Kapitel 41

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Mir war klar gewesen, dass ich mit meiner Vermutung richtig gelegen hatte, doch dass der Ausblick von dieser Dachterrasse so unglaublich war, hätte ich nie gedacht. Wir befanden uns in – besser gesagt auf – einem Gebäude inmitten der Londoner Innenstadt, dessen Straßen ziemlich eng und die dazugehörigen Häuser sehr hoch waren. Ich hatte mich auf eine Sicht über Dächer eingestellt, doch in nur einigen Metern Entfernung konnte ich das leuchtende London Eye erkennen, dass sich langsam in der Nacht drehte.

Einen kurzen, mit einem strahlenden Lächeln begleiteten Blick zurück zu Niall werfend, überquerte ich den mit Holz verkleideten Terrassenboden, vorbei an allerhand Gartenmöbeln, die mit Plastikabdeckungen vor der kalten Jahreszeit geschützt wurden. An dem Geländer machte ich Halt und umfasste das eiskalte Eisen mit meinen Händen, bevor ich all die bunten Lichter Londons in mir aufnahm. Von überall her tönte Böllern und Knallen, direkt vor uns schoss sogar auf einmal eine Rakete in den Himmel und explodierte über unseren Köpfen.

„Das ist wunderschön“, hauchte ich, wobei mein Atem ein kleines Wölkchen in der kalten Luft formte.

„Ich bin froh, dass es dir gefällt.“ Niall lehnte sich neben mir an das Geländer, so nah, dass ich den rauen Stoff seines Jacketts an meinem nackten Arm spürte.

„Ich wäre völlig verrückt, wenn ich es nicht mögen würde!“

„Wusste ich doch, dass du ein totales Mädchen bist“, neckte er mich und wandte seinen Blick zu mir.

„Halt die Klappe“, brummte ich liebevoll und stupste ihn mit meinem Ellbogen an.

„Wirst du etwa gerade rot?“

Wie konnte er das bei dem spärlichen Licht hier oben erkennen? Mal abgesehen davon, dass ich das gar nicht wurde. „Liegt wohl eher an der Kälte.“

Sein Blick streifte mein für diese Temperaturen mehr als unpassendes Outfit, bevor er sich daran machte, sein Jackett abzustreifen. Ich wollte gerade protestieren, als er mir das Wort abschnitt und meinte: „Das hab ich von der ganzen Geheimniskrämerei. Vielleicht hätte ich an deine Jacke gedacht, wenn ich nicht davon abgelenkt gewesen wäre, wie gut du in dem Kleid aussiehst.“

Jetzt wurde ich rot. „Danke, schätze ich mal.“

Er quittierte es mit einem Lächeln, ehe er mir schwungvoll das Jackett um die Schultern legte, jedoch dann keine Anstalten machte, es wieder loszulassen. Stattdessen nutzte er es dazu, mich an sich heranzuziehen und mich in eine wärmende Umarmung zu schließen. Wenigstens hatte er noch ein langärmliges Shirt unter dem Jackett an, was mich nicht ganz so schuldig fühlen ließ.

Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir in dieser Position verharrten, uns gegenseitig Wärme spendeten und dabei den atemberaubenden Ausblick über Londons Dächer genossen. Und ich genoss es wirklich. Dies war das erste Mal, dass wir wirklich alleine waren, seitdem wir uns heute nach den Familienbesuchen wiedersahen. Keine Menschenmassen, keine Paparazzi und selbst wenn uns jemand beobachten sollte, bot die Dunkelheit genügend Schutz für einige, private Momente.

„Ich bin froh, wieder hier zu sein“, sagte ich leise.

„Und ich, dich wiederzuhaben.“

Wenn möglich schmiegte ich mich noch enger an Nialls Körper. „Wie spät ist es eigentlich?“

„Weiß ich nicht“, gestand er und wollte sich von mir lösen, vermutlich, um sein Handy aus einer seiner Hosentaschen zu angeln, doch ich hielt ihn zurück. „Wir werden schon mitkriegen, wann es Mitternacht ist.“

Widerspruchslos platzierte er seine Arme also wieder über meine Schultern um meinen Nacken herum, sodass ich mich wieder in die angenehme Wärme kuscheln konnte, die von ihm ausging und mich weiter mit dem Gedanken, dass das hier einfach nicht real sein konnte, auseinandersetzen konnte. Es war einfach zu perfekt, um wahr zu sein. Ich schloss die Augen und öffnete sie wieder, kniff mir unauffällig in meinen Handrücken, während meine Hände an seinem Rücken miteinander verbunden waren und stand immer noch hier. Mit ihm. Und am liebsten würde ich ihn nicht mehr loslassen, aus Angst, ich könnte doch jeden Moment aus einem viel zu schönen Traum aufwachen und niedergeschlagen feststellen, dass ich einsam und alleine in meinem Bett lag.

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