Kapitel 10

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Jeffrey Picket kroch ein seltsamer Geruch in die Nase. Es war nichts ungewöhnliches, dass er Dinge roch, die ein normaler Mensch nie wahrnehmen würde, was nicht zuletzt an den Experimenten lag, die er an sich selbst durchgeführt hatte. Eine Spritze nach der anderen hatte er sich verabreicht und jede hatte ihn ein kleines bisschen unmenschlicher gemacht. Die erste öffnete ihm die Augen für die Welt, die ihm bis dahin verborgen gewesen war. Die zweite verbesserte sein Gehör soweit, dass er den Herzschlag einer Person auch in einigen hunderten Metern wahrnehmen konnte, wenn er sich nur darauf konzentrierte. Die dritte Spritze schärfte seinen Geruchssinn, sodass er nun dem eines Hundes ähnelte. All dies hatte er erreicht und trotzdem war er seinem eigentlichen Ziel nicht viel näher gekommen, doch bald würde es soweit sein. Er warf einen Blick auf die Reagenzgläsern, in denen er das Blut des Einhorns und das Blut der Fuchswandlerin mit einigen anderen Zutaten vermischt hatte. Die Fuchswandlerin trug Feenblut in sich. Genau wie dem Blut des Einhorns, sprach man dem Blut einer Fee in gewissen Kreisen heilende Kräfte zu. In alten Büchern hatte er von Rezepten gelesen, mit denen das Blut jegliche Gebrechen heilen könnte. Zugegeben war die Herstellung dieses Gemisches nicht gerade einfach, aber nach der jahrelangen Suche nach den richtigen Zutaten, hatte er alles beisammen. Schwierig war es gewesen die richtigen Wesen zu finden. Einhörner waren selten und Feen waren in den meisten Fällen schwer zu fangen, wenn man mal von dem Mädchen absah, welches in einem der Lagerräume hing. Sie war recht leicht zu fangen gewesen, was wohl daran lag, dass sie nur eine halbe Fee war. Er hatte nach Alternativen gesucht, aber kein anderes Wesen hatte das Blut besessen, welches er für das Mittel brauchte. Wenigstens hatten ihm Teile dieser Wesen gehörige Summen eingebracht.
Jetzt hatte er jedoch alles beisammen. Alles was er jetzt noch brauchte war ein Versuchskaninchen.
Der immer stärker werdende Geruch riss ihn aus seinen Gedanken. Er kannte diesen Geruch, auch, wenn er ihn an nicht gerade schöne Zeiten erinnerte. Und trotzdem war es das, was er jetzt brauchte.
Er lächelte. Manchmal war der Zufall ein Verbündeter, auf den man nicht verzichten mochte. Er hielt die Luft an, schloss die Augen und lauschte. Er vernahm Schritte, jedoch keine von seinen Wachen. Es waren leise, leichte Schritte, als würde jemand über den Flur schleichen. Sie bewegten sich auf den Teil der Halle zu, in der er das Mädchen festhielt. Jeffrey zog sein Handy aus der Hosentasche und rief die Bilder der Überwachungskameras auf, die überall in und um die Lagerhalle herum angebracht waren. Er wischte mit einem Finger über das Display. Bei einer Kamera hielt er inne. Zwei Frauen schlichen über den Gang und schauten sich immer wieder um. Sie befanden sich jetzt ungefähr vor seinem Labor. Jeffrey wurde für einen kurzen Moment blass, bis er sich daran erinnerte, dass er die Tür wie immer abgeschlossen hatte. In diesem Moment wurde die Klinke des Raumes heruntergerückt. Jeffrey schaute auf sein Handy. Er sah wie die ältere der beiden Frauen frustriert die Hand von der Klinke nahm. Jeffrey atmete auf und lächelte erneut. Jetzt wusste er genau um wen es sich bei seinem Versuchskaninchen handeln würde. Der Geruch war unverkennbar gewesen.

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Amber blinzelte ein paar Mal, doch ihre verschwommene Sicht konnte sie damit nicht vertreiben. Ihr fiel es schwer die Augen überhaupt offen zu halten. Ihr Kopf fühlte sich an, als hätte jemand darauf Schlagzeug gespielt und ihre Kehle war trockener als die Sahara. Sie hustete einige Male und drehte dabei den Kopf ganz langsam etwas zur Seite. Sie meinte einen Schlauch erkennen zu können, der aus ihren Arm in einen Blutbeutel führte, der bis zur Hälfte gefüllt sein müsste. Sie hustete erneut und unterdrückte die aufkommenden Tränen. Sie blinzelte hektisch und diesmal wurde ihre Sicht schärfer, wenn auch nicht vollständig. Sie war allein. Niemand außer ihr befand sich in diesem Raum. Sie wollte an ihren Ketten ziehen, doch sie war zu schwach. Fieberhaft überlegte sie wie sie dieser Hölle entfliehen könnte. Noch einmal nahm sie all ihre Kraft zusammen und zog an ihren Ketten. Schlagartig wurde ihr schlecht und um sie herum begann sich alles zu drehen. Dann wurde es vollkommen schwarz. Wie durch Watte hörte sie das Klicken der Tür. „Jetzt ist es vorbei.", dachte sie, „Das war's es jetzt also."
Sie vernahm ein leises Quitschen und dann ein paar ihr sehr bekannte Stimmen. Sie wollte sich bemerkbar machen, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt und sie spürte, wie sie wieder das Bewusstsein verlor.

Medusa 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt