Mara hatte noch nicht einmal die Tür zum Krankenzimmer aufgestoßen, als Claas schon ihre triumphierenden Rufe vernahm. Nur Sekunden später flog die Tür auf und knallte gegen die Wand. Obwohl Claas ihre Ankunft bereits erahnt hatte, zuckte er zusammen und schloss die Augen. „Erschreck mich doch nicht so.", protestierte er. Mara schwankte für einen kurzen Moment hin und her. Claas erhob sich halb von seinem Stuhl. „Ist alles in Ordnung?"
Mara nickte und zog ein kleines Fläschchen aus der Tasche ihrer Jeansjacke. Sie schwenkte es in der Luft. „Ich habe es und ich glaube es ist fertig."
Claas zog eine Augenbraue hoch. „Du glaubst?"
Mara verdrehte die Augen. „Ich habe es nicht gebraut. Ich habe keine Ahnung wie das funktioniert."
„Sehr beruhigend.", murmelte Claas und schaute auf Alexander, dessen Brust sich regelmäßig hob und senkte. Mara kam auf ihn zu und drückte ihm das Fläschchen in die Hand. „Es wird schon gut gehen.", meinte sie, „Und sonst bin ich ja noch da."
Claas sah von dem Fläschchen zu ihr. „Kannst du ihn nicht heilen? Du bist doch auch eine Fee, genau wie Fynn. Warum könnt ihr nicht einfach eure Kräfte benutzen?"
Mara vergrub die Hände in ihren Jackentaschen. „Das ist nicht so einfach.", sagte sie leise, „Wenn jemandem ein Zaubertrank oder ein anderes Mittel verabreicht wurde, können wir es nicht wieder aus seinem Körper entfernen. Das kann nur ein weiterer Zaubertrank. Genauso ist es zum Beispiel mit Flüchen. Eine Fee kann die Flüche einer anderen nicht aufheben, nur abmindern. Glaube mir, ich hätte es getan, wenn es möglich wäre."
Sie schaute auf das Fläschchen in Claas' Hand. „Das da ist deine einzige Chance, damit es ihm besser geht."
Claas drehte sich zu Alexanders Bett. „Und, wenn es nicht funktioniert?"
„Es wird funktionieren.", beteuerte Mara, „Amber ist Spezialistin auf diesem Gebiet. Vertrau ihr. Sie wusste ganz genau was sie tat."
Claas nickte langsam und schraubte den Deckel ab. „Ich vertraue ihr.", flüsterte er und hob Alexanders Kinn leicht an. Vorsichtig öffnete er seinen Mund und setzte den Rand der Glasflasche an seine feinen Lippen. Sanft hielt er ihm die Nase zu, sodass Alexander das Mittel schlucken musste. Claas nahm die Flasche wieder an sich und verschloss sie. Sie war bis auf den letzten Tropfen geleert. Mit Tränen in den Augen schaute er zu Mara. „Sollte er jetzt nicht aufwachen?", murmelte er verzweifelt. Mara kaute an ihren Fingernägeln. „Es braucht Zeit.", entgegnete sie schließlich. Sie versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass sie in Wirklichkeit keine Ahnung hatte ob es funktionieren und wie lange es wohl dauern würde. Zögerlich legte sie Claas eine Hand auf die Schulter. „Hab Geduld.", flüsterte sie, „Er wird aufwachen."Laute Stimmen drangen durch das Zentrum, bis nach oben in das Krankenzimmer. Mara sah auf. „Das sind Medusa und Cassandra!", rief sie und rannte zur Tür des Raumes. Mit klopfenden Herzen beobachtete sie wie zwei Gestalten eine dritte Gestalt die Treppe hinaufschleppten. Als sie Amber erkannte, überkam sie eine Woge der Erleichterung. Gleichzeitig zog sich ihr Magen zusammen und ihre Beine begannen zu zittern. Wie in Zeitlupe nahm sie wahr, wie Cassandra und Medusa sich an ihr vorbeischoben und Amber auf eines der Betten legten.
Claas blickte auf. „Ihr habt sie gefunden?! Das ist toll! Wie geht es ihr?"
Seine Fragen wurden nicht beantwortet. Während Cassandra versuchte Ambers Wunden zu verarzten und sie in eine für sie angenehme Position zu bringen, redete Medusa unermüdlich auf sie ein.
„SIE IST NICHT TOT CASSANDRA!" Ihre Stimme bebte und doch klang sie klar und bestimmt. Cassandra schlug mit zitternden Fingern die Decke über Ambers Körper.
„Medusa, Sie-sie müssen sich damit abfinden, dass wir nichts mehr tun können."
Inzwischen hatte auch Mara den Raum wieder betreten und rannte auf ihre Cousine zu. „Sie ist tot?!" Ihre Stimme brach. Vorsichtig strich sie Amber eine Strähne aus dem Gesicht. „Sie kann nicht tot sein..."
Medusa fuhr sich durch die Haare. „Sie ist auch nicht tot!", fauchte sie. Mara zuckte zusammen. Medusa schlug mit der flachen Hand gegen die Wand des Krankenzimmers. „SIE IST NICHT TOT!", wiederholte sie noch etwas lauter. Claas hatte sich inzwischen von seinem Stuhl erhoben. „Um wen geht es hier?", rief er. Cassandra hob den Kopf und sah ihn aus rotgeweinten Augen an. „Es-"
Medusa wirbelte zu ihm herum. „Es geht um Jen! Sie ist nicht tot!"
Cassandra begann am ganzen Körper zu zittern. Es hatte ewig gedauert Medusa in den Wagen zu schaffen und mit ihr zusammen zurück zum Zentrum zu fahren. Die gesamte Fahrt hatte sie sich anhören müssen, dass Jen nicht tot sei und, dass sie sie retten müsse.
„HÖREN SIE AUF!", schrie sie verzweifelt, „HÖREN SIE AUF! Diese Explosion hätte keiner überlebt! Sie ist tot Medusa. Jen ist tot!"
Medusa ballte ihre Hände zu Fäusten. „Sie ist nicht tot.", wiederholte sie gefährlich ruhig.
„Es gab eine Explosion?! Was ist da passiert!?", schrie Mara und griff nach Ambers Hand.
„HALTET ALLE EURE KLAPPE!" Medusas Stimme durchschnitt die Luft wie eine eisernes Messer. „JEN IST NICHT TOT! SIE.IST.NICHT.TOT"
„Medusa...", versuchte Cassandra sie zu beruhigen, doch Medusa drehte sich um stürmte aus dem Zimmer.
Cassandra sank langsam auf eines der Betten und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Claas kam langsam auf sie zu und setzte sich neben sie. „Was ist passiert?", fragte er ruhig. Cassandra sah auf und schlang die Arme um sich. „Wir waren bei der Lagerhalle.", erzählte sie stockend, „Wir haben Amber befreit. Dann sind die Wachen gekommen. Jen hat mir gesagt, dass ich Amber rausbringen soll. Sie wollte sie aufhalten. Ich habe sie allein gelassen. Ich habe Amber zum Wagen gebracht. Ich wollte wieder rein und ihr helfen. Dann war Medusa plötzlich da. Sie ist losgerannt und dann war da-"
Sie schluchzte auf. „Dann war da die Explosion und die Halle stand in Flammen." Sie sah langsam auf und sprach das aus, was alle in diesem Moment bereits wussten. „Jen war noch da drin."****
Cassandra klopfte anFynns Zimmertür und wartete nicht darauf, dass sie hereingebeten wurde. Dazuwar sie nun wirklich nicht im Stande. Sie öffnete die Tür und betrat denschwach beleuchten Raum.
Fynn lag auf seinem Bett, das Gesicht zur Wand gedreht. Seine vogelartigen Schwingenhingen schlaff herab. Cassandra knetete unruhig ihre Hände und versuchte dieaufkommenden Tränen zu unterdrücken. Krampfhaft überlegte sie wo sie anfangensollte. Wie sagte man jemandem, der keine Ahnung hatte, was die letzten Stundenpassiert war, dass er jemanden sehr wichtigen verloren hatte?
„Fynn?"
Sie bekam keine Antwort. Cassandra spürte wie der Klos in ihrem Hals immerweiter wuchs und drohte ihr die Luft abzuschnüren.
„Fynn?", wiederholte sie mit krächzender Stimme. Wieder bekam sie keineAntwort. Sie spürte wie die Tränen sinnflutartig ihre Wangen herabrannen.
„Du willst nicht mit mir reden? Kann ich verstehen. Das würde ich auch nichtwollen. Aber-"
Sie schluchzte auf. „Du bist wütend auf mich, dass ich nicht die gleichenGefühle für dich habe wie du für mich. Du willst, dass ich das Gleiche fühle,aber das kann ich nicht." Sie wischte sich verzweifelt über die Augen. „Dumusst nicht mit mir reden. Du musst mich nicht ansehen. Du kannst mich fürJahrhunderte ignorieren, wenn du das willst."
Sie machte einen wackeligen Schritt auf sein Bett zu. Was sie dabei nicht sah,waren die Tränen die langsam Fynns Wangen herunterliefen. „Aber jetzt, genau jetzt, brauche ich meinenbesten Freund. Du hast keine Ahnung was die letzten Stunden los war. Amberwurde entführt und liegt, ebenso wie Alexander, auf der Krankenstation. Marakümmert sich um Amber, Claas um Alexander, Medusa ist wer weiß wo und Jen-"
Sie schluchzte erneut auf und sank auf dem Boden zusammen. „Ich-ich kann nichtmehr!"
Fynn erhob sich leise von seinem Bett, kam auf sie zu und kniete sich vor sie.Langsam hob er ihr Kinn an, senkte dann jedoch den Blick. „Was ist passiert?",fragte er tonlos. Cassandras Augen brannten. „Jen-sie ist tot, Fynn."
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Medusa 2
Fantasy*abgeschlossen/unüberarbeitet Medusa schaute an sich herunter und betrachtete missmutig ihren Trenchcoat. „Jetzt ist er voller Blut." Jen schaute zu dem Mann, der immer mehr Blut spuckte und sie aus schreckgeweiteten Augen anstarrte. „Darum machst d...