Kapitel 43 - Trauer

7 2 0
                                    

[Trigger Warnung: Suiziderwähnung]


„Er ist schon ziemlich lange da oben", bemerkte Noore. Colin war direkt nach dem Gespräch mit seinem Vater auf sein Zimmer verschwunden und noch nicht wieder aufgetaucht. Ich hatte bereits vor einiger Zeit nach ihm sehen wollen, doch Noore hatte mich zurückgehalten und gesagt, wir sollten ihm Zeit geben. Aber nun schien auch sie es mit der Sorge zu tun zu bekommen.

„Vielleicht sollte jemand nach ihm schauen", schlug Allie vor und blickte auffordernd in die Runde. Ich sah zu Mr. Barraclaugh, welcher bereits am Aufstehen war.

„Warten Sie, ich würde gehen", hielt Noore Colins Vater zurück. „Ich wollte sowieso mit Colin reden. Wo ist sein Zimmer?"

„Oben, die erste Tür rechts", erwiderte Mr. Barraclaugh und ließ sich zurück auf den Stuhl sinken. Kaum hatte Noore das Zimmer verlassen, legte sich ein unangenehmes Schweigen über den Tisch. Wir hatten den Smalltalk bereits erledigt und allmählich gingen uns die Gesprächsthemen aus. Ich warf einen Blick auf die große Küchenuhr. Wenn wir nicht bald aufbrachen, würden wir es niemals vor der Sperrstunde zurückschaffen und die nahm unsere Schule zur Zeit sehr genau. Eleanor würde uns, aber besonders mich umbringen. Es grenzte an ein Wunder, dass sie sich noch nicht gemeldet hatte. Apropos Eleanor.

„Entschuldigen Sie die Frage, Mr. Barraclaugh", brach ich die Stille und betrachtete den Mann interessiert. Er hätte die ältere Version seines Sohnes sein können, obgleich sie sich in manchen Merkmalen deutlich unterschieden. Die Augen- und Lippenform musste Colin von seiner Mutter geerbt haben.

„Meine Mutter sagte mir, sie wären alte Bekannte", führte ich aus. „Woher genau kennen Sie sie?"

Überrascht sah Mr. Barraclaugh mich an. „Meine Frau und deine Mutter waren gute Freunde. Sie lernten sich kurz nach dem College kennen, als –"

Lautes Gepolter auf der Treppe unterbrach ihn. Jemand kam die Stufen hinab geeilt, kurz darauf ging die Tür auf.

„Colin ist weg!!!", kreidebleich starrte Noore uns an.

„Was?!", Mr. Barraclaugh sprang auf und hastete großen Schrittes an ihr vorbei nach oben. Allie und ich tauschten einen kurzen Blick, dann folgten wir ihm. Gespannt warteten wir am Fuße der Treppe auf seine Rückkehr.

„Verdammt", fluchend kam Mr. Barraclaugh die Stufen hinunter.

„Wir müssen ihn anrufen!", rief Allie.

„Das wird leider nichts", erwiderte Colins Vater. „Er hat sein Handy hier gelassen."

„Und was machen wir jetzt?", Allie schien bestürzt. „Die Polizei rufen oder haben Sie eine Vermutung, wo er sein könnte?"

„Nein." Er fuhr sich panisch durchs Haar. „Wir müssen ihn finden!"

„Und das werden wir! Aber erst, wenn Sie verraten, was Sie uns verschweigen", Noore hatte einen Schritt auf den Mann zu gemacht und funkelte ihn misstrauisch an. Überrascht musterte ich Mr. Barraclaugh. Colins Vater schluckte schwer, bevor er kaum hörbar gestand:

„Ich glaube, er könnte sich etwas antun."

Geschockt starrten wir ihn an.

„Warum sollte er das tun?", presste Noore hervor.

Colin hatte Tiefphasen, aber es ging ihm wieder besser, oder nicht?

Ashwood MinorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt