19. Verhandlungen von Oben

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POV Daryl "Woher wissen wir, dass diese Engel hier anders sind?" Wir waren nicht im Streit mit den Leuten aus Totonia Tirena, doch Gastfreundschaft sah definitiv anders aus. Alle, von den acht hier anwesenden Personen, hatten einen wachen Blick. Ihre Hände lagen an den Waffenholstern, ständig bereit für das schlimmste.

Der Anführer, er nannte sich selbst Jesus, ein Mann mit langen braunen Haaren und stechenden hellen Augen. Seine Arme waren vor seiner Brust verschränkt und die komplette Körperhaltung war uns gegenüber abgewandt. Er strahlte völlige Ablehnung aus, während seine restlichen Leute unsicher, teilweise sogar ängstlich wirkten.

"Ihr müsst wohl auf unser Wort vertrauen. Doch der Tirena den ihr unter dem Namen Azael kanntet, war ein ausgestoßener. Er war Abschaum. Seiner zweiten Seele und somit auch seiner Flügel beraubt." Chris stand direkt neben Rick, die beiden anderen Engel standen links und rechts leicht hinter den beiden, die Flügel verborgen. Ich hielt mich im Hintergrund, die Armbrust locker über meiner Schulter, die Hand ebenfalls an meinem Waffenholster. Sicher war sicher.

"Ach ja? Ich war an dem Tag dabei. Ich habe gesehen wie Engel aussehen und niemand von euch sieht aus wie einer. Nicht ein einziger hier in euren Reihen hat Flügel. Wie erklärt ihr euch das?" Mit einem leichten seufzen, ließen alle drei Engel ihre Flügel hervorscheinen. Die von Chris wie immer strahlend weiß, die der beiden anderen in einem schicken Birkenholzton.

Die ganze Atmosphäre hatte sich geändert, so als ob die Magie der Engel überzulaufen schien. Vereinzelt hörte man ein "Oh" und "Ahhh". Doch die meisten hatten nur diesen glitzernden Blick der Faszination. So ähnlich musste ich damals auch ausgesehen haben. "Das würde so vieles ändern." Jesus Stimme war nur noch ein heißeres Flüstern. Seine Erscheinung entspannte sich zusehends. Engel konnten uns Menschen ihre Gefühle zeigen, wenn sie das wollten. Doch irgendwie war es auch ein wenig unheimlich. Bei Melina hatte ich dieses Gefühl nie verspürt.

"Ich bin kein Idiot, Rick. Ich würde wahnsinnig gern ja sagen. Doch beim letzten mal, haben Azael und seine Leute die Stadt übernommen. Sie haben kommandiert, aber nie etwas getan, das nützlich wäre. So etwas wollen wir nicht noch einmal erleben."

"Das kann ich sehr gut verstehen. Niemand sollte ausgenutzt werden. Jedoch denke ich, dass wir zusammen irgendwie eine Lösung finden können." Maja sprach immer bedacht und mit seidenweicher Stimme. "Das mag schon sein, doch es gibt immer einen Preis. Und ich weiß, dass die Menschen hier vieles verloren haben, wir sind noch..."

"Auch wir haben vieles verloren. Menschen, unser Zuhause. Doch wir haben alles getan, um weiter zu überleben. Was, wenn wir das bald schon nicht mehr müssten? Wenn wir bald einfach wieder leben könnten? Jesus, das sind wir den Leuten, die wir schützen schuldig, vielleicht sogar dem Rest der Welt.", beharrte Rick, ein Funken Verzweiflung klang in seinen Worten mit. "Wir sind dem Rest der Welt überhaupt nichts schuldig. Irgendwer vom Rest der Welt ist schuld, dass wir überhaupt hier sind. Wir sind noch dabei uns von den Verlusten zu erholen. Einige von Azaels Leuten sind geblieben und helfen mit. Doch über all die Zeit in der seine Leute hier waren, ist vieles auf der Strecke geblieben. Wir haben kaum noch Nahrungsmittel, unsere Stadtmauern müssen Tag und Nacht überprüft werden. Doch wir haben zu wenig Leute. Einige sind schwer krank, der Winter ist hart und wir haben kaum Medikamente. Das hier sind alle fähigen Leute, die ich habe Rick und diese Sorgen dafür, dass eine ganze Stadt am Leben bleibt. Sag mir wie soll ich dann Leute entbehren, für ein Projekt von dem nicht einmal sicher ist das es funktioniert? Du hast auch nicht genügend Leute, um auf so viele zu verzichten, wie wir eigentlich bräuchten."

"Ich bin mir sicher, dass sich auch in meiner Gruppe neben Maja und Jonathan der ein oder andere findet, der helfen kann. Auch, wenn es nicht die Welt ist. Es ist immerhin ein Anfang." Rick redete gegen Windmühlen. Jesus würde seine Leute so schnell nicht entbehren. Doch bei uns gab es nicht so viel Platz wie Jonathan und Maja es brauchen würden. "Rick es tut mir wirklich leid, aber ich kann dir derzeit leider wirklich nicht helfen. Wenn wir uns wieder ein wenig gefangen haben dann können wir noch einmal neu verhandeln. Doch derzeit muss ich an das Wohl meiner eigenen Gruppe denken."

Die Leute von Jesus Gruppe wandten sich schon zum Gehen um. Er sah wirklich bedauernd aus, als er sich auch zum Gehen wandte. Auch Rick machte gerade Anstalten zu gehen als plötzlich ein seichter Wind aufzog. Einige Schneeflocken wirbelten aus dem platt getretenem Schnee auf.

Wie aus dem Nichts kam ein kleiner hellblauer Vogel angeflattert. Er landete auf Jesus Schulter und zog mit seinem Schnabel an seinen langen Haaren. Verwirrt guckte er auf seine Schulter und erblickte den kleinen Vogel. Jesus hatte schon den Mund geöffnet, um etwas zu sagen, als er schräg an mir vorbeisah. Sein Mund blieb offen stehen.

"Wir können noch einige Leute entbehren. Ich habe Maja und Jonathan gebeten sich ein fähiges Team zusammenzustellen. Es kann in wenigen Tagen losgehen. Das Einzige, um was ich euch gern bitten würde, wäre, dass ihr uns euer Labor in den Kellern zur Verfügung stellt. Wenn ihr irgendwann Kapazitäten und Lust habt, dürft ihr natürlich immer gern dazustoßen."

Als ich die Stimme hörte, erstarrte ich kurz, bis ich es schaffte mich umzudrehen. Das Erste, das ich erblickte, waren lange Haare die aussahen wie flüssiges Silber. Die Augen waren so grau  Stahl. Ihre Flügel waren größer als früher und sahen aus wie die von Evan. "Also, was sagen Sie dazu, Jesus? Sie müssen sich um meine Leute nicht kümmern. Sie werden Ihnen also nicht zur Last fallen." Sie schritt an uns vorbei und stellte sich neben Rick. Ihre Flügel verschwanden, nur ihre erhabene Haltung blieb. Alle Augen waren auf sie gerichtet, wir starrten geradezu. "Und Sie sind?"

Fragend blickte Jesus sie an und warf ein charmantes Lächeln in ihre Richtung. Sie war es. Sie war es wirklich. Sie stand hier. Vor mir. Am Leben. Es hatte ein wenig gedauert bis mein Verstand diesen Fakt aufgenommen hatte. Meine Welt fühlte sich als ob sie endlich wieder in die Fugen geriet. So als ob mir erst jetzt klar wurde, wie sehr ich sie gebraucht und vermisst hatte.

"Das ist unsere Lisix M...", setzte Maja an. Doch Chris unterbrach sie mit einem lauten Aufschrei.

The Angel Who Watches Over MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt