6. Briefe

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POV Melina

Nachdem ich wieder halbwegs wie ein zivilisierter Engel aussah und roch, schlug ich den Weg zum Büro meines Vaters ein. Vorsichtig klopfte ich an und steckte den Kopf durch die Bürotür. Väterlich lächelte Cupid mich an und bedeutete mir einzutreten. "Es gehört jetzt dir, du musst nicht mehr anklopfen." - "Ich weiß, aber es ist so ungewohnt. Vermisst du Evan nicht?", fragte ich leise. Es war seltsam einfach so in dieses Zimmer gehen zu dürfen, all die Jahre hatte ich es so oft gemieden wie es ging hier herzukommen und jetzt konnte ich hier ein und aus gehen wie ich es wollte.

Der Schreibtisch war wie immer ordentlich aufgeräumt. Papier lagen ordentlich gestapelt aufeinander, die Bücher in den hohen Bücherregalen waren alle ordentlich einsortiert und ein großer Spiegel, von dem ich mich schon immer gefragt hatte, was er dort an der Wand gegenüber des Schreibtisches machte, hing ich an der Wand. Auf dem Schreibtisch lag ein rotes Seidenkissen, auf diesem lag ein blauer Stein, so groß, dass er gerade in meine beiden Hände passten. Dieser war neu und ich wusste nicht was er dort machte.

"Natürlich vermisse ich ihn, aber es war sein Wunsch für dich und deinen Bruder zu sterben und das kann ich verstehen. Aber genug davon. Der Befehl zur Rückkehr ist fertig du musst nur noch unterschreiben.", er hielt mir das Briefpapier hin zusammen mit einem Stift. Ich unterschrieb den Brief, ohne ihn zu lesen mit meinem Nachnamen, ich vertraute meinem Onkel voll und ganz. "Rarun.", murmelte ich. Sofort erschien einer unserer Boten und überbrachte den Brief zu den vier Engeln. "Apropo Bruder, ich muss Chris einen Brief schreiben, er muss wissen das es mir gut geht und Daryl auch.", schon hatte ich nach einem weiteren Papier gegriffen. "Das kannst du heute Abend machen, zuerst habe ich noch etwas Besonderes für dich."

Fragend sah ich ihn an. Ich hatte keinen Schimmer was jetzt kam. Er deutete auf den Stein. "Setzt dich erst einmal hin.", sagte er. "Was ist das für ein Stein? Und wo kommt er her?", fragte ich. Als ich den Stein naher betrachtete sah, ich das den Stein ein dichtes Netz aus weißen Äderchen zierte. Es sah faszinierend aus. "Das ist ein Askiei. Für jeden neuen Ilixis oder jede neue Lisix gibt es ein Aski der ihm folgt. Sie haben einige Kräfte, allerdings weiß ich nicht so genau welche darüber konnte ich nichts in irgendwelchen Büchern finden. Das hättest du normal von deinem Vater gelernt, aber es gibt eine Älteste, die du dafür aufsuchen kannst. Diese lebt allerdings auf der Erde." Dieser Tag hatte einfach zu viele Informationen auf einmal für mich. "Warte eine Sekunde, ich bin verwirrt. Was genau ist ein Aski überhaupt und warum hatte Evan keinen?", fragte ich. "Was genau Es ist kann dir wohl nur Alena sagen, das ist die Älteste. Es ist ein Flugwesen. Es sieht aus wie ein niedliches Küken, doch von dem Tierchen deines Vaters weiß ich das sie Gefährlich werden können. Damit müssten beide Fragen beantwortet sein.", er musterte mich mit einem prüfendem Blick. Er musste gesehen haben das, das nur noch mehr fragen aufkommen lassen hatte. "Der Aski starb bevor du und dein Bruder geboren worden. Warum weiß ich nicht, er hat nie darüber geredet." Ich nickte nur leicht. Interessiert musterte ich das Ei wieder. Es war komplett glatt, es hatte keinen einzigen Riss oder zeigte an das etwas daraus schlüpfen würde. Fasziniert strich ich mit den Fingerspitzen über die glatte, warme Oberfläche. Sie fühlte sich an wie ein glatt geschliffener Diamant. Als es einmal wackelte erschrak ich und sprang auf. Ich war völlig paranoid von den ganzen Beißern auf der Erde. "Wegen den Beißern auf der Erde. Anscheinend sind wir nicht immun oder jedenfalls nicht alle.", fing ich vorsichtig an. "Ja das haben wir schon mitbekommen. Wir haben die anderen gewarnt." - "Und noch etwas wie lange braucht der die das Aski zum Schlüpfen?", fragte ich. "Es müsste heute Nacht schlüpfen.", sagte Cupid und stand auf. Ich nickte nur. "Ich lasse dich dann mal kurz allein. Danach fangen wir ein bisschen mit deinem Training an okay.", wieder nickte ich nur.

"Cupid." Er hielt in der Tür inne als ich seinen Namen rief. "Ich muss Chris schreiben. Er muss einfach wissen das ich noch Lebe. Und Daryl, Cupid ich liebe ihn. Die beiden müssen einfach wissen, dass es mir gut geht." Cupid lächelte wissend. Ich wusste er verstand mich, schließlich war er der Engel der Liebe, wenn es jemand verstehen konnte dann er. "Ich weiß, dass du ihnen schreiben möchtest, doch ich bitte dich es nicht zu tun." Mein Herz zersprang in tausend Teile, meine Kehle schnürte sich zu und mir stiegen Tränen in die Augen.

Sein Blick war voller Mitgefühl, aber auch bedauernd. Ich wusste wie sehr er Chris und mich liebte, zu sehen wie wir beide litten, war sicher auch für ihn nicht einfach. "Melina, wenn er erfährt, dass du noch lebst, wird er sich auf den Weg zu dir machen, dann wäre die Gruppe allein. Sie brauchen ihn. Auch wenn es schwer wird, tief in seinem inneren weiß er das du noch lebst. Er wird nicht sterben, Melina. Vertrau mir." Er lächelte mir noch einmal aufmunternd zu und verschwand dann. Mit viel Mühe schluckte ich die Trauer und die Tränen hinunter.

Uff. Der Tag war seltsam. Gerade noch hatte ich das Leben eines normalen Schutzengels geführt und jetzt? Jetzt war ich die Lisix und war für das wohl aller zuständig. Das war ganz schön groß. Ich stand von dem Stuhl auf und ging quer durch das Zimmer auf den Spiegel zu. Der Rahmen war aus Silber, verziert mit einigen ranken. Er sah faszinierend aus irgendwie Magisch. Doch mein Spiegelbild war, das einizin was ich darin sehen konnte. Eine junge Frau gerade einmal 91 Jahre alt und doch hatte sich Besorgnis in meinen Blick gemischt, mein Gesichtsausdruck war verwirrt, überfordert, traurig und doch entschlossen. Doch als ich genauer hinsah, erschrak ich. Meine sonst so schönen, hellen blauen Augen waren verschwunden, sie waren grau wie flüssiges Silber. Auch meine Haare hatten einen kaum bemerkbaren grau Stich bekommen und meine Flügel waren größer als zuvor und sahen ebenfalls aus wie aus flüssigem Silber. Ich hob die Hand. Mein Spiegelbild ahmte die Bewegung nach. Das war so falsch, ich wollte mein altes Aussehen zurück. Entsetzt, wendete ich mich von meinem eigenen Spiegelbild ab. Ich konnte diesen seltsamen Anblick, der so plötzlich und unerwartet kam nicht mehr ertragen.

The Angel Who Watches Over MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt