Kapitel 35 - Hinterhalt

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Trigger Warnung: Verletzungen!

[A/N: Für all diejenigen, die es interessiert, oder die sich die Teamaufteilung mit den Himmelsrichtungen schwer vorstellen können, habe ich am Ende des Kapitels eine Karte des Geländes hinzugefügt. Ich hoffe, die Karte ist einigermaßen verständlich.]


Eine Dreiviertelstunde später waren alle nötigen Informationen eingeholt, die Teams aufgestellt und wir bereit zum Aufbrechen. Unruhig ließen die Wölfe ihren Blick umherstreifen. Eine Verwandlung stellte immer ein gewisses Risiko dar, aber eine Verwandlung am helllichten Tag in Schulnähe, wo hunderte Schüler versuchten einen Blick auf die Vorgänge zu erhaschen, vermochte schnell zu einem Todesurteil zu werden. Einzig Carlson glänzte mit gewohnter Gelassenheit.

Die Stelle am Fluss, wo sich die Spur verloren hatte, lag eine gute halbe Stunde Fußmarsch entfernt. Es gab keinen festen Wanderweg, sodass wir hauptsächlich durch unwegsames Gelände mussten. Ständig verhedderte ich mich in Sträuchern oder stolperte über verborgene Wurzeln. Erst als wir uns einem breitem Bach näherten, lichtete sich auch das Buschwerk. Der Spiegelbach war ein Nebenfluss des Willoughby Rivers, welcher wie die Emes bei Newport ins Meer mündete. Den Namen hatte sich das Gewässer eingebracht, weil es an manchen Stellen so ruhig und klar wurde, dass es die umliegende Natur wie ein Spiegel abbildete. Doch obwohl das Wasser hier nur etwa hüfthoch war, hatte es die Strömung in sich.

Die Wölfe hatten uns zuverlässig geführt, aber selbst hier, wo sie sagten, die Duftmarke wäre am stärksten, konnte ich nichts wahrnehmen. Immer wieder hatte ich innegehalten, die Luft eingesogen und versucht den Geruch zu ermitteln, von dem sie gesprochen hatten. Fehlanzeige! Ich konnte es nicht.

Mit einem Seufzen beendete ich einen weiteren, erfolglosen Versuch und gesellte mich zu den anderen, die sich für ein kurzes Briefing am Wasser versammelt hatten. Insgesamt waren wir fünf Teams, angeführt von Elizabeth und Asher sowie drei Agenten der Nachtwache. Isabella, Noore und ich zusammen mit drei weiteren Agenten einem gewissen John Hunt unterstellt worden, was dieser bei jeder Gelegenheit deutlich werden ließ. Wie Clark, schoss es mir durch den Kopf.

Nachdem sich alle noch einmal abgesprochen hatten und die Rollen klar verteilt waren, zog sich jedes Team in das zugeteilte Gebiet zurück. Mit gemischten Gefühlen sah ich den Wölfen und ihrem menschlichen Gefolge dabei zu, wie sie durch den Fluss stapften und dahinter auseinander strömten.

Jedes Team war angewiesen worden, im Viertelstundentakt Bericht zu erstatten. Dazu hatte man uns mit Ohrsteckern ausgestattet, welche ebenfalls dazu dienten, im Notfall Hilfe rufen zu können. Der Plan war gut durchdacht, die Regeln klar. Wir hatten eine Stunde Zeit, sollte dann jemand eine Spur gefunden haben, würden die anderen Teams, deren eigene Spur kalt geworden war, zu dem erfolgreichen Team stoßen und sie unterstützen. Trotzdem hatte ich ein schlechtes Gefühl bei der Sache.

Wir warteten bis Asher und die anderen im Dickicht der Bäume verschwunden waren, dann machten wir uns ebenfalls auf den Weg. Die Luft war feucht und der Gestank der Pflanzen vernebelte meine Sinne. Es war schwer in Menschengestalt die Fährte eines Wolfes aufzunehmen, besonders wenn man keinen Vergleichsgeruch hatte. So zogen sich die Minuten ereignislos hin, niemand schien eine Spur aufnehmen zu können. Eine halbe Stunde verging, dann eine Stunde. Selbst die Wölfe auf der anderen Flussseite erwiesen sich als wenig erfolgreich. Als die Rückmeldung ihrer Teams kam, erklärten sie, dass sie zwar ab und an eine Fährte hatten wittern können, diese aber kurz darauf wieder verloren hatten, also blieb jeder in seinem zugeteilten Gebiet.

Der Nachmittag wich Abend und der Wald wurde in immer dunkleres Zwielicht getaucht. Die Sonne war hinter den dicken Wolken verborgen, sodass die Luft rasant abkühlte. In einem Moment der Unaufmerksamkeit lauschte ich dem Zwitschern der Vögel. Eigentlich hatten wir nur die Rückendeckung sein sollen, aber nachdem niemand eine Spur hatte finden können, waren wir ebenfalls voll zur Suche hinzugezogen worden. Doch wir hatten nichts gefunden, also hatte Eleanor uns zurückbeordert. Halbherzig durchkämmten wir noch einmal das Gebiet, während wir uns auf den Rückweg machten. Es war unwahrscheinlich, dass wir etwas finden würden, das wir zuvor nicht gefunden hatten, außer der Wolf wäre zurückgekehrt. Immer wieder warf ich einen prüfenden Blick zu meiner Linken, wo ich in der Ferne Noores zierliche Gestalt ausmachen konnte. Selbst mit übernatürlicher Sicht hatte ich Probleme, sie zwischen den Bäumen zu erkennen. Wie musste es dann den Agenten der Nachtwache ergehen? Wir hatten zuvor die maximale Distanz ausgetestet, die wir uns voneinander entfernen konnten, ohne dabei die Rufe der anderen nicht mehr zu hören. Doch die maximale Distanz war keine feste Zahl, sondern eine auf der Erfahrung des Sehens basierende, subjektive Entfernung. Nachdenklich trottete ich am Ufer entlang. Irgendetwas beschäftigte mich schon seit Stunden, aber ich kam nicht drauf, was mich störte. Hatten wir etwas übersehen?

Ashwood MinorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt