Kapitel 1.4

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Meine Augen öffneten sich schwer und ich blinzelte ein paar Mal verdutzt um die Geräusche einzuordnen. Es war ein schriller, penetranter Ton, der immer wieder aufkam. Ich blieb ganz ruhig liegen. Den weichen Stoff des Kissens an mein Ohr gepresst, um Geräusche so verstummen zu lassen. Nach einer Gefühlten Ewigkeit, kapierte ich dann, dass dieser nervenaufreibende Ton von dem Wecker kam.. Wild hämmerte ich auf ihn ein, um ihn verstummen zu lassen. Genervt setzte ich mich auf.

Die Wochen vergingen hier wie im Flug. Mittlerweile lebte ich schon seit einem Monat hier. Conor besuchte ich jeden Tag, wenn ich Spätschicht hatte und aß bei ihm zum Frühstück.

Auf meinen Streifzügen durch die Gassen, entdeckte ich, wohl das prachtvollste Gebäude der Stadt. Die Stadtbibliothek, welche an der Pforte zwei weiße Marmorsäulen mit sich trug, öffnete mir den Palast der Bücher. Ich stöberte Stunden, in den Regalen. Auf der Suche nach Büchern, die nicht auffallend waren, aber meist die sind, die einen in die schönsten Welten eintauchen ließen und man über sich und das Leben philosophieren konnte.

Jeden Dienstag, kochte ich feinste Speisen. Da es nun anscheinend zur Tradition geworden war, dass meine Nachbarn, die O'Murphys, zum Abendessen zusammenkamen. Die dreiköpfige Familie, bestand aus dem Oberhaupt Aamun, dessen dunkler Bart, sein halbes Gesicht bedeckte. Seiner Frau Arlin, dessen Stärke den ganzen Tisch einnahm. Und ihrer gemeinsamen Tochter Brigid. Ihr orangenes, gelocktes Haar, hing oftmals wild im Gesicht. Sie war mit einer der offenherzigsten Menschen gewesen, denen ich bisher begegnet bin. Aamun, war hier Heilpraktiker, da das Krankenhaus für viele ältere Herrschaften zu weit weg war, um wegen jeder Kleinigkeit dorthin zu fahren. Deshalb kamen sie zu ihm und baten um Rat. Man konnte also schon behaupten, das Aamun hier der sogenannte Dorfarzt, sprich Apotheker war. Aus Kräutern und sonstigen elexierartigen Mixturen, mischte er einem Medikamente zurecht. Es war bemerkenswert, wie hier noch richtig alte Naturheilkunde praktiziert wurde. Als Art Willkommensgeschenk, standen sie in der ersten Woche vor meiner Tür mit einer Holzkiste, voller Kräuter, aus denen ich mir einen Tee zaubern konnte. Sie hatten scheinbar mitbekommen, dass ich an einigen Abenden, einen Korb mit Kräutern gesammelt hatte. So herzliche Menschen, war ich nicht gewohnt. Es war überraschend, dass Menschen wissen wollten, was ich mochte, um mir dann damit eine Freude zu machen. Deshalb lud ich sie nun nur noch lieber zu dem Essen ein. Ohnehin halfen sie mir, mich nicht allzu einsam zu fühlen.

Schon in der zweiten Woche, nahm ich an meinem ersten richtig traditionellen Marktfest teil. Die Tradition bestand darin, dass überall in der Stadt Seelenstücke von unseren Vorahnen, in Form von kleinen Glücksbringern versteckt wurde. Die Aufgabe war es, dem Verlangen danach zu suchen zu widerstehen. Der Seelenstein musste dich finden. Wenn er zu dir wollte, dann würdest du ihn schon zum Sonnenuntergang in den Händen halten. Die Stadt war übersäht mit Menschen. Bisher hatte ich hier noch nie so viele gesehen. In regelmäßigen Abständen hörte man immer wieder ‚Er hat mich gefunden' oder ein freudiges Aufschreien. Die Menschen hier waren sehr abergläubig. Man sollte nie seine Ahnen, böse stimmen, sonst verfolgte einem das Pech. Auch Sean, der Bäcker, fand sein Seelenstück. Er erzählte mir, das es nun schon sein fünfter in Folge war. Das bedeutete, das die Ahnen seit Jahren zufrieden, wenn nicht sogar stolz auf ihn und seine Art, die Bäckerei zu führen waren. Als es nun begann zu dämmern, gestand ich mir ein, das wohl heute kein Glücksbringer auf mich warten würde. Doch dies war kein Grund in eine schlechte Stimmung zu verfallen, denn eine lange Tafel mit pompösen Tischdecken und alten Öllampen, die das spielende Feuer umschlossen, wurden auf dem Markplatz hergerichtet. Eine Stimmung der Freude und Hingabe loderte auf. Gelächter schallte durch die leeren Gassen. Bei Bier, Wein und einem guten Stück Schwein, sang und trank man, bis in die Nacht hinein. Keiner musste heute alleine sein. Heute waren wir alle samt am Tisch eine Familie, egal von woher man kam.

Geister der SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt