„So raus mit euch.", meinte Medusa und stellte den Motor ab. Es war später Nachmittag und der Himmel war wolkenverhangen. Der Schnee, der den Boden einige Tage lang bedeckt hatte, hatte sich inzwischen in braunen Matsch verwandelt. Fynn löste seinen Sicherheitsgurt und stieg aus. Claas zögerte und schaute auf Alexander, der mit dem Kopf auf seinem Schoß lag.
Fynn öffnete inzwischen die Hintertüren von Jens Geländewagen.
Claas fuhr Alexander vorsichtig durch die Haare. „Wie kriegen wir ihn jetzt aus dem Wagen und in die vergessene Welt? Wo ist die überhaupt?"
„Unter dem See."
„Unter dem See?!"
„Naja, es ist kompliziert, okay? Vertrau mir einfach."
Claas seufzte, schob Alexanders Kopf vorsichtig von seinem Schoß und stieg aus.
Draußen sah er sich um. „Ist das nicht auffällig, wenn wir jemanden in den See schleppen?"
„Deswegen haben wir das bei Fynn ja auch nachts gemacht.", mischte sich Medusa von vorne ein.
Fynn schnippte mit den Fingern. Alexander erhob sich etwas und schwebte aus dem Fahrzeug. Claas schaute sich nervös um. „Und das ist noch auffälliger."
Fynn breitete die Arme aus und schloss die Augen. „Keine Sorge, ich habe alles unter Kontrolle.", murmelte er.
Claas rieb sich verwirrt die Augen, als sich ein schimmernder Schleier um die Freunde legte. Fynn öffnete die Augen wieder. „So fertig, jetzt sind wir unsichtbar."
Medusa beugte sich aus dem Fenster der Vordertür. „Das sehe ich, oder eher gesagt sehe ich nicht. Was ich mich aber frage ist warum du das nicht schon früher gemacht hast?! Das hätte so vieles so viel einfacher gemacht."
„Da konnte ich das noch nicht.", erklang Fynns Stimme, „Ich habe das erst vor kurzem gelernt."
Medusa fuhr sich mit zwei Fingern über die Schläfe. „Ich fahre jetzt. Sei pünktlich wieder im Zentrum. Wir müssen heute Abend auf diese Vorstellung vom Mistkerl."
Mit diesen Worten startete sie den Motor und war wenig später verschwunden.Claas griff nach Alexanders Hand, der in einen glitzernden Schleier gehüllt, neben ihm schwebte. „Und er kann auch ganz sicher nicht runterfallen oder so?"
Fynn schüttelte entschieden den Kopf. „Ganz sicher nicht. Lass uns gehen. Mara wartet bestimmt schon."Mara lief unruhig auf der Lichtung hin und her und wartete auf das Eintreffen von Claas, Fynn und Alexander. In den Armen hielt sie ein altes Buch, das schon bessere Tage gesehen hatte. Die Seiten waren abgeknickt und auch der Einband war vergilbt und an einigen Stellen eingerissen.
Plötzlich begann es in der Mitte der Lichtung zu flimmern und die Siluetten der Jungen wurden sichtbar.
Claas blinzelte ein paar Mal und schaute sich verwirrt um. Als sein Blick Alexander streifte, der neben ihnen im Gras lag, rutschte er sofort näher zu ihm und hob seinen Kopf wieder auf seinen Schoß. Fynn rappelte sich auf und kam auf Mara zu. Diese schaute ihn mit einem strafenden Blick an und verschränkte die Arme. Fynn zog unwillkürlich den Kopf ein. Wenn Mara so dreinschaute, konnte das nichts Gutes bedeuten.
Mara kniff ihre Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. „Du bist ein Riesenbaby."
Fynn runzelte die Stirn. „Warum das denn?"
Mara schob sich an ihm vorbei und ließ ihre Fingerknöchel knacken. Dann schnippte sie mit den Fingern und ließ Alexander wieder in der Luft schweben. „Ich möchte das ungern weiter ausführen, weil das viel zu lange dauern würde, aber lass dir eins gesagt sein: Abgewiesen werden ist der Lauf der Dinge. Du kannst nicht erwarten, dass alles so läuft, wie du es dir vorstellst."
Fynn kratzte sich am Kopf. „Du sprichst von Cassandra?"
Mara warf ihren langen schwarzen Zopf über die Schulter. „Keine weiteren Ausführungen. Wir haben etwas zu tun. Folgt mir.", sagte sie und machte sich auf den Weg tiefer in den Wald hinein.
Claas schloss zu Mara auf, die sich ihren Weg durch das Dickicht schlug. „Was genau machst du mit ihm? Was ist eine Traumwandlerin?"
Mara seufzte. „Warum bin ich eigentlich für jeden die Lehrerin in Feenkunde?" Sie schaute zu Fynn, der nun ebenfalls zu ihnen aufgeschlossen hatte. Dieser zuckte mit den Schultern. „Immer, wenn ich etwas erkläre, unterbrichst du mich und ich komme nicht mehr zu Wort, also lasse ich dich gleich erklären."
Mara seufzte erneut. „Wo du recht hast, hast du recht."
Claas sah sie auffordernd an. „Lass dich nicht lange bitten. Was passiert mit Alexander? Warum ist er in seinem Unterbewusstsein gefangen?"
„Es ist schwer zu erklären. Es gibt viele Gründe warum so etwas passieren kann. Es kann ein schlimmes Erlebnis sein, ein Fluch oder eine magische Pflanze. Letzteres liegt bei Alexander vor. Ich habe mit Amber gesprochen. Sie hat mir die Zusammensetzung des Giftes geschickt, das sie in den Körpern der durchgedrehten Wesen gefunden hat, und habe sie nachgeschlagen. Unter anderem war dort die Pflanze Morana Mori aufgeführt." Sie presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. „Das ist eine Pflanze, die die Sinne vernebelt und seine dunkele Seite zum Vorschein bringt. Es ist als würde dein böser Zwilling deinen Körper übernehmen und du kannst nichts dagegen tun."
Claas schluckte. „Das klingt gar nicht gut..."
Mara schüttelte den Kopf. „Das ist es auch nicht. Diese Pflanze ist der Grund dafür, dass die Wesen durchgedreht sind und sich später selbst getötet haben. Der Körper war zu schwach dem bösen Zwilling Stand zu halten. Alexander hat Glück gehabt, dass Amber ihm das Gegenmittel gebraut hat. Es hat gewirkt, aber nicht so richtig, weil wir nicht wussten um was es sich genau handelt. Hätten wir es gewusst, wären wir anders an die Sache herangegangen. Es ist sowieso verwunderlich, dass sein Körper es so lange durchgehalten hat. Normalerweise hätte der böse Zwilling seinen Körper längst vollständig übernommen. Aber er liegt im Koma. Er scheint gegen ihn anzukämpfen und das ist gut, auch, wenn ich von so etwas noch nie gelesen habe. Es gibt einen Grund warum er kämpft."
Claas erinnerte sich daran, wie er Alexander in der schmalen Gasse gesehen hatte. Er hatte ihn erkannt. Er war zu Bewusstsein gekommen.
„Er war bei Bewusstsein.", murmelte er. Mara schaute ihn verwirrt und überrascht zugleich an. „Er war bitte was?"
„Er war kurz bei Bewusstsein. Es war, als Jen und Cassandra ihn gefunden und wir ihn dann ins Zentrum gebracht haben. Er war kurz er selbst."
Mara zog eine Augenbraue hoch und schlug das Buch auf, was sie in den Händen hielt. „Ich habe das ganze Ding durchgelesen, aber ich habe nichts darüber gefunden, dass sich jemand durchgesetzt hat, wenn der böse Zwilling am Drücker war."
Sie klappte das Buch zu. „Durch das Gegenmittel wurde der böse Zwilling geschwächt, aber allein kommt Alexander nicht aus seinem Unterbewusstsein heraus. Es ist egal wie er es schafft gegen seinen bösen Zwilling zu kämpfen, aber er tut es, also helfen wir ihm."
„Und wie stellen wir das jetzt an?", fragte Claas hoffnungsvoll.
Mara stoppte vor einer mit langen Pflanzen behangenen Felswand und schob diese auseinander. Dahinter kam ein dunkler Gang zum Vorschein. Mara machte eine fließende Handbewegung und erschuf eine tanzende Lichtkugel auf ihrer Hand. Auffordernd winkte sie die Freunde hinter sich her, die ihr nach kurzem Zögern folgten.Wenig später betraten die drei eine weite Lichtung, dessen Mittelpunkt ein kleiner See bildete. Die Zweige einer großen Trauerweide wurden von dem leichten Wind hin und her geweht und streiften immer wieder die Wasseroberfläche, was kleine Wellen auf dem Teich erschuf.
Fynn schaute sich um. „Das ist schön hier. Hier war ich ja noch nie."
Mara ging weiter auf den Teich zu. Erst jetzt bemerkten die Jungen, dass auf dem See flackernde Kerzen schwammen.
Mara warf ihm einen Blick über die Schulter zu. „Du warst hier noch nie, weil das einzig und allein für Traumwandler Rituale vorgesehen ist."
„Von denen du eine bist. Was machen die genau?", harkte Claas nach.
„Ich habe das von meiner Mutter geerbt.", erklärte Mara, „Feen können durch Zauber in den Kopf von anderen Menschen und Wesen eindringen. Aber die meisten kratzen nur an der Oberfläche."
Fynn hob eine Hand. „Ich zum Beispiel. Ich kann in die Köpfe anderer eindringen, aber ich schaffe es höchstens sie schlafen zu lassen, oder einen kurzen Gedanken lesen, aber das ist anstrengend und braucht jahrelange Übung. Es ist schwierig."
„Genau. Ich als Traumwandlerin kann tiefer in das Bewusstsein von Personen eindringen. Ich kann ihre tiefsten Erinnerungen oder Träume sehen, vielleicht mich auch in ihnen bewegen, oder mich mit ihnen in ihrem Unterbewusstsein unterhalten."
Sie setzte sich im Schneidersitz ins Gras und ließ Alexander langsam zum Wasser schweben.
Claas' Beine wurden weich. „Was machst du jetzt? Was ist der Plan?"
Mara ließ Alexander langsam in das lichte Wasser sinken. Er ging nicht unter, sondern trieb beinahe schwerelos an der Wasseroberfläche. Das Wasser schmiegte sich sanft an seinen Körper.
Mara drehte sich zu Claas. „Der Plan ist, dass wir dich in sein Unterbewusstsein schicken werden und du ihm dann hilfst wieder zu sich zu finden."
Ihr Blick wurde ernst. „Es ist gefährlich. Wenn du es machst, läufst du Gefahr, dass du ebenfalls dort gefangen bist. Es kann alles passieren, was hier auch passieren kann. Wir wissen nicht wie es in seinem Unterbewusstsein aussieht. Der dunkle Zwilling will nichts Gutes für dein echtes Ich. Er kann sich alle möglichen Dinge ausdenken, um Alexander in sich verschlossen zu halten und sich durchzusetzen. Im Moment hat er keine Kraft dafür, aber wer weiß wie lange Ambers Mittel wirkt. Wenn du es nicht schaffst Alexander zurückzuholen und sich der dunkle Zwilling durchsetzt, kriegen wir ihn nicht zurück."
Claas musste erneut schlucken. Mara sah ihn mitfühlend an. „Ich weiß, dass du denkst, dass wir es früher hätten bemerken müssen, aber so eine Pflanze ist sehr selten. Amber kannte sie nicht. Sie- wir dachten, dass es sich um etwas anderes handelt. Wir hätten uns genauer mit den Zutaten auseinandersetzen müssen."
Claas nickte langsam. „Wir sind doch jetzt hier, oder nicht?"
Er holte tief Luft. „Was soll ich tun?"
Mara schaute zu ihm auf. „Leg dich zu ihm in das Wasser. Alles andere werde ich machen. Du wirst einschlafen und dich in seinem Unterbewusstsein wieder finden. Du musst es schaffen, dass er aufwacht. Dann wird sein Körper wieder im Gleichgewicht sein."
Claas trat auf den See zu und legte sich neben Alexander in das Wasser. Langsam verschränkte er seine Finger mit Alexanders.
Mara atmete noch einmal tief durch und schaute zu Fynn, der etwas unbeholfen neben ihr stand. „Du solltest gehen.", meinte sie.
„Bist du dir sicher? Kann ich dir nicht irgendwie helfen?"
„Du hilfst mir, wenn du gehst.", sagte Mara ruhig, „Ich brauche Ruhe für das hier."
Fynn warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Ich muss sowieso los. Ich muss Beweise finden."
Mara lächelte. „Siehst du. Also geh jetzt. Wir schaffen das schon."
Claas hob den Kopf und winkte Fynn zu. „Danke Fynn. Ohne dich hätten wir diese Möglichkeit jetzt nicht."
Fynn lächelte schwach. „Gern geschehen."
Claas ließ sich wieder in das Wasser sinken und schaute in den wolkenlosen Himmel. „Es wird alles gut Alexander. Das verspreche ich dir."
Mara wartete bis Fynn wieder in dem Tunnel verschwunden war und dann schloss sie die Augen. Beinahe lautlos formten ihre Lippen die Zauberformel. Ihre Flügel begannen sie in die Luft zu heben, sodass sie nun einige Meter über dem Boden schwebte.
Um Alexander und Claas herum begann das Wasser zu blubbern. Maras Atem ging langsam und gleichmäßig. Sie hatte diesen Zauber noch nicht häufig durchgeführt. Und noch nie war es so wichtig gewesen wie jetzt. Sie breitete langsam die Arme aus und aus dem See begannen Lichtstrahlen zu schießen. Claas schloss die Augen, doch nicht, weil die Strahlen ihn blendeten. Er schloss sie, weil sich seine Augenlider plötzlich ganz schwer anfühlten. Er verspürte den Drang sie offenzuhalten, doch die Müdigkeit war stärker und er merkte, wie er langsam abdriftete.
Ratet mal wer keine Ahnung mehr hat wie es weitergehen soll? Ja ich XD Ich muss mal nachdenken. Ich hab ja noch ein paar Kapitel XD
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Medusa 2
Fantasy*abgeschlossen/unüberarbeitet Medusa schaute an sich herunter und betrachtete missmutig ihren Trenchcoat. „Jetzt ist er voller Blut." Jen schaute zu dem Mann, der immer mehr Blut spuckte und sie aus schreckgeweiteten Augen anstarrte. „Darum machst d...