Jen hob langsam den Kopf und blinzelte ein paar Mal. Sie saß in einem hell beleuchteten Büro. Sie wollte aufstehen, doch etwas hinderte sie daran. Sie schaute auf ihre Hände, die mit Handschellen an den Stuhllehnen festgebunden waren. Nun versuchte sie ihre Beine zu bewegen, doch auch diese waren an den Stuhlbeinen festgebunden. Sie rüttelte an ihren Fesseln, jedoch ohne Erfolg.
Sie sah sich weiter in dem Zimmer um. Sie saß vor einem Schreibtisch aus Eichenholz, hinter dem sie einen großen Stuhl erkennen konnte. Auf dem Tisch stand ein Computer, ein, im Gegensatz zu dem Computer sehr altmodisch aussehendes, Telefon sowie ein Bilderrahmen, dessen Inhalt Jen jedoch nicht sehen konnte.
Krampfhaft überlegte sie, wie sie sich aus dieser Situation befreien könnte. Vielleicht konnte sie sich den Daumen brechen. Dann könnte sie eine Hand aus den Handschellen befreien und dann versuchen auch ihre Beine frei zu bekommen.
Bevor sie noch weiter nachdenken konnte, öffnete sich eine Tür hinter ihr, von der sie bis dahin keine Notiz genommen hatte, und jemand trat ein. Jen verängte sich den Hals und erkannte einen Mann mit silbergrauen Haaren in einem schwarzen Anzug, der sie mit einem schiefen Lächeln ansah. Jen riss an ihren Fesseln. „Was wollen Sie von mir?", zischte sie.
Jeffrey Picket nahm hinter dem Schreibtisch platz und faltete seine Hände auf der Tischplatte. „Wollen wir nicht anders anfangen?", fragte er ruhig und beobachtete wie Jen weiter an ihren Fesseln zerrte. „Ich möchte mit Ihnen zusammenarbeiten Jen."
Jens Augen weiteten sich. „Woher kennen Sie meinen Namen?"
Jeffrey lachte auf. „Ich habe Einfluss müssen Sie wissen. Mit der richtigen Summe an Geld kann man viel erreichen. So und jetzt noch einmal: Ich habe Ihnen ein Angebot zu machen."
Jen spuckte in seine Richtung. Leider traf sie nicht ihr eigentliches Ziel. „Warum sollte ich denn mit Ihnen zusammenarbeiten?", zischte sie, „Sie haben meinen Freunden und mir nichts mehr als Leid gebracht."
Jeffrey zog ein Taschentuch aus seiner Jackentasche und wischte Jens Spucke von der Tischplatte. „Sie verstehen es nicht Jen. All das dient etwas viel Größerem. Mit Hilfe Ihrer Freunde habe ich vielleicht etwas gefunden um eines der größten Gebrechen der Menschheit zu heilen."
Jen beäugte ihn misstrauisch. „Sie haben sie gefoltert und Amber wäre verblutet, wenn wir sie nicht befreit hätten. Wie erklären Sie das?"
Jeffrey seufzte. „Kollateralschäden."
Jen schnappte nach Luft. „Kollateralschäden? Sie sind doch irre."
Jeffrey beugte sich zu ihr vor. „Ach bin ich das? Wissen Sie an wem neue Medikamente getestet werden? An Tieren. Weint denen jemand nach? Nein, das tut niemand. Es sind Kollateralschäden."
„Das können Sie doch nicht vergleichen!", protestierte Jen, „Wesen sind uns ähnlicher, als Sie denken."
„Und doch wissen nur wenige von Ihnen. Ich musste an mir selbst dutzende Experimente durchführen, bis ich sie sehen konnte. Es vermisst sie niemand, weil so gut wie niemand weiß, dass sie existieren."
Jen hatte es die Sprache verschlagen. Dieser Mann war doch irre.
Jeffrey stand auf und ging langsam auf sie zu. „Jetzt, wo Sie endlich mal aufgehört haben zu reden, komme ich noch einmal zu meinem Vorschlag zurück. Steigen Sie in meine Versuchsreihe ein."
„Sie sind komplett irre!", keuchte Jen.
Jeffrey fuhr sich mit zwei Fingern über die Schläfe. „Verstehen Sie denn nicht? Ich möchte Ihnen helfen. Ich möchte der Welt helfen. Mein Medikament wird so viele Leben retten."
Jen spuckte ihm vor die Füße. „Wie wollen Sie mir denn helfen?"
Jeffrey fuhr mit dem Zeigefinger über die Tischplatte. „Ich habe Ihnen doch von den Experimenten erzählt, die ich an mir durchgeführt habe."
„Vor ein paar Minuten, ja. Und warum sollte mich das interessieren?"
„Ich habe mir unter anderem das Blut eines Hundewesens gespritzt. Es hat meinen Geruchssinn seinem angepasst. Es war ein Segen und ein Fluch gleichseits."
Er kam Jen immer näher und sog scharf die Luft ein. „Wussten Sie, dass Hunde Krebs riechen können? Teilweise sogar bevor der Betroffene es selbst weiß."
Er wandte sich von ihr ab, griff nach dem Bilderrahmen auf seinem Schreibtisch und strich darüber. „Diese Gabe öffnete mir die Augen und zeigte mir wie schnell das Leben doch vorbei sein kann. Ich habe versucht ein Medikament zu entwickeln und jetzt habe ich es geschafft. Dank den Wesen, die keiner vermisst. Es vermag die Zellenstruktur so zu verändern, dass sie sich selbst schneller regenerieren als zuvor und dabei die von Krebs betroffenen Zellen in Rekordzeit auslöschen. Soweit die Theorie. Alles was ich jetzt noch brauche ist eine Testperson." Er warf ihr einen Blick über die Schulter zu. „Da kommen Sie ins Spiel."
„Ich?", harkte Jen zögerlich nach. Dann verhärtete sich ihre Miene wieder. „Warum genau ich? Soll ich Ihnen Krebskranke anschleppen? Danke, aber darauf kann ich wirklich verzichten."
Jeffrey lachte auf. „Tun Sie doch nicht so Jen. Sie sind die Testperson."
Jen starrte ihn mit offenen Mund an. Jeffrey lächelte. „Sie brauchen wirklich lange um zu verstehen, was ich damit meine." Er ließ sich wieder in seinen Stuhl fallen. „Sie haben Bauchspeicheldrüsenkrebs Jen. Und dieser ist schon sehr weit fortgeschritten."
Jens Atem ging schneller. „Das kann nicht sein.", stammelte sie, „Mir geht es gut. Ich bin gesund. SIE LÜGEN!"
„Ich lüge nicht Jen. Bauchspeicheldrüsenkrebs bleibt häufig lange unerkannt. Bei ihrem Fall verwundert es mich aber sehr, dass Sie noch keine Symtome zeigen. Sie haben vielleicht noch vier Monate."
Jen ballte die Hände zu Fäusten. „Das ist eine Lüge.", murmelte sie immer und immer wieder. Jeffrey betrachtete seine Fingernägel. „Es ist keine Lüge. Ich versuche Ihnen zu helfen. Werden Sie meine erste Testperson und ich verspreche Ihnen, dass ich den Krebs heilen kann."
Jen schaute auf. Ihre Augen funkelten. „Warum fragen sie eigentlich? Sie halten mich hier gefangen. Was hindert Sie daran mir Ihr blödes Mittel einfach zu verabreichen?"
Jeffrey seufzte. „Sie sind ein Mensch so wie ich und ich dachte, dass sie es vielleicht verstehen, da Sie jetzt mit ihrer Situation vertraut sind. Sie wollen doch leben, oder Jen? Seien Sie meine Testperson."
Jen schaute zu Boden. Natürlich wollte sie leben. Nichts wollte sie lieber als das. Langsam hob sie wieder den Kopf. „Niemals. Nie im Leben werde ich ihre Testperson für was auch immer.", zischte sie.
Jeffreys Lächeln verschwand. „Na schön. Ganz wie Sie wollen, aber sagen sie hinterher nicht, dass ich es nicht auf die freundliche Tour versucht hätte."„Was?! Jen ist noch am leben?", erklang Ambers aufgeregte Stimme aus Cassandras Handy. Cassandra wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger und ließ sich auf ihr Bett fallen. An Schlaf war nach diesen Neuigkeiten nicht mehr zu denken gewesen, also hatte sie sich entschlossen Amber und Mara über die neuen Ereignisse in Kenntnis zu setzen. Nachdem Amber am vorherigen Tag wieder aufgewacht war, hatte sie es nicht mehr in ihrem Bett ausgehalten und nicht einmal Mara hatte es geschafft sie an diesem festzuhalten. Also hatte sie Amber nach Hause begleitet, um auf sie Acht zu geben, auch, wenn Amber dies nur mit Protest genehmigt hatte.
Cassandra seufzte. „Die Überwachungsbänder sprechen dafür.", antwortete sich. In diesem Moment mischte sich eine müde Stimme in ihre Unterhaltung.
„Was ist denn los?", hörte sie Mara murmeln.
„Jen ist noch am Leben.", entgegnete Amber aufgeregt. Cassandra konnte hören, wie Mara scharf die Luft einsog. „Das kann nicht wahr sein.", sagte sie leise.
Cassandra fuhr sich durch die zerzausten Haare. „Ich habe es auch erst nicht geglaubt.", sagte sie, „Als ich Fynn und Medusa an denn monitoren gesehen habe, habe ich gedacht, dass die beiden jetzt wirklich ihren Verstand verloren haben. Aber das haben sie nicht, aber ich habe es gedacht. Sollte man seinen Freunden bei sowas nicht beistehen und sie nicht gleich als durchgeknallt abstempeln."
„Kommt drauf an wie durchgeknallt sie wirklich sind.", meldete sich Mara zu Wort.
„was wollt ihr den jetzt machen?", fragte Amber, „Können wir irgendwas machen? Irgendwas?"
Cassandra schüttelte langsam den Kopf, auch, wenn sie wusste, dass die beiden dies ohnehin nicht sehen konnten. „Nein, Fynn versucht den wagen zu finden, in dem Jen weggebracht wurde, aber bis jetzt ohne Erfolg." Sie seufzte.
„Hast du wirklich gar nichts, was ich machen kann?", flehte Amber, „Mara zwingt mich hier auf der Couch zu sitzen."
„Ja, weil du Ruhe brauchst.", erklang Maras Stimme leise aus dem Hintergrund.
„Du hast meine restlichen Verletzungen geheilt. Mir geht es gut."
„Trotzdem musst du dich noch ausruhen. Du hast sehr viel Blut verloren und diese Vorräte kann ich leider nicht so schnell wieder auffüllen."
Cassandra stellte sich vor, wie Amber bei diesen Worten die Augen verdrehte. Einen kurzen Moment lang herrschte Stille, dann hörte Cassandra wieder Ambers Stimme aus dem Telefon. „Wenn ich ohnehin nichts machen kann, kann ich dich ja jetzt endlich fragen, was da zwischen dir und Fynn passiert ist."
Cassandra schluckte. „Ich glaube, das willst du gar nicht wissen."
„Dass es nicht gut gelaufen ist, weiß ich ja schon längst, aber was ist jetzt genau passiert?", harkte Amber nach.
„Hat Mara dir das etwa nicht erzählt? Ihr erzählt euch doch sonst immer alles.", fragte Cassandra nachdenklich. Aus dem Hintergrund meldete sich Mara wieder zu Wort. „Ich war damit beschäftigt Amber auf dem Sofa festzuhalten."
„Zu meinem Leidwesen.", murmelte Amber, „Also raus mit der Sprache. Ich habe ihm schließlich gesagt, dass er dir seine Gefühle gestehen soll. Ich will wissen welche Katastrophe ich damit ausgelöst habe."
Cassandra seufzte. „Er hat mir gesagt, was er fühlt und das wars. Ich bin rausgerannt. Dann ist so viel passiert. Wir haben die letzten Tage kaum miteinander geredet und er schaut mich nicht an."
Sie ließ sich rücklings aufs Bett fallen. „Es ist ein schreckliches Gefühl. Und er fühlt sich genauso. Ihm geht es scheiße."
„Ich habe ja gesagt, dass du ihm Zeit geben sollst.", meinte Mara.
„Ja, aber das kann ewig dauern.", entgegnete Amber, „Du musst mit ihm reden."
Cassandra schloss die Augen. „Das habe ich ja. Ich habe ihm gesagt, dass ich in ihm nichts mehr als einen Bruder sehe und, dass ich ihn nicht so liebe, wie er mich.", meinte sie leise, „Er ist wütend auf mich und will nicht mit mir reden geschweige denn mich ansehen. Ich habe alles versaut."
„Das Thema hatten wir doch schon.", entgegnete Mara scharf, „Du hast nichts versaut. Hör auf dir Vorwürfe zu machen."
„Ja, und ich bin mir sicher, dass er nicht sauer auf dich ist.", fügte Amber hinzu, „Hör auf eure Verbindung. Was spürst du?"
Cassandra ließ das Telefon kurz sinken und schloss die Augen. Sie suchte nach dem gefühl, dass sie seit dem Chi-Ritual begleitete. Das Gefühl, was ihr versicherte, dass sie nicht allein war. Manchmal war es warm und voller Freude. Dann fühlte sie sich gut, weil Fynn sich gut fühlte. Ein anderes Mal, war es kochend heiß und schien wie eine Flamme tief in ihr zu lodern. Sie wusste dann ganz genau, dass Fynn etwas ärgerte. Doch jetzt war es eisig kalt. Sie öffnete die Augen wieder. „Er ist nicht sauer.", sagte sie leise und griff wieder nach ihren Handy. „Er ist traurig."
„Natürlich ist er das. Er hat das Gefühl, dass er alles kaputt gemacht hat. Schließlich hat er es dir gesagt und nicht anders herum. Er fühlt sich mies.", meinte Amber, „Ihr solltet miteinander reden und solltet es klar stellen. Je länger ihr es vor euch herschiebt, desto schlimmer wird es und desto schlimmer fühlt ihr euch."
„Es wird nie wieder so sein wie vorher?", fragte Cassandra leise.
„Das weiß keiner.", meinte Mara, „Aber ihr seid Chi-Partner. Ihr schafft das zu überwinden."
„Und was wenn nicht? Anscheinend ist es noch nie vorgekommen, dass sich ein Chi-Partner in den anderen verliebt hat. Vielleicht war es ein Fehler."
„Das Schicksal macht keine Fehler.", meinte Amber bestimmt. Mit diesen Worten legte sie auf.
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Medusa 2
Fantasy*abgeschlossen/unüberarbeitet Medusa schaute an sich herunter und betrachtete missmutig ihren Trenchcoat. „Jetzt ist er voller Blut." Jen schaute zu dem Mann, der immer mehr Blut spuckte und sie aus schreckgeweiteten Augen anstarrte. „Darum machst d...