stören. Weißt du etwas über das verschwundene Mädchen? Du warst gerade bei Corran. Habt ihr darüber gesprochen?"

Noores Augenbraue hob sich unmerklich.

„Dein Geruchssinn ist heute ziemlich ausgeprägt", bemerkte sie. „Du hast recht, ich war bei Corran und habe ihn zu dem Mädchen befragt, aber er konnte mir nichts sagen."

„Glaubst du, es könnte mit meinem Erschaffer zusammenhängen?"

„Ich weiß es nicht. Ich wollte allgemein wissen, was passiert ist. Es ist schon öfter vorgekommen, dass sich Schüler verlaufen haben. Allerdings ist das Mädchen nicht erreichbar und angesichts der Umstände kann ich verstehen, dass die Nachtwache besorgt ist."

Ashwood MinorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt