Kapitel 26

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„Das ist merkwürdig“, stellte ich kichernd fest.

„Ich weiß.“

Nialls Atem streifte mein Ohr und für einen winzigen Moment bildete ich mir ein, dass seine Lippen meine Haut berührten, doch da löste er sich aus der Umarmung und nahm mein Gesicht stattdessen in die Hände. „Muss ich dich jetzt küssen?“, murmelte er so leise, dass nur ich ihn hören konnte. In meinem Körper versteifte sich alles. Meine Muskeln schienen unfähig, sich zu bewegen, vor allem meine Zunge war wie betäubt. Nicht in dem Sinne wie nach einem Zahnarztbesuch, wo man jeden Moment Gefahr läuft, zu sabbern, sondern ich wusste einfach nicht mehr, wie ich sie benutzen konnte. Der einzige Muskel, der besser denn je funktionierte war mein Herz, das vor Überarbeitung fast zu krepieren drohte.

„Ähm…“

„Ich weiß“, wiederholte er. „Egal. Noch ist nichts bestätigt.“ Mit einer plötzlichen Bewegung verschwanden seine Hände von meinen Wangen und landeten locker an seinen Seiten. Er lächelte mich an.

Unsicher fuhr ich mir mit einer Hand durch die Haare und lächelte befangen zurück. Wir befanden uns vor meiner Wohnung, aus der er mich gerade abholte und lieferten den Paparazzi, die wahrscheinlich in irgendeinem Gebüsch hockten oder hinter den verdunkelten Scheiben des Lieferwagens auf der gegenüberliegenden Straßenseite ihre Profikameras umklammert hielten, eine Show.

„Bereit?“

Ich nickte und folgte ihm zu seinem Wagen, der einige Meter entfernt stand. Währenddessen beugte er sich zu mir hinunter und flüsterte: „Meinst du, es ist zu übertrieben, wenn ich dir die Tür aufhalte?“

„Du hast es schon mal gemacht“, entgegnete ich grinsend und dachte an den Abend, den wir gemeinsam in dem Haus seines alten Gitarrenlehrers verbracht hatten. Ich brauchte mal wieder eine Stunde, sonst würde Thomas ausflippen, wenn ich ohne jegliche Talente vor der Kamera sitzen würde.

„Stimmt.“ Nialls Arm wanderte um meinen Körper herum, damit er die Tür öffnen konnte. „Bitte, Mylady.“

„Dankeschön.“ Mit einem Lächeln kletterte ich in den Wagen, schnallte mich an und wartete, bis Niall ebenfalls eingestiegen war und den Motor startete.

„Was hörst du gerne für Musik?“, fragte er, kaum dass er sich in den Verkehr eingereiht hatte. Eine seiner Hände umgriff locker das Steuer, während die andere auf der Gangschaltung ruhte, dank des dichten Verkehrs andauernd hoch oder runter schaltend. Zehn Minuten verbrachten wir damit, uns über unsere Musikgeschmäcker auszutauschen. Darüber, dass ich Musik ohne Texte nicht ausstehen konnte und einer seiner Lieblingssänger Michael Bublé war, was ich sowieso schon wusste, seitdem er letztes Wochenende singend durch die Straßen laufen wollte.

„Wir sind fast da“, informierte Niall mich nach einer etwa zwanzig Minütigen Fahrt und bog nach links ab. Kurz darauf buxierte er sein Auto in eine freie Parklücke, die fast zu klein dafür war und kletterte aus dem Wagen, als kein vorbeifahrender Verkehr ihn dabei behinderte. Schnell öffnete ich meine Tür und tat es ihm nach. Die eisige Kälte hüllte mich ein. Automatisch legte ich meine Arme um meinen Körper, um mir selber Wärme zu spenden, das übernehmend, was meine dicke Jacke nicht schaffte.

Niall legte seine Hand sanft auf meinen Rücken und führte mich vorwärts. „Komm, es ist nicht weit.“

Schnellen Schrittes hasteten wir über den grauen Gehweg, vorbei an nur wenigen Menschen, die sich bei den eisigen Temperaturen aus dem Haus wagten, bis Nialls Hand sich weiter zu meiner Taille schob und mich mit sich nach links zog. Ich konnte noch einen Blick auf die Leuchtbuchstaben über der Eingangstür erhaschen, bevor er auch schon die Tür aufzog und mich vor ihm hinein schob.

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